Notizen aus Neuschwabenland – Die Neue Rechte betreibt nach Chemnitz Manöverkritik

Warmduschen im Strahl des Wasserwerfers

Notizen aus Neuschwabenland, Teil 30: Die Chemnitz-Manöverkritik.
Kolumne Von

In schweren Zeiten greift der deutsche Mann zum Buch und das gilt auch für den derzeit deutschesten aller Mannen. Götz Kubitschek fielen nach der Rückkehr aus Chemnitz, wo er an der gemeinsamen Demonstration von Pegida und AfD teilgenommen hatte, Ernst Jüngers »Strahlungen« »geradezu in die Hand«. Nicht irgendeine Passage daraus, wie der Verleger aus Schnellroda auf dem Blog des neurechten Magazins Sezession betont, sondern die »Kirchhorster Blätter«, die Jünger »während seines Abzugs aus Paris und seiner Entlassung aus dem aktiven Dienst in der Wehrmacht« verfasste. »Als Erstlektüre fand ich auf dem Schmutztitel meiner Ausgabe die Ein­tragung ›Sarajewo, Feldlager, Dezember 1996‹.« Kubitschek hatte bei seiner Rückkehr aus Chemnitz zwar keinen Weltkrieg überstanden, fühlte sich aber dennoch so verraten und verkauft, wie er es sich offenbar vom einfachen Landser 1945 vorstellt. Der Grund dafür war banal: Die Funktionäre der AfD hatten ihren »Trauermarsch« in Chemnitz verlassen, nachdem die Polizei die Veranstaltung für ­beendet erklärt hatte. »Man sah die Abgeordneten und Landeschefs nebst ihren Leibwächtern im selben Moment durch eine Gasse das Feld verlassen, als die ersten Sprechchöre gegen die Blockade aufbrandeten und gegen den Riegel der Polizeikräfte gedrückt wurde: Bloß keine schlechten Bilder!«, schreibt Kubitschek. Tatsächlich stand dieses Verhalten im Widerspruch zu den großspurigen Ansagen des thüringischen AfD-Politikers Björn Höcke, bei Gegendemonstrationen zukünftig den Konflikt zu suchen. Doch Kubitschek war ­offensichtlich entgangen, dass sich die Partei in Chemnitz als Ordnungsmacht präsentieren wollte und daher keinen Konflikt riskieren konnte. Sein Fazit lautete sichtlich erbost: »Die AfD sollte nicht mehr als Veranstalter von Großdemonstrationen auftreten.«

In seinem Mitstreiter, dem sachsen-anhaltinischen AfD-Landtagsabgeordneten Hans-Thomas Tillschneider, brodelte es ebenso. »Würdelos« sei das Einknicken vor den behördlichen Anweisungen zum Beenden der Demonstration gewesen, schrieb er auf dem Blog der Sezession, und schlussfolgerte: »Wenn nun aber die Herrschaft des Unrechts nicht mehr gegen die Rechtsbrecher vorgeht, müssen wir sie zwingen, gegen die rechtstreuen Bürger vorzugehen, damit sie sich so zur Kenntlichkeit entstellt und für jedermann sichtbar wird. Die Herrschaft des Unrechts geht im Schein der Rechtsstaatlichkeit einher; unsere Aufgabe ist, ihr die Maske vom Gesicht zu reißen.« Als praktische Erwägung fügte er hinzu: »Ein Strahl aus dem Wasserwerfer bringt bei Temperaturen um die 18 Grad niemanden um.« Tillschneider und Kubitschek wollten in Chemnitz keinen Schweigemarsch sehen, sondern die Entladung der Wut erleben. Auch Lutz Bachmann von Pegida machte sich am Tag nach der Demonst­ration in einem Videomonolog Luft. Er zeigte sich »schwer enttäuscht« vom Ablauf, alles sei »geplant gewesen vom sogenannten Rechtsstaat«. Pegida, ließ er seine Zuschauer wissen, habe in Chemnitz aber nur eine passive Rolle gespielt, die Verantwortung für das Demonstrationsende liege daher bei der AfD, deren »Westverbände« Pegida »in den Arsch« getreten hätten. Im Osten sei ­alles besser, da sei die AfD eine »patriotische Bewegungspartei«. Aber die »Günstlinge« aus dem Westen schadeten der Sache. In Sachsen wisse man, dass »diese Menschen nicht zu uns passen«. Sie seien nur »Karrieremacher«, »Besser-Wessis«, die »den Osten nach der Wende ausgeraubt« hätten. In den Ressentiments und Enttäuschungen zeigt sich, was unter der Oberfläche brodelt. Die Erregungskurve ist steil, Kubitschek tut sich gerade schwer mit Festlegungen. Vor der Demonstration hatte er einerseits den pathetischen Aufruf seines Weggefährten Björn Höcke zu einem »Trauermarsch« durch Chemnitz unterstützt. Andererseits hatte er auch für den Protest des ehemaligen Mitglieds der Republikaner, Martin Kohlmann, geworben, der für »Pro Chemnitz« im Stadtrat sitzt und deutlich grobschlächtiger als andere formuliert. Mal stilisiert Kubitschek sich zum Mastermind des Hardliner-Flügels in der AfD, dann sieht er sich wieder als der Weise vom Rittergut, der über den Dingen steht und Wohlklingendes zum Tage raunt. Und ein andermal möchte er sich mitten ins Getümmel stürzen und Polizeiketten durchbrechen.

Diese Sprunghaftigkeit kommt nicht überall gut an. »Naive, Blöde, Selbstdarsteller«, Karlheinz Weißmann wird in der neurechten Jungen Freiheit geradezu unhöflich, wenn es um jene geht, die in der AfD nur eine »Bühne zwecks Selbstdarstellung« suchten und »deren analytisches Vermögen sich umgekehrt proportional zu ihrem Sendungsbewusstsein verhält«. Explizit kommt er dabei auch auf den »Mann aus Schnellroda« zu sprechen.

Er sieht in Kubitschek eine ­Gefahr für die »Volkspartei AfD«. Sorge macht Weißmann auch die Diskussion über eine Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz, da diese die Partei auf jene zusammenzuschmelzen drohe, die vom »Opferstatus« lebten. Doch ganz so schwarz muss man die Lage nicht sehen. Die AfD selbst teilt Weißmanns Sorgen offensichtlich nicht. Gerade erst wurde in Schnellroda eine Sommerakademie zum Thema »Die Zukunft Europas« abgehalten. Als besondere Gäste zum »parteipolitischen Tag« waren Jörg Meuthen und Harald Weyel, die »Europaexperten« der AfD, angekündigt.