Musizierende Expats: Das neue Album der Berliner Band Fenster

Zimmer mit futuristischer Aussicht

Die Berliner Band Fenster verfeinert auf »The Room« ihren avancierten wie tiefen­entspannten Retro-Psychpop und ist in der DIY-Popszene Berlins bestens vernetzt.

Beim ersten Hören ist kaum zu merken, wie komplex die Harmonien und Rhythmen sind, die Fenster auf ihrem schönen vierten Album »The Room« in den so zugänglich erscheinenden, relaxten Songs verstecken. Zu sehr fühlt man sich in ein psychedelisches Paralleluniversum aus Seventies-Softrock und einer geradezu kalifornischen laid-backness versetzt, um direkt zu erkennen, wie stark die Stücke gleichzeitig von Postrock und Avant-Pop beeinflusst sind.

Einen Mitstreiter hat Savage vor geraumer Zeit in Adam Byczkowski alias Better Person gefunden. Dieser teilt seine Neigung zum musikalischen Ausdruck großer Gefühle ohne Angst vor Kitsch.

Überraschen sollte dieser Futurismus nicht, da die letzte Veröffentlichung der Band ein begleitendes Konzeptalbum zu dem selbst produzierten, experimentellen SciFi-Musikfilm »Emocean« (2015) war, der ihre Arbeit im Tonstudio zunächst pseudo-dokumentarisch aufzeichnet, bis er in eine surreale Gegenwelt abgleitet. Das gleichnamige Album wirkt als synthie-lastiger Soundtrack allerdings etwas monoton und zu skizzenhaft, um als alleinstehendes Werk seine volle Geltung zu entfalten. Dass es filmmusik-typisch überwiegend instrumental ausfällt, ist dabei nicht der entscheidende Punkt. Demgegenüber sind die mehrstimmigen, an Brian Wilson geschulten Gesangs­arrangements eine weitere Stärke mancher Songs auf »The Room« – im Speziellen der zweiten vorab veröffentlichten Single »HAHA lol«.

Die Band Fenster entstand 2010, nachdem sich die New Yorkerin JJ Weihl (vor allem Bass und Gesang) und der deutsch-polnische Berliner Jonathan Jarzyna (vor allem Gitarre und Gesang) kennengelernt hatten. Das Debütalbum »Bones« erschien ein gutes Jahr später bei Morr Music und wurde überwiegend als Duo eingespielt. Das ausgeprägte Songwriting-Talent der beiden stach schon deutlich hervor, doch musikalisch bestand das Debüt noch aus geradlinigerem Indie-Folkrock.

Dann kam zunächst Rémi Letournelle am Schlagzeug hinzu, der sich auf der zweiten Platte »The Pink Caves« (2014, wieder bei Morr) auch am Sounddesign beteiligte. Orgel- und Synthie-Klänge spielten jetzt eine bedeutendere Rolle, als festes Mitglied an den Tasteninstrumenten ergänzte Lucas Ufo (eigentlich Lucas Chantre) die Gruppe hingegen erst nach der Veröffentlichung. Letournelle stieg unterdessen aus und wurde am Schlagzeug schließlich von Elias Hock ersetzt, so dass Fenster zurzeit als Quartett auftreten. Für »The Room« sind sie zudem zur Leipziger Indie-Plattenfirma Altin Village & Mine gewechselt.

Dass es sich bei den Bandmitgliedern überwiegend um Expats handelt, die es nach Berlin verschlagen hat, könnte eigentlich irrelevant sein. Jedoch fällt auf, dass auch die Szene, in der sich Fenster bewegt, maßgeblich von kosmopolitischen Expats geprägt ist und einige der spannendsten DIY-Pop-Akteure der Stadt aus diesem Milieu kommen, so dass deren kollaboratives Indie-Weltbürgertum daran einen Anteil haben könnte.