Die EU hat eine Rekordstrafe gegen Google verhängt

Amerikanische Zölle, europäische Steuern

Die EU untersuchte die Geschäftspraktiken von Google seit Jahren, die nun verhängte Geldstrafe wird jedoch unweigerlich Teil des Handelsstreits mit den USA.

Es war kein guter Tag für das Verhältnis zwischen den USA und Europa, zumindest wenn man US-Präsident ­Donald Trump Glauben schenken will. »Die Europäische Union hat gerade eine Fünf-Milliarden-Dollar-Strafe gegen eine unserer großartigen Firmen, Google, verhängt«, twitterte Trump vergangene Woche. »Sie haben die Vereinigten Staaten wirklich ausgenutzt, aber nicht mehr lange!« Anlass für die Tirade war die Rekordstrafe, welche die EU-Kommissarin für Wettbewerb, Mar­grethe Vestager, gegen Google ­verhängt hatte. »Die Steuer-Frau hasst Amerika«, legte Trump wenig später nach.

Die dänische EU-Kommissarin nahm die Angriffe bislang recht gelassen. Den ersten Teil der Aussage könne sie bestätigen, äußerte Vestager lapidar. Sie sei eine Frau und kümmere sich auch um Steuern. Allerdings sei die Strafe keine Retourkutsche für die von den USA verhängten Zölle auf euro­päische Importprodukte, wie Trump behauptet. Tatsächlich untersuchte die EU-Kommission schon lange bevor Trump überhaupt für das Präsidentenamt kandidierte die monopolartige Stellung, die Google mit seinem Betriebssystem Android für mobile Geräte ­innehat.

Anders als etwa Apple oder Black­berry bietet Google anderen Herstellern sein Betriebssystem kostenlos an. Rund 80 Prozent aller Smartphones laufen mittlerweile mit Android. ­Allerdings gibt es das Betriebssystem nur zusammen mit insgesamt elf Apps. So müssen nicht nur die Plattform Play Store, sondern auch die Google-Suchmaschine und der Google-Browser mit installiert werden. Kein Wunder also, dass 95 Prozent aller Suchanfragen auf Android-Geräten über Google getätigt werden.

Die Kosten für einen Wiederaufbau Syriens liegen über 250 Milliarden Dollar. Weder Russland noch der Iran kann eine solche Summe aufbringen, sie würden sie auch kaum für Assad ausgeben.

Nach Meinung von Vestager ist das ein klarer Fall von Wettbewerbsverzerrung, da andere Anbieter keine Möglichkeit hätten, ihre Anwendungen zu offerieren. Zudem versucht Google, Hersteller von Smartphones und Betreiber vom Mobilfunknetzen mit ­finanziellen Angeboten dazu zu bewegen, ausschließlich die Google-Such­maschine zu installieren. Zudem müssen sie sich vertraglich dazu verpflichten, keine konkurrierenden Betriebssysteme anzubieten, die aus dem ­offenen Quellcode von Android abgeleitet sind. »Durch diese Praktiken wurde Wettbewerbern von Google die Möglichkeit genommen, innovativ und konkurrenzfähig zu sein«, meint Vestager.

»Googles größter Albtraum«, wie das Time Magazine die EU-Kommissarin ­titulierte, hat sich nun zwar mit der Rekordstrafe durchgesetzt. Das ist aber womöglich gar nicht das Schlimmste für den US-Konzern. Die fünf Milliarden Dollar kann das Unternehmen, das ­angeblich über Barreserven in Höhe von 90 Milliarden Dollar verfügt, pro­blemlos bezahlen. Wenn es aber die kritisierte Praxis nicht ändern sollte, ­werden weiter sechs Milliarden Dollar Strafe fällig – jedes Jahr.

Dass die US-Regierung verärgert ­reagiert, hängt nicht nur mit der Höhe des Bußgeldes zusammen. So plant die EU-Kommission seit geraumer Zeit, die Steuergesetzgebung für digitale Unternehmen zu ändern. Bisher gilt das Prinzip, dass die Abgaben in dem Land anfallen, in welchem sich die betriebliche Niederlassung befindet. Konzerne wie Apple melden sich daher bevorzugt in Staaten wie Irland an, die sehr niedrige Steuersätze erheben. Nun verlangt Vestager von Irland, 13 Milliarden Euro Steuern von Apple nachzufordern. Zuvor war sie wegen Starbucks (Niederlande), Fiat-Chrysler (Luxemburg) und dem Bierkonzern Anheuser-Busch Inbev (Belgien) vorstellig geworden. Alle Fälle ähneln sich. Weil die Steuervorteile nach Vestagers Meinung unvereinbar mit ­EU-Recht sind, fordert sie die Staaten auf, entgangene Steuern einzutreiben. Derzeit drängt sie die luxemburgischen Behörden dazu, von Amazon 250 Mil­lionen Euro plus Zinsen nachträglich zu kassieren.

 

Künftig will die EU-Kommission das Prinzip der virtuellen Betriebsstätte einführen. Demnach werden Gewinne dort besteuert, wo die Nutzer der Dienste sitzen. Mit der Reform würde die ­Abgabenlast vor allem für US-Konzerne wie Facebook, Google oder Apple erheblich steigen.

Vestagers Pläne stoßen aber auch ­innerhalb der EU nicht nur auf Begeisterung. »Die deutsche Automobil­industrie verkauft nur gut 20 Prozent ihrer heimischen Produktion hier­zulande, der Rest wird exportiert. Trotzdem werden alle Gewinne in Deutschland versteuert«, schrieb kürzlich der Spiegel. Ähnlich sehen es viele Öko­nomen. Länder wie Indien und China sind alles andere als erfreut darüber, dass sie die Gewinne von Daimler, BMW und Volkswagen nicht besteuern ­können, die auf ihrem enormen Markt erzielt werden.

Allerdings lassen sich digitale Einnahmen aus Nutzerdaten und Steuern auf traditionelle Industriegüter nur schlecht vergleichen. Schwellenstaaten können ohnehin schon Strafzölle auf Güter aus Industriestaaten verhängen. Vor allem aber steht die EU vor dem Problem, wie sie auf den von der US-Regierung initiierten Handelskrieg ­reagieren soll. Die Vereinigten Staaten erwirtschaften gerade mal zwölf Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts über die Exportwirtschaft. In Deutschland ist es hingegen rund die Hälfte. Insgesamt exportiert die EU erheblich mehr Güter in die USA als umgekehrt. Ein Handelskrieg mit immer neuen Zöllen auf Exportprodukte würde der EU ­daher mehr schaden als den USA.

Deutlich anders sieht das Verhältnis aus, wenn digitale Güter berücksichtigt werden. Die Bilanz wäre dann mehr als ausgeglichen. Will die EU im Handelsstreit mit den USA nicht auf verlorenem Posten stehen, muss sie sich überlegen, wie sie digitale Produkte einbeziehen kann.

»Wenn die EU jetzt eine Steuer auf Umsätze großer Unternehmen der ­Digitalwirtschaft erfindet, die de facto nur die großen US-Unternehmen wie Google und Facebook trifft, unterscheidet diese Politik sich kaum von der Einführung von Strafzöllen, die wir Donald Trump vorwerfen«, meinte dazu kürzlich Clemens Fuest, Präsident des Münchner Ifo-Instituts. Hohe Strafen wegen Wettbewerbsverzerrung können eine ähnliche Funktion wie Zölle erfüllen, auch wenn sie anders begründet werden.

Eine weitere Eskalation im Handelsstreit ist vermutlich kaum zu vermeiden. Der EU wird nicht viel anderes übrig bleiben, US-Präsident Trump ­jedenfalls wird sich nicht mit Beschimpfungen begnügen.