In ihrem gemeinsamen Album The Carters inszenieren sich Beyoncé und Jay-Z im Louvre als Künstlerpaar

Szenen einer Ehe

Beyoncé und Jay-Z tanzen als Inkarnation eines Künstlerpaars durch den Louvre, posieren mit über­triebenen Gesten von Reichtum und Selbstermächtigung vor alten Meistern und schwören sich auf den Bühnen der Welt die Treue.

Es gibt nichts Schlimmeres, nichts Abstoßenderes als die Künstlerehe«, schimpft eine Figur in Thomas Bernhards Stück »Die Berühmten«, denn »sind es zwei Talente, wie groß immer, vernichten sie sich. Zuerst das eine das andere und dann umgekehrt.«

Der Vorstellung, dass die Künstlerehe zwangsläufig zu gegenseitiger kreativer Lähmung führt, tritt das mächtigste Ehepaar der Musikbranche entschlossen entgegen: Beyoncé und Jay-Z haben ein gemeinsames Album unter dem Familiennamen The Carters veröffentlicht. Ohne Vorankündigung erschien »Everything Is Love« am 16. Juni zunächst beim hauseigenen Streamingdienst Tidal.

Gleichzeitig wurde auf Youtube das spektakuläre Video zur ersten Single »Apeshit« veröffentlicht.

Die titelgebende allumfassende Liebe zieht sich thematisch durch die neun Tracks des Albums. Liebe ist erklärtermaßen Motor und Grund für die in den Texten beschworene gemeinsame Erfolgsgeschichte des Paars, für hart erarbeiteten Ruhm, Reichtum und Einfluss. Ergänzt werden diese im populären HipHop gängigen Motive durch eine ungewöhnliche Aufwertung des Privaten. Die engen Freunde (sie sind natürlich »better than your friends«), die gemeinsamen Kinder und vor allem die Ehe selbst werden bei aller Betonung des glamourösen Lebens auf der Haben-Seite verbucht und gefeiert. »No more clubs and Cali-curfews / Just private affairs in a tighter circle«, heißt es in dem Song »Happy In Love«.

Der Vorstellung, dass die Künstlerehe zwangsläufig zu gegenseitiger kreativer Lähmung führt, tritt das mächtigste Ehepaar der Musikbranche entschlossen entgegen: Beyoncé und Jay-Z haben ein gemeinsames Album unter dem Familiennamen The Carters veröffentlicht.

Der Song setzt einen Schlussakkord für die in nunmehr drei Akten verhandelte Geschichte von Aufstieg, Krise und Neuerfindung der Eheleute Carter. Beyoncés »Lemo­nade« von 2016 enthielt zahlreiche Anspielungen auf die Untreue Jay-Zs, dieser bezog sich 2017 auf seinem ­Album »4:44« darauf.

Während beide Soloalben den Boulevard eher nebenbei bedienten und vor allem für ihre politischen Botschaften beachtet wurden, tritt das Ehepaar nun an, seinen Status als das power couple der Stunde gegen alle Anfechtungen zu verteidigen. »This is real«, wird in dem souligen Eröffnungsstück »Summer« betont; am heilen Zustand dieser Ehe gibt es nichts mehr zu bezweifeln. Themen wie Rassismus, Feminismus oder soziale Ungleichheit werden höchstens am Rande angerissen, in »713« und dem heraus­ragenden »Black Effect« zum Beispiel.

Dazu wäre nichts weiter anzumerken, schließlich ist niemand dazu verpflichtet, Pop als Vehikel für po­litische Botschaften zu nutzen. In diesem Fall aber irritiert es, wie die knappen Statements zum Rassismus in der US-amerikanischen Gesellschaft in die romantische Inszenierung gegenseitiger Wertschätzung eingestreut werden. »America is a motherfucker to us, lock us up, shoot us / Shoot our self-esteem down«, beschreibt Jay-Z in »713« die Situation von Schwarzen in den USA, um sofort wieder auf Beyoncé zu verweisen, die überhöht und zur Retterin der diskriminierten Bevölkerung stilisiert wird: »Black queen, you rescued us.«

Die Reduktion politischer Aussagen auf eine Art Markenbotschaft war bereits bei der Veröffentlichung von Beyoncés Album »Lemonade« problematisch, im Kontext der neuen Veröffentlichung wirkt das Verfahren noch ein wenig grotesker. »Everything Is Love« ist eine bildgewaltige Feier des Reichtums, verpackt in musikalisch überzeugende Tracks mit redundanten Texten.