Raucherecke - Proteste gegen die Ansiedlung von Google in Berlin-Kreuzberg

Fußbälle gegen Google

Raucherecke Von

»Kick Google aus dem Kiez« – auch während der Fußballweltmeisterschaft der Männer ist der Internetkonzern in Berlin-Kreuzberg nicht vor Protesten sicher. Das zeigte sich am Donnerstagabend vergangener Woche, als das Bündnis »No Google-Campus« zu einer Kundgebung vor dem Gebäude aufrief, in das der »Google-Campus for Entrepreneurs« ziehen soll. Eine Stunde nach dem WM-Eröffnungsspiel flogen dort Fußbälle gegen ein aus Holz gebasteltes Google-Logo. Aus der Daiquiri-Maschine einer bekannten Kreuzberger Punkrock-Kneipe flossen kalte Drinks. In einem Studio, das an die WM-Berichterstattung erinnerte, wurden Mitglieder von Initiativen, die sich gegen den Google-Campus einsetzen, zu Inhalt und Form ihres Engagements befragt. Sie befürchten durch die Ansiedlung von Google und anderen Firmen der expandierenden Tech-Branche Gentrifizierungsschübe, deren Auswirkungen in den betroffenen Stadtteilen selbst für die Verhältnisse des boomenden Berliner Immobilienmarkts besonders heftig wären. So findet sich beispielsweise auf einem Internet­portal für Immobilien eine Verkaufsanzeige, in der ein Industrie­loft in einem Hinterhof mit der Überschrift »Vis-à-vis des neuen Google-Campus« beworben wird. Dafür ruft der Verkäufer einen Quadratmeterpreis von 4 500 Euro auf – ein Kaufpreis, der dem in den besten Berliner Citylagen entspicht.

Die Mitglieder der Initiativen kritisierten auch die Firmenpolitik von Google als datensammelwütigem Monopolisten und führten technische Alternativen vor. An einem Stand warb ein Mitglied der »Free Software Foundation Europe« für die Kampagne »Free Your Android«, mit der der Verein Nutzern helfen will, die Kontrolle über ihre Android-Geräte zu verbessern und damit von Google unabhängiger zu werden.

Konstantin von der Kreuzberger Initiative »Bizim Kiez« betreute einen Stand, an dem er und andere das MAZI-Project vorstellten. Dabei handelt es sich um ein sogenanntes Do-it-yourself-Netz, eine Art lokales Mini-Internet mit begrenzter Reichweite und Speicher­kapazität, das unabhängig vom »großen« Internet ist und komplett selbstorganisiert verwaltet werden kann. Als »interaktiver Flyerstand«, der lokale Verdrängungsprozesse sichtbar machen könne, beschrieb Konstantin das Projekt. »Das ist dann wie eine digitale Ergänzung zu Plakaten und Graffiti an Wänden«, so der »Bizim Kiez«-Aktivist.
Die Beispiele zeigen, wie das Bündnis »No Google-Campus« im Unterschied zu anderen Linken, die sich gegen den Kreuzberger Google-Campus engagieren, versucht, Nerds, die Alternativen zu Google-Produkten aufzeigen, und klassische Mieter- und Stadtteilaktivisten zusammenzubringen.

Hoffnung macht den Mitgliedern des Bündnisses eine kürzlich von Google getroffene Entscheidung in einem anderen Bereich des Unternehmens. So verwies ein Redner bei der Protestaktion auf den Rückzug Googles vom »Project Maven«. Es handelt sich dabei um ein Vorhaben des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums, mittels automatischer Bilderkennung Kampfdrohnen in die Lage zu versetzen, selbständig Feinde zu erkennen und abzuschießen. Einige Software-Entwickler hatten gegen die Zusammenarbeit protestiert. Nach der Sammlung von Mitarbeiterunterschriften an mehreren Google-Standorten beschloss der Konzern, den 2019 endenden Vertrag mit dem Pentagon nicht zu verlängern.