In ihrem neuen Buch verschärft Jasbir Puar ihre Thesen gegen Israel

Die professionelle Antizionistin

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Sie versah das Schlagwort »Pinkwashing« mit akademischen Weihen. Dessen Gebrauch hatte sich bis dahin auf aktivistische Kreise beschränkt; es drückt die Auffassung aus, der jüdische Staat sei nur homosexuellenfreundlich, um vom Konflikt mit den Palästinensern abzulenken. »Puars Attacke auf die homosexuelle Emanzipation« war, wie Tjark Kunstreich bemerkte, »letztlich nichts anderes als der seit Jahrzehnten bekannte linke, antiimperialistische Homosexuellenhass.« Und weiter: »Aus der Homosexualität als Handlung oder als Begehren wird der Homosexu­elle als Repräsentant des Westens, des Neo­liberalismus, des Kapitalismus – derjenige, der in der Krise noch Erfolg hat, gar von der Krise profitiert.«

In diesem Sinne ging es weiter, sowohl gegen Homosexuelle als auch gegen Israel. 2016 behauptete Puar während eines Auftritts am Vassar College, dass das israelische Militär die Leichen getöteter Palästinenser ausgeweidet habe, um mit den entnommenen Organen Forschung oder Schlimmeres zu betreiben.

Nun hat Jasbir Puar ihre zweite Abhandlung vorgelegt, welche die antiimperialistische Propaganda weitertreibt: »The Right to Maim«. »Maim­ing« bezeichnet die Militärtaktik, dem Gegner mit gezielten Schüssen nicht das Leben zu nehmen, sondern ihn für das Leben zu zeichnen – ihn also auf solche Weise zu attackieren, dass er bleibende Schäden davonträgt, etwa in Form einer Gehbehinderung.

»Maiming«, informiert die Autorin, sei ein langsames, aber gleichzeitig intensives Erzeugen des Todes, weil es auf »sowohl körperliche als auch ­infrastrukturelle Fronten« abziele. Puar macht sich, als tagespolitischen Anlass, welcher die offensichtlich verschwörungstheoretische Komponente zurücktreten lassen soll, die aktivistische Aufmerksamkeit zunutze. In den Vereinigten Staaten er­klärt sich etwa die Bewegung »Black Lives Matter« solidarisch mit dem Boykottbündnis BDS und dem palästinensischen Kampf gegen Israel – bis hin zur Identifikation beider Forderungen als miteinander der Sache nach verbundener. Dies wiederum zeugt davon, dass Puars antizionis­tisches Bedürfnis nicht ihre individuelle Weiterentwicklung judenfeind­licher Stereotype ist, sondern einen allgemeinen Regress ausdrückt.

Wie bereits zuvor sind die Deutungen der Autorin unterhalb des Komplexität suggerierenden Vokabulars simpel. Israel wolle der internationalen Reputation wegen die Zahl seiner getöteten Gegner gering halten und die palästinensische Bevölkerung einer Politik kollektiver Schwächung unterwerfen. Gleichwohl kommt die professionelle Antizionistin nicht umhin, anzuerkennen, dass die israelischen LGBT-Standards beachtlich sind. Doch selbst die zutreffende Einschätzung schützt nicht vor der nur noch als Propaganda zu bewertenden Behauptung, dass »Pinkwashing« eine sinistre Methode sei, um »euro-amerikanische Schwule« zu beeinflussen, die »das politische Kapital und die finanziellen Ressourcen« hätten, »um in Israel zu investieren«.

Die israelische Standortwerbung halte, so Puar, einen »Diskurs über palästinensische Homophobie« aufrecht, das Ganze sei Teil einer Art dreiteiligen Komplotts der »Kolonisierung«, »Apartheid« und »Besatzung«. Um das zu »beweisen«, ist Puar sich für nichts zu schade: »Ethnische Säuberung« fällt als Begriff in einer Fußnote. Ein Kapitel behauptet, äthi­opische Jüdinnen seien in Israel unter der Voraussetzung eingebürgert worden, sich sterilisieren zu lassen. Als Nachweis dient ein Artikel in der Huffington Post. Folgt man der Quellenangabe, erfährt man dort, dass besagte Frauen dies lediglich behauptet hätten. So geht es unentwegt, 160 Seiten lang – Voreingenommenheit, als Analyse von »Biopolitik« verkauft, soll den Antizionismus auf die pseudowissenschaftliche Höhe der Zeit bringen. Das Vorhaben wird gekrönt vom Hinweis darauf, dass die Autorin im Herbst 2015 die Westbank besucht habe, um im Rahmen eines Dokumentarfilms »alltägliche und populäre Formen des Widerstands« zu erforschen, wozu auch die Teilnahme an einem Begräbnis von vier »Märtyrern« zählte.

Mit »The Right to Maim« hat die Queer Theory ihr seit Jahren schon beklagenswertes Niveau abermals unterboten. Dass das wissenschaftliche Anliegen längst sekundär ist, wird von Jasbir Puar übrigens nicht geleugnet. »Dieses Buch ist der Kraft des palästinensischen Volkes und der bevorstehenden Befreiung Palästinas gewidmet – und den neuen Welten und Kämpfen, die dies mit sich bringen mag«, ist noch vor der Einlei­tung vermerkt. Am Ende heißt es dann: »Der ultimative Zweck dieser Analyse ist es, sich zugunsten eines freien Palästina anzustrengen.«