Der Spielerberater Bayat ist eine Schlüsselfigur im Manipulations- und Korruptionsskandal, der den belgischen Fußball erschüttert

Vollspann gegen die Hinterzimmer

Hauptbeschuldigte im belgischen Fußballskandal sind Spielervermittler, denen Bestechung und Spielmanipulationen vorgeworfen werden.

»Superspielervermittler« – diese Berufsbezeichnung schuf die Zeitung De Morgen unlängst für Mogi Bayat. Innerhalb von acht Jahren hat sich der gebürtige Iraner zum wichtigsten Mann auf dem Transfermarkt des belgischen Fußballs entwickelt. Von den »130 Millionen Euro«, die die »sechs, sieben Spitzenclubs« des Landes während der Wechselperiode im vergangenen Sommer einnahmen, war er nach eigener Aussage an »vielleicht 40 bis 50 Millionen Euro« ­beteiligt, so Bayat im Brüsseler Wirtschaftsblatt L’Echo.

Sein Stellenwert auf dem Transfermarkt und sein Einfluss sind in Belgien längst bekannt. Als »allgegenwärtig« wird er in Transferperioden beschrieben, und das Wechselkarussel wird als »Mogi-poly« bezeichnet. Seit voriger Woche sieht man den 44jährigen, der vor seiner Beraterkarriere Manager beim Erstligisten Sporting Charleroi war, in anderem Licht: Er gilt als einer der Protagonisten in einem Korruptionsskandal, der selbst in Belgien neue Maßstäbe setzt.

Verdächtigt der Geldwäsche und der Bildung einer kriminellen Organisation, sitzt Bayat seither in Untersuchungshaft. De Morgen nennt ihn nun den »Paten des belgischen Fußballs«. Vorgeworfen wird Bayat und dem Berater Dejan Veljkovic, sie hätten mit Hilfe verwinkelter finanzieller Konstruktionen bei Transfers und Spielergehältern Kommissionen abgezweigt. Hierfür hätten sie sich Kapitalgesellschaften in mehreren Ländern sowie der Hilfe befreundeter Makler im Fall Bayats und Familienangehöriger im Fall Veljkovics bedient. Als verdächtig gilt auch Laurent Denis, der ehemalige Anwalt des Rekordmeisters RSC Anderlecht, bei dem Bayat in der Vergangenheit eine wichtige Rolle spielte. Denis, auf dessen Bankkonto abgezweigte Beträge von Bayat unter anderem landeten, blieb nach dem ersten Verhör ebenso in Untersuchungshaft wie Veljkovic.

Seit Ende vorigen Jahres ermittelt die Föderale Polizei Belgiens gegen die beiden Berater. Sie zapfte deren Telefone an und stieß dabei auf einen noch aufsehenerregenderen Skandal. Dieser hat mit dem ehemaligen Europacup-Gewinner KV Mechelen zu tun, der im Sommer in die zweite Liga abstieg. Veljkovic galt dort bis vor kurzem als eine Art hausinterner Spielervermittler. Als solcher liegt ihm der Marktwert seiner Klienten am Herzen, der bei einem Abstieg sinkt. Veljkovic, gut befreundet mit den FIFA-Schiedsrichtern Bart Vertenten und Sébastien Delferière, steht auch unter Verdacht, zwei Spiele im Abstiegskampf zugunsten des KV Mechelen beeinflusst zu haben.

Dabei ging es zum einen um das vorletzte Match der regulären Saison. KAS Eupen, Mechelens Hauptkonkurrent im direkten Abstiegskampf, verlor das Auswärtsspiel gegen Royal Antwerp unter anderem durch ­einen unberechtigten Elfmeter. Ein Woche später, so die Staatsanwaltschaft, soll Mechelen den Gegner Waasland-Beveren bestochen haben, um mit einem Sieg den Klassenerhalt zu sichern. Zwei Mecheler Vorstandsmitglieder, Olivier Somers und Thierry Steemans, gehören zu den neun Verdächtigen, die in Untersuchungshaft sitzen. Ein weiterer wurde unter Auflagen freigelassen.

Im Rahmen der »Operation saubere Hände« gab es belgienweit 44 Hausdurchsuchungen und 25 Festnahmen. Auch bei neun Proficlubs kam es zu Razzien – betroffen waren alle Vereine, die in den vergangenen 20 Jahren Meister wurden.

Es wird nach wie vor ermittelt, um ein genaueres Bild zu erhalten – von einem Skandal, der der umfangreichste in der an Korruption und Bestechung nicht armen belgischen Fußballgeschichte zu werden verspricht. Darauf deuten schon die Dimensionen der von der belgischen Justiz am Mittwoch vergangener Woche begonnenen »Operation saubere Hände« hin. 184 Polizisten nahmen 44 Hausdurchsuchungen im ganzen Land vor und 25 Verdächtige vor­läufig fest. Auch bei neun Proficlubs kam es zu Razzien, unter anderem bei Standard Lüttich, dem RSC Anderlecht, der KAA Gent und dem FC Brügge, dem Gruppengegner Dortmunds in der Champions League. Betroffen waren alle Clubs, die in den vergangenen 20 Jahren Meister wurden.

Besondere Aufmerksamkeit erhielt die Operation durch die Verhaftung des Brügge-Coachs Ivan Leko, dessen Freundschaft mit Veljkovic die Ermittler aufmerksam machte . Inzwischen wurde er ohne Auflagen wieder freigelassen und kehrte Ende der Woche zurück auf den Trainingsplatz. In Haft bleibt dagegen sein ehemaliger Manager, der Spielervermittler Dragan Siljanoski. 13 weitere Durchsuchungen fanden in Frankreich, Luxemburg, Zypern, Montenegro, Serbien und Mazedonien statt. Unter anderem wurden Veljkovics Vater, Bruder und Neffe vorübergehend festgenommen. In Serbien wurden 800 000 Euro beschlagnahmt.

 

Die beiden Schiedsrichter Sébastien Delferière und Bart Vertenten, die zu den besten des Landes gehören, sind bis auf Weiteres gesperrt. Eine Fortsetzung ihrer Laufbahn scheint sehr fraglich. Während Delferière unter Auflagen auf freiem Fuß ist, bleibt Vertenten in Gewahrsam. Unterdessen werden immer mehr Details über ihre Beziehung zum Spielervermittler Veljkovic bekannt. Mit beiden hatte er in der Zeit, als sein Anschluss abgehört wurde, oft telefoniert. Abendessen mit Vertenten waren häufig, Delferière besorgte er einen Rabatt bei einem Autohändler in der Stadt Aalst. Im Gespräch mit Het Nieuwsblad sagte der Händler, Veljkovic sei regelmäßig mit Personen aus dem Fußballbereich bei ihm aufgetaucht.

Von der Durchsuchung bei Mogi Bayat ist inzwischen bekannt, dass dort Verpackungen von Luxusuhren im Wert von acht Millionen Euro gefunden wurden. Bayats Anwalt Jean-Philippe Mayence kommentierte gegenüber belgischen Medien, sein Klient sammele solche Verpackungen schon sein ganzes Leben lang, was auch sein Recht sei. Gut passen würden sie allerdings auch zu seiner Gewohnheit, Geschäftspartner mit dem Verpackungsinhalt zu beschenken.

Leisten könnte sich Bayat die Großzügigkeit zweifellos. Der Anwalt ­Dimitri Dedecker, der für die Clubs Cercle Brugge und KV Oostende arbeitet, nennt in De Morgen Zahlen: Bei einer Transfersumme von einer Million entfielen 200 000 Euro Kommission auf den Vermittler. Die gleiche Zeitung zitierte nach dem Bekanntwerden des Skandals einen Berufskollegen aus dem Ausland mit den Worten, er habe schon in zahlreichen europäischen Ländern Geschäfte gemacht, und die belgische Meisterschaft zähle zu den korruptesten – »unter anderem wegen diesem Bayat«.

Ob Veljkovic und Bayat in irgendeiner Form zusammenarbeiteten, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Auffällig ist bislang immerhin die Neigung, sich Kommissionen über den Umweg auswärtiger Kapitalgesellschaften oder getarnt als Entlohnung für Tätigkeiten als Scout bezahlen zu lassen. Alles andere als unwahrscheinlich ist aber auch, dass solche Praktiken üblich sind in einem Berufsfeld, das frei zugänglich ist und in dem es sehr viel Geld zu verdienen gibt.

Insofern liegt es auf der Hand, dass »Makler«, wie man sie in Belgien nennt, in diesem Skandal die Hauptrolle zu spielen scheinen. In den achtziger Jahren hingegen waren es Funktionäre und Spieler der Clubs Standard Lüttich und Thor Waterschei, die das Spiel beider Clubs so verschoben, dass Standard die Meisterschaft gewann. In den nuller Jahren ging es um Verstrickungen von Spielern und Clubs mit der chinesischen Wettmafia. Zieht man in Betracht, dass belgische Makler in der vorigen Saison von 70 Millionen Euro, dem Gesamtbetrag aller Transfersummen, 41,9 Millionen einstrichen, überrascht ihre zentrale Rolle im Skandal nicht – und ebenso wenig die Tatsache, dass sie gar als Verbindungsglied zwischen Clubs und Schiedsrichtern fungieren können.

Das Vorgehen der belgischen Justiz, findet die Tageszeitung De Standaard, sei ein »knallharter Tritt gegen die dunklen Hinterzimmer der belgischen Fußballwelt«. Die Auswirkungen sind zurzeit noch nicht absehbar. Insofern kommt die Ankündigung von Marc Coucke etwas verfrüht. Am Wochenende sagte der Vorsitzende des Ligaverbands Pro League und Besitzer des RSC Anderlecht, er wolle gemeinsam mit dem Fußballverband aus Belgien ein »Beispielland« machen. Seine Vorschläge: neue Reglements, mehr Unabhängigkeit und Transparenz.

Doch es stellt sich die Frage, ob der derzeitige Stand der Ermittlungen tatsächlich so weit ist wie erhofft. Aus Brügge vernimmt man in diesen Tagen nämlich nicht nur Nachrichten über die Rückkehr des Club-Coaches Ivan Leko auf den Trainingsplatz. Auch der Lokalrivale Cercle Brugge macht von sich reden: durch die Forderung, ein weiteres Match am Ende der regulären Saison 2015 zu untersuchen.

Dieses verlor Cercle mit 2:3, obwohl die Mannschaft zehn Minuten vor Schluss mit 2:0 vorne gelegen hatte. Das Anschlusstor fiel aus dem Abseits, der Ausgleich nach einem Elfmeter samt Roter Karte, die Entscheidung sehr spät in der Nachspielzeit. Cercle stieg danach in die zweite Liga ab. Gegner war übrigens der KV Mechelen. Und der Nutznießer, der den eigenen Abstieg verhindern konnte, war der Fusionsclub Waasland-Beveren.