David Abud, Community Organizer, im Gespräch über die Kampagne »ICE out of LA«

»Die ICE ist außer Kontrolle geraten«

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Interview Von

Ist ein solches Stilllegen von ICE-Einrichtungen auch in Los Angeles oder anderen Städten der USA vorstellbar?
Es ist ein bisschen schwieriger, weil das ICE-Gebäude hier in Los Angeles einen gesamten Wohnblock umfasst, mit mehreren Gebäuden und Eingängen. Aber auch wir haben am Montag einen Fahrzeugeingang dieses Gebäudes lahm­gelegt, den für die wichtigsten Dienstleistungen. Diese Einfahrt haben wir seit Freitag blockiert. Allerdings gibt es auch andere Zugänge zum Gebäude. Wir hatten leider nicht die Kapazitäten, sie alle zu besetzen. Um die Einrichtung komplett stillzulegen, braucht es mehr Leute auf der Straße,

Wer gehört zur »ICE out of LA«-Koalition?
Die Personen, die die Besetzung geplant haben und jetzt Koordinierungsaufgaben wie beispielsweise Spendensammlungen organisieren, sind Teil der Koa­lition. Insgesamt wechselt die Koa­lition gerade von der Aktivität von Mitgliedsorganisationen zu einer breiter geöffneten Gruppe aktiver Einzelpersonen.

Seid ihr mit anderen Gruppen vernetzt?
Es gibt viele ähnlich agierende Gruppen in Kalifornien. Die »ICE out of LA«-­Koalition bildet eine der radikalsten dieser Gruppierungen. Wir organisieren uns innerhalb des gesamten Landkreises von Los Angeles, über Kalifornien und über die gesamte USA. Wir sehen, was die anderen Gruppen machen, ­koordinieren Treffen und Strategien, tauschen Informationen aus und ­arbeiten an Projekten wie beispielsweise an gemeinsamen Kommunikationsnetzwerken. Es gibt einen sehr intensiven Austausch.

Erlebt ihr auch Aktivitäten, die sich explizit gegen eure Arbeit richten?
Es gibt viele Politiker, die sich gegen unsere Arbeit richten, und auch viele rassistische Gruppierungen und Orga­nisationen. Ich bin überrascht, dass sich diese Gruppen bei unserem derzeitigen Protest noch nicht gezeigt haben. Sie kommen oft zu unseren Aktionen und versuchen, diese zu stören.

Was hat sich im Umgang mit Migrantinnen und undokumentierten ­Personen unter der Präsidentschaft Donald Trumps im Vergleich zu der Barack Obamas geändert?
Es haben sich viele Dinge geändert. Grundsätzliche wollte sich die Obama-Regierung gern als Pro-Einwanderung zeigen, obwohl sie weiterhin in großem Maße abgeschoben hat. Die Regierung von Trump ist sehr viel unverfrorener in Bezug auf ihre Antieinwanderungspropaganda. Weil alle wissen, dass Trump gegen Einwanderung ist, wird es einfacher, dagegen zu agieren. Der Wille wird entfacht, diese Position zu bekämpfen. Andererseits geht das ­Wissen darum auch mit mehr Ängsten einher. Der Slogan »Undocumented and unafraid« (undokumentiert und unerschrocken) gilt unter Trump nicht mehr.

Den Aufschrei, den es jüngst wegen der getrennten Familien gab, hätte es also unter Obama nicht gegeben?
Es hätte ihn vielleicht schon gegeben, aber es wäre sehr viel schwerer gewesen, Menschen für Proteste dagegen zu mobilisieren. Die Menschen wollten nicht wirklich sehen, wie schrecklich die Dinge waren. Sie denken, es ist ­etwas ganz Neues und passiert nur jetzt und hier. Dabei passiert es schon seit langer Zeit. Es gibt in den USA eine lange Geschichte von Familientrennungen – auch außerhalb des Migrationskontexts. Hier braucht es mehr Bewusstsein.

Protestieren Sie heute also für offene Grenzen?
Die Linke darf sich nicht nur für Einwanderung einsetzen. Es gibt grundlegende Ursachen, weshalb Menschen hierher kommen. Personen fliehen nicht einfach so. Krieg und Gewalt werden oft durch westlichen Imperialismus und Interventionen verursacht. Die Linke sollte also nicht nur darüber sprechen, dass Migration etwas Positives und Natürliches ist. In Lateinamerika gibt es so viel Gewalt, weil diese Länder jahrhundertelang kolonial ausgeplündert wurden und die US-Regierung in der Vergangenheit dort rechte Dikaturen an die Macht gebracht und unterstützt hat. Bis heute werden diese Länder mit Waffen aus den USA überflutet.