Trotz des desaströsen Landtagswahlergebnisses hält die CSU an ihrer Politik fest

Ein gemäßigtes Pfia’ Gott

Die CSU hat nach ihrem miserablen Abschneiden bei der bayerischen Landtags­wahl ein Regierungsbündnis mit den Freien Wählern gebildet. Der Koalitionsvertrag zeigt: Die Partei will weitermachen wie bisher.

Es sollte wohl einfach ein kurzes, flapsiges Statement werden. »Bayern kann grüner werden, auch ohne die Grünen«, sagte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in der vergangenen Woche, als er den Koa­litionsvertrag mit den Freien Wählern vorstellte und auf die darin enthaltenen ökologischen Aspekte einging. In diesem Fall steckte in dem für Söder so typischen Sätzchen gleich eine doppelte Botschaft: Seht, die CSU hat registriert, dass die Wähler ihr mit dem guten Ergebnis der Grünen bei den jüngsten Landtagswahlen einen Denkzettel verpasst haben; und seht, ihr Wähler, die CSU kann auch öko, es gibt also keine Notwendigkeit mehr, auch in Zukunft die Grünen zu wählen.

In der Asylpolitik soll es weitergehen wie bisher. Die neue bayerische Regierungskoalition verspricht eine »konsequente Rückführungspraxis«.

Nach dem miserablen Wahlergebnis vom 14. Oktober war diese Aussage die erste konkrete Reaktion auf den Erfolg der Grünen, die die CSU zeigte. Die bayerische Regierungspartei hatte einen thematisch auf rechte Wähler ausgerichteten Wahlkampf betrieben, um der AfD, die sie als ihre Hauptkonkurrentin betrachtet hatte, möglichst das Wasser abzugraben. Doch am Ende verlor die CSU die meisten Stimmen nicht an die rechtsextreme Partei. Zu dieser wanderten 160 000 Wähler ab. Aber mit 170 000 Wählern, die bei der vorangegangenen Landtagswahl ihr Kreuz bei den Christsozialen gemacht hatten, konnten die Grünen die meisten ehemaligen Anhängerinnen und Anhänger der CSU für sich gewinnen.

Bislang wartete man vergeblich darauf, dass die CSU sich mit dieser Entwicklung auseinandersetzt. Schon am Wahlabend hatten Söder und andere CSU-Politiker die Richtung vorgegeben: Man wolle sich lieber auf die Regierungsbildung konzentrieren, hieß es, es sei nicht der richtige Zeitpunkt, um Personal- und Schuldfragen zu debattieren. Lediglich Bundesinnenminister Horst Seehofer, der an den jüngsten Krisen der Bundesregierung maßgeblich beteiligt war und so dem Wahlkampf seiner Partei in Bayern geschadet hatte, hat am Wochenende angekündigt, sein Amt als Parteivorsitzender aufzugeben. Auf einem Parteitag Anfang 2019 soll ein neuer Vorsitzender gewählt werden.

Der Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern ist höchstens ein erster zaghafter Versuch, Zugeständnisse an abgewanderte Wähler zu machen. Offenbar glaubt die Parteiführung, mit etwas mehr Ökologie hier, etwas mehr Naturschutz da ließe sich das Problem lösen. Doch diese Strategie dürfte kaum von Erfolg gekrönt werden: Einerseits werden Wähler, denen eine konsequente ökologische Politik wichtig ist, sich wohl nicht von den betreffenden Passagen im Koalitionsvertrag beeindrucken lassen. Fast alle ökologischen Aspekte sind dort so vage und oberflächlich formuliert, dass sich aus ihnen keine konkreten Maßnahmen ergeben. In anderen Fragen wiederum zeigt die CSU überhaupt keine Kompromissbereitschaft, zum Beispiel beim vielfach gewünschten dritten Nationalpark – neben den bereits bestehenden im Berchtesgadener Land und im Bayerischen Wald.

Andererseits ist eine schlechte Umweltpolitik längst nicht das größte Problem der CSU. Im gesamten Wahlkampf waren die Christsozialen so darauf konzentriert, AfD-Wähler zurückzugewinnen, dass sie darüber ihre gemäßigteren Wähler vergaßen. Diese Menschen zeigten sich befremdet von der aggressiven Rhetorik gegen Flüchtlinge, die von der Aufstellung einer eigenen bayerischen Grenzpolizei im August begleitet wurde.

Als eine von wenigen brachte die bisherige Landtagspräsidentin Barbara Stamm, eine profilierte Sozialpolitikerin der CSU, dieses Problem zur Sprache: »Ich habe immer angemahnt, dass wir rechts gar nicht so viel gutmachen können, wie wir in der Mitte verlieren – und der heutige Wahlabend zeigt das ja.«

Den Grünen ist es hingegen gelungen, genau dieses Milieu für sich zu gewinnen, das die CSU achtlos links liegen ließ: die vielbeschworene bürger­liche Mitte, meist großstädtisch geprägt. Dort konnten sie sich erfolgreich als Partei darstellen, die zukunftsträchtige Themen besetzt und liberale Züge aufweist, zugleich jedoch auch über ein wertkonservatives Profil verfügt. Das gelang auch deshalb, weil die Grünen trotz anderer Behauptungen der CSU eben keine linke Partei mehr sind.

Wollen die Christsozialen wieder an Zustimmung gewinnen, dürften sie auf lange Sicht nicht umhinkommen, auch dieser liberal-konservativen Wählerschaft ein politisches Angebot zu unterbreiten. Dass die CSU dazu bereit ist, darf allerdings bezweifelt werden: Der neue ­Koalitionsvertrag lässt vor allem eine Fortsetzung der bisherigen Politik erwarten, garniert mit einigen kleineren Zugeständnissen an die Freien Wähler – etwa bei der Verringerung des Flächenverbrauchs oder den weitgehend kostenfreien Krippenplätzen.

Auch in der Asylpolitik soll offenbar alles so weitergehen wie bisher. Nicht ein Wort findet sich im Koalitionsvertrag zu den Themen, mit denen die CSU die eher gemäßigten Wähler abgeschreckt hatte, zum Beispiel zu den Angriffen auf das Kirchenasyl oder den umstrittenen Abschiebungen nach ­Afghanistan. Stattdessen verspricht die neue bayerische Regierungskoalition lieber eine »konsequente Rückführungspraxis«.