Die Tiefpunkte der Mode in diesem Sommer waren zahlreich

Hässlich ist nicht schön

Seite 2

Jedenfalls: Puffärmel und das dann auch noch in Knallfarben, das ist eindeutig zu viel.
Viel schlimmer als das Comeback des Puffgedöns waren in diesem Sommer jedoch die allgegenwärtigen Rüschen. Rüschen, also Volants und Gefaltetes aller Art. Gegen die Rüsche an sich ist nun nichts einzuwenden, aber in transparent und in zigfach über­einandergetragen? Es ist ein Elend.

Denn natürlich wirkt solches Gewalle zum Beispiel an einem südfranzösischen Strand bei solide wehendem Mistral durchaus sehr romantisch, elfenhaft und was nicht noch alles. An einer Bushaltestellte einer deutschen Innenstadt oder an einem Café-Tisch, während die Wallenwollende ihrer besten Freundin lang und breit davon erzählt, wie sie im Büro doch letztens fast diese immens wichtige Akte falsch abgelegt hätte, sehen Transparenz und Rüschen dagegen niemals mondän oder nach ephemerer Eleganz aus.

Und Statement-Streifen schon gar nicht. Welche Botschaft sie verkünden, ahnt man nicht, denn wie bei den Statement-Ketten bedeutet das englische Wort hier nur, dass sie da und möglichst groß sind. An sich ist gegen Streifen nichts einzuwenden, jedenfalls wenn man ein Zebra ist oder Mitglied der russischen Sonderpolizeitruppe Omon, aber sie müssen nicht sein. Auch nicht, wenn sie längs verlaufen, und schon gar nicht, wenn sie gelb sind.

Was immerhin ganz hübsch war, ist das Geglitter. Zu glänzen ist nie verkehrt, allerdings sollte man dabei auf die Hilfe von Pailletten verzichten. Pailletten haben nämlich den Nachteil, dass sie viele sind, sich aber das Fehlen auch nur eines einzigen Bestandteils des von ihnen gebildeten Glitzerkollektivs sofort bemerkbar macht. Eine einzige fehlende Paillette führt unweigerlich dazu, dass das Gesamtbild ruiniert wird, und das für alle Zeiten.

Nein, das war alles nicht schön in diesem Sommer. Und im Herbst wird es wohl auch nicht besser, denn wie die Jolie schrieb: »In diesem Jahr dominieren cremige Farben, Paprika- und Chilirottöne, Senfgelb, Beige, Curry, Zimt, Koriandergrün und Marsala« – mit anderen Worten: Imbissbuden­farben. Niemand sollte so angezogen sein, dass unweigerlich die Assoziation mit Currywurst und Fritten oder den Zimtschnecken von Ikea entsteht. Auch nicht im Herbst.

Dabei könnte ein sehr wichtiger Aspekt, der leider viel zu wenig beachtet wird, aber immerhin gut zum Herbst passt, die schlimmsten Fehler beim Ankauf neuer Kleidungsstücke verhindern: die eigene Sterblichkeit.

Es kann jedem jederzeit passieren: Ein jäher Schmerz in der Herzgegend, ein unbedachter Schritt auf die Fahrbahn, ein unvorsichtiger Stolperer im Treppenhaus – und schon liegt man da und ist tot. Natürlich möchte man auch in einer solchen einmaligen ­Extremsituation einen möglichst hübschen Anblick bieten, deswegen sollte man es sich zur Regel machen, auf dem Weg zur Kasse noch einmal kurz innezuhalten und sich folgende Fragen zu stellen:

1. Dies könnte das Anziehstück sein, in dem ich sterbe. Passt es wirklich zu dieser Gelegenheit?

2. Beißt sich eine seiner Farben mit dem Grau des Trottoirs meiner Heimatstadt, mit dem Teppichboden in den öffentlichen Gebäuden, die ich am häufigsten nutze, oder der Grundcouleur anderer Orte, an denen ich potentiell tot umfallen könnte? Passt es zur Auslegware in meinem Wohn­zimmer und zu den Badezimmer­fliesen?

3. Welche Risikofaktoren treffen auf mich zu, welche optischen Veränderungen gehen mit den dazugehörigen Todesarten einher? Passt das anzuschaffende Kleidungsstück in Form und Farbe oder wären nicht doch ein anderer Schnitt oder eine andere Kolorierung vorteilhafter?

Die Antwort auf diese drei Fragenkomplexe lautet mit Sicherheit niemals, dass man sich Klamotten in senfgelb, krassviolett oder mit transpa­renten Rüschen oder puffgeärmelten Statement-Streifen anschaffen sollte.