Raus aus Orbán-Land
Es ist das Aus für die Zentraleuropäische Universität (CEU) in Budapest. Unter dem Druck der rechtskonservativen Regierung hat die US-amerikanische Institution ihren Abzug aus der ungarischen Hauptstadt bekanntgegeben. Am Montag voriger Woche sagte der Rektor Michael Ignatieff auf einer Pressekonferenz: »Die CEU ist rausgezwungen worden.« Und er fügte hinzu: »Wir wurden rausgezwungen aus einem Land, das ein Verbündeter der USA ist. Das ist präzedenzlos.« Ein neues Hochschulgesetze, das Kritiker als »Lex CEU« bezeichnen, macht es der Universität nahezu unmöglich, ab 2019 neue Studierende aufzunehmen.
Mit der Übersiedelung der CEU nach Wien wird die österreichische Hauptstadt zur deutschsprachigen Universitätsstadt mit den meisten Studierenden. Während Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) den Umzug explizit begrüßte, sprach Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) abwertend von einer »Wanderuniversität«, was an das alte Klischee des »wandernden Juden« erinnert. Die 1991 gegründete CEU hat an Studierenden aus 90 Ländern etwa 16 000 US-amerikanische Diplome verliehen. Die CEU hat Tausende Gastprofessoren nach Budapest eingeladen und damit für die Schaffung neuer wichtiger Kontakte für ungarische Wissenschaftler gesorgt. Ihre Bibliothek gehört zu den besten der Sozialwissenschaft. Mit dem Umzug wird eine moderne Institution mit 400 Lehrpersonen, 1 500 Studierenden und 600 administrativen Angestellten aus dem ungarischen wissenschaftlichen Leben verschwinden. Es ist ein Beweis für die Unbeholfenheit der EU – die weiterhin viele Millionen Euro nach Ungarn pumpt – und des Einflussverlustes der USA, dass eine amerikanische Universität verjagt werden kann. Der Botschafter der USA in Ungarn, David Cornstein, ein 80jähriger jüdischer Geschäftsmann und Unterstützer Donald Trumps, versuchte die Angelegenheit als Konflikt zwischen zwei Männern, dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán und dem jüdisch-amerikanischen Milliardär und Mäzen George Soros, der die CEU gründete und in ihrem Stiftungsrat sitzt, zu erklären. Doch es geht um viel mehr.
Parlamentspräsident László Kövér will einen veritablen »Kulturkampf« führen und begründet ihn so: »Wegen der vielen Traumata fühlt die christlich-konservative Intelligenz, dass sie, was materielle Ressourcen und Positionen anbelangt, im Nachteil ist«, um dann die Kulturschaffenden zu rügen, die nicht genug getan hätten zur »Formung eines gesunden nationalen Selbstbewusstseins«. Dazu gehört die Propagierung eines reaktionären Familienbilds. Mitte Oktober hat Orbán mittels eines Regierungserlasses das Lehrfach Gender Studies an den Universitäten abgeschafft. Die ungarische Regierung weigert sich zudem hartnäckig, die Istanbuler Konvention gegen häusliche Gewalt vom Parlament ratifizieren zu lassen.
Die von Orbán angeführte Partei Fidesz kann das Verjagen der CEU-Universität als Erfolg verbuchen und ist trotzdem noch immer Mitglied der Europäischen Volkspartei.
Die Regierung möchte zudem die Autonomie der Akademie der Wissenschaften (MTA) abschaffen und die verschiedenen Forschungsinstitute dem neuen Ministerium für Erneuerung und Technologie unterstellen. Politiker wollen den Wissenschaftlern sagen, welche Themen wichtig sind, und entsprechend die Institute finanzieren. Deswegen wurde das Budget der Akademie der Wissenschaften für das kommende Vierteljahr um 50 Prozent gekürzt; das bedeutet, Institutionen müssen schließen. 62 Prozent der MTA-Mitglieder haben bei einer außerordentlichen Versammlung dem Vorschlag von Péter Somogyi, Professor der Universität Oxford, zugestimmt, die Initiative der Regierung abzulehnen. Somogyi, der auch Mitglied der Akademie der Wissenschaften sowohl im Vereinigten Königreich als auch in Deutschland ist, hat junge ungarische Wissenschaftler zitiert, die von der in Ungarn herrschenden Angst berichteten.