Essay - Beim Women’s March ist eine islamophile Querfront am Werk

Islamophile Querfront gegen Frauenrechte

Seite 2 – Schwarzer Nationalismus

Der derzeitige identitätspolitische Aktivismus in den USA speist sich aus Überbleibseln der Black-Power-­Bewegung, die durch die Fragmentierung der sozialen Klassen aufstieg. Sie gewann seit der Großen Depression, dem Zweiten Weltkrieg und der Transformation von urbanen Räumen nach dem Housing Act von 1949 an Bedeutung. Der Aufstieg vieler Weißer zu Immobilieneigentümern folgte, während arme Schwarze zurückblieben und sich afroameri­kanische Ghettos bildeten. Doch nicht nur am Nationalismus der damaligen Black-Power-Bewegung, sondern am Benennen der Unterdrückung von Schwarzen als »Holocaust« oder des von Black Lives Matter praktizierten Unterschlagens der Tatsache, dass Trayvon Martin durch George Zimmerman, einen Latino, ermordet wurde und dass an erster Stelle der in den USA durch Polizeigewalt zu Tode Gekommenen Weiße stehen, zeigt sich dem Politologen und Afroamerikanismusexperten Cedric Johnson zufolge die Vorstellung des black exceptionalism. Diese besagt, dass dem Schwarzsein sowohl positiv als auch negativ, also hinsichtlich der eigenen Unterdrückung, etwas absolut ursprüngliches eigene und somit ethnienspezifische Lösungsansätze erforderlich seien.

In dieser Tradition blicken die Anführerinnen des Women’s-March auf Palästinenser und Muslime, die, so wie vormals Schwarze, zum neuen revolutionären Subjekt auserkoren werden und anscheinend einen spezifischen, einzigartigen Begriff für ihre Unterdrückung, nämlich »Islamophobie« oder »antimuslimischen Rassismus« benötigen. Der Rassismus der Antirassistinnen wird deutlich, weil sie davon ausgehen, dass aufgrund der kollektiven Erfahrung des Rassismus leidenschaftlich ­geteilte kollektive politische Gemeinsamkeiten bestehen. Vorschub geleistet haben diesen Entwicklungen sowohl die Ablehnung des Univer­salismus als »eurozentristisch« als auch der epistemologische Relati­vismus, der objektive Realität ablehnt und nach dem jeder ausschließlich von der eigenen partikularen Perspektive ausgehen kann, die wiederum von gesellschaftlichen Einflüssen geprägt ist und sich somit je nach Kultur unterscheidet, wie es Kenan Malik in seinem Text »Für jeden eine Wahrheit« ausführte (Jungle World 2017/09). Da nach dieser poststrukturalistischen Sichtweise ­meh­rere »Wahrheiten« existieren, müssten sowohl nichtwestliche Gesellschaften wie auch diverse soziale Gruppen wie Nichtweiße, Frauen etc. »ihre eigenen Begriffe und Werte basierend auf ihren spezifischen ­Kulturen, Traditionen und Bedürfnissen entwickeln«, so Kenan Malik, eben jenes Phänomen kritisierend. In der politischen Praxis lässt sich beobachten, dass es seit Dekaden keine Rolle mehr spielt, welche Werte jemand vertritt, sondern bestimmend ist, welches Geschlecht, welche Hautfarbe oder Sexualität er oder sie aufweist.

So nimmt es auch nicht wunder, dass die schwarze, sich dem Konzept der Intersektionalität verschrieben habende Mitorganisatorin des Women’s March, Tamika Mallory, Louis Farrakhan auf Instagram lobte und ihm zu seinem Geburtstag ­gratulierte. Am 26. Februar besuchte sie zudem eine Kundgebung der ­Nation of Islam, auf der Farrakhan Mallory namentlich für ihre Teil­nahme dankte. Bei derselben Veranstaltung bezeichnete er Adolf Hitler als great man und machte Juden verantwortlich für die Terroranschläge vom 11. September 2001 und den »Verfall« von Hollywood. Mächtige Juden rief er öffentlich als seine Feinde aus. In einer von der Nation of Islam organisierten Vortragsreihe 2013 und 2014 hatte er Juden und Jüdinnen mehrmals als »satanisch« ­bezeichnet. Seine 2015 gehaltene Savior’s-Day-Rede in der Maryam-­Moschee in Chicago hatte ebenfalls Verschwörungstheorien über die ­angebliche Kontrolle der amerikanischen Regierung durch Juden beziehungsweise Israel und deren angebliche Kooperation mit den USA während der Terrorangriffe vom 11. September beinhaltet. Seit Jahren wirbt Farrakhan für den zweiten Band einer Buchreihe seiner Organisation, der den Titel »How Jews Gained Control of the Black American Economy« trägt und unter anderem die Lüge von der raffgierigen Beteiligung von ­Juden an der Versklavung von Afroamerikanern und Afrikanern pro­pagiert. Am 9. Mai 2017 drohte er im Rahmen eines Radiointerviews ­jüdischen Israelis, dass sie sich nicht mehr lange in ihrem Heimatland aufhalten könnten, und appellierte an den Iran und weitere islamische Regime, Widerstand gegen Israels Existenz zu leisten.

 

Islamic Relief

Auf der Website des Women’s March rufen die Verantwortlichen zu Spenden an die Organisation Islamic Relief Fund auf, die ihnen zufolge syrischen Flüchtlingen zugutekommen sollen. Obwohl diese Organisation laut den Vereinigten Arabischen Emiraten als Terrororganisation gilt, kommen ihr jährlich Millionen an Fördergeldern von der US-amerika­nischen, deutschen, schwedischen und englischen Regierung wie auch der UNO und der EU zu, die wiederum an Organisationen weitergegeben werden, die Verbindungen zur Hamas aufweisen. Des Weiteren werden ­viele der nationalen Ableger des Dachverbands von Islamisten, unter anderem aus dem Umfeld der Muslimbrüderschaft geleitet, also einer ­islamistischen Vereinigung, die den Vorwurf der »Islamophobie« häufig vorbringt.

Dieser dient seit jeher dazu, Thematisierungen des Antisemitismus und der Misogynie im Islam abzuwehren oder zu relativieren, und wird auch von Linda Sarsour immer wieder ins Feld geführt. Über die Herkunft wie auch die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs herrscht keine Einigkeit, jedoch schrieb der französische Philosoph Pascal Bruckner: »Das Ziel dieses Wortes war es, den Islam als unantastbar zu erklären. Wer auch immer diese Grenze überschreitet, wird als Rassist bezeichnet. Dieser Begriff, der totalitärer Propaganda würdig ist, ist mutwillig unspezifisch darin, ob er auf Religion verweist, auf ein Glaubenssystem oder auf ihre treuen Anhänger auf der ganzen Welt.«

Der amtierende Geschäftsführer der US-amerikanischen Abteilung des Islamic Relief Fund ist Khaled Lamada, ein prominenter ägyptisch-amerikanischer Unterstützer der Muslimbrüderschaft. Seine Beiträge in sozialen Medien enthalten neben dem R4Bia-Symbol der Muslimbruderschaft auch lobende Worte für den »Jihad« der »Mujahedin von Ägypten« und der Hamas, da diese das »zionistische Gebilde viele Niederlagen gekostet« hätten. Des Weiteren veröffentlichte er Videos, in ­denen von einer jüdischen Verschwörung die Rede ist, in die der ägyptische Präsident, Abdel Fatah al-Sisi, als Gegner der Muslimbrüderschaft ­eingebunden sein soll.

2014 brachte ein weiterer Bediensteter von Islamic Relief USA, Yousef Abdallah, eine Geschichte in Umlauf, in der »Märtyrer« idealisiert und romantisiert wurden, die Waffen zur Verfügung stellten, um »mehr als 20 Juden zu töten« und »Raketen auf Tel Aviv zu feuern«.

Über all dies verliert Sarsour kein Wort. Auf das Thema des Antisemitismus in einem Interview für die anti­zionistische Kampagne »Jewish Voice For Peace« angesprochen, weiß sie zuallererst Folgendes zu entgegnen: »Ich glaube, dass eine Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus in dieser Zeit sehr wichtig ist, weil wir Antisemiten mit Macht im Weißen Haus haben. Aber wir müssen wirklich kritisch sein hinsichtlich dessen, was Antisemitismus tatsächlich bedeutet, weil der Begriff oft von Rechten gegen Palästinenser und die­jenigen, die für Palästina sind, verwendet wird, um zu verallgemeinern, dass wir, weil wir für Palästina sind, weil wir für Gerechtigkeit sind, antisemitisch sind, oder dass wir, weil wir Kritiker des Staates Israel sind, Antisemiten sind.« Jewish Voice For Peace veröffentlichte dieses Gespräch als Video in seiner Reihe »Inspirierende Redner«.

 

Mythos zionistische Apartheid

Die Politaktivistin, frühere Studentin von Herbert Marcuse und Hauptsprecherin beim Women’s March, Angela Davis, sagte 2016 in einem ­Interview zu ihrem damals veröffentlichten Buch »Freedom Is a Constant Struggle: Ferguson, Palestine, and the Foundations of a Movement«: »Palästina repräsentiert, so scheint es mir, genau das, was Südafrika in den Achtzigern bis zum Ende der Apartheid repräsentierte. Palästina scheint mir der Schlüsselpunkt zu sein, der uns erlaubt, unser Bewusstsein zu vergrößern, auszudehnen und zu erweitern.« Während ihrer Rede auf dem Women’s March on Washington am 21. Januar 2017, forderte sie des Weiteren die Freilassung der aufgrund von Morden an US-amerikanischen Polizisten ver­urteilten Assata Shakur und Mumia Abu-Jamal, die – wie Davis selbst – Aktivisten der Black Panther Party gewesen waren. Diese arbeitete bereits in den späten sechziger Jahren mit der Palestinian Liberation Orga­nization (PLO) zusammen. Außerdem bestand eine Kooperation der Black Panther Party mit der Popular Front for The Liberation of Palestine (PFLP), die in den Sechzigern und Siebzigern Flugzeuge der israelischen Fluggesellschaft El Al enführte. Am bekanntesten ist wohl die Entführung einer israelischen Maschine 1976 nach Entebbe in Uganda. Dort ließ das Terrorkommando, das aus Mitgliedern der PFLP und der deutschen Revolutionären Zellen bestand, die nichtjüdischen Geiseln frei, jüdische und vermeintlich jüdische Passa­giere blieben in der Gewalt der Entführer. Eine israelische Spezial­einheit befreite die Geiseln in einem spektakulären Einsatz.

Mumia Abu-Jamal relativierte 2002 diese Akte des antisemitischen Terrors und begründete sie – in einem an Holocaustrelativierung nicht zu überbietenden, »Blitzkrieg in Palestine« betitelten Artikel – mit der ­vermeintlich in Israel vorherrschenden Apartheid: »Wenn die Haut­farbe der Palästinenser die Farbe von Kaffee statt der von Oliven hätte, würde die Welt ihren degradierten sozialen Status als einen ähnlichen zu dem des Apartheidregimes in Südafrika erkennen. Aber sie sind Araber, in einer Welt und einer Zeit, in der Araber in den Massenmedien als ›Terroristen‹ dämonisiert werden. Als solche sind sie Freiwild.«

Dass es Sarsour im Kampf gegen das Feindbild »Nazi-Trump« weder um eine Form der universalen Emanzipation noch um die Verteidigung des Rechts von Frauen, Homo- und Bisexuellen, Trans­personen und Andersgläubigen auf körperliche Unversehrtheit im Nahen Osten geht, zeigt sich, wenn sie propagiert, dass für die Verteidigung des liberalen Israel im Feminismus kein Platz sei.

 

So woke

Linda Sarsour versteht es geschickt, von der Rolle der empowerten und empowernden Kopftuchfeministin in die Opferrolle zu schlüpfen, sobald ihr die Argumente ausgehen. In ­einer Rede im April 2017 fragte sie: »Kann mich jemand an eine stramme Pro-Israel-Organisation erinnern, die sich unterstützend gemeldet oder aufgestanden ist gegen die Ermordung von unbewaffneten schwarzen Menschen durch die Strafverfolgung in diesem Land? Wenn ihr eine kennt, ich würde es gerne wissen, denn ich sehe nicht, dass das passiert, oder nicht? Die Leute, die Massaker an Kindern und Zivilisten in Palästina rechtfertigen und diese als Kollateralschäden bezeichnen, sind dieselben Leute, die rechtfertigende Entschuldigungen finden werden dafür, dass in diesem Land unbewaffnete Menschen von der Polizei ermordet werden.«

Als allerdings am New York March for Racial Justice am 1. Oktober 2017 prozionistische Jüdinnen teilnahmen, um sich mit Afroamerikanern solidarisch zu erklären und sich gegen rassistische Polizeigewalt einzusetzen, wurden sie von anderen Teilnehmerinnen gebeten, ihre Schilder ­abzulegen. Auf diesen riefen sie zu einem Schulterschluss von Juden und Jüdinnen mit Schwarzen innerhalb der Bewegung auf. Ihnen wurde vorgeworfen, dass Palästinenserinnen wie Sarsour sich dadurch unsicher fühlen könnten und dass sie als Juden die Veranstaltung vereinnahmten, obwohl diese dem An­liegen der rassistischen Polizeigewalt in den USA gewidmet sei. Während ihrer Rede gab Sarsour an, dass sie auf der Demonstration ob einiger Schilder Angst bekommen habe, was viele Anwesende zur Vermutung ­veranlasste, dass damit eben jene solidarischen Zionistinnen und ihre Schilder gemeint seien.

Das Argument der Angst wurde auch gegenüber einer zionistischen LGBT-Aktivistin vorgebracht, die 2017 den Chicago Dyke March, eine Lesbenparade, mit einer David­stern-Pride-Fahne besuchte. Sie wurde aufgrund der Fahne gebeten, die Veranstaltung zu verlassen.

Tamika Mallory scheute im April keine Mühen, um die US-amerikanische Organisation gegen Antisemi­tismus, die Anti Defamation League, des Rassismus zu bezichtigen, nachdem die Cafékette Starbucks diese nach einem shitstorm um Hilfe bei der Sensibilisierung der Angestellten zu rassistischem Verhalten gebeten hatte. Dass es Sarsour und ihren Verbündeten im Kampf gegen das Feindbild »Nazi-Trump« also weder um irgendeine Form der univer­salen Emanzipation noch um die Verteidigung des Rechts von Frauen, Homo- und Bisexuellen, Transpersonen und Andersgläubigen auf ­körperliche Unversehrtheit im Nahen Osten geht, kommt auch dann zum Vorschein, wenn Sarsour propagiert, dass für die Verteidigung des liberalen Israel im Feminismus kein Platz sei: »Gibt es in der Bewegung Raum für Leute, die den Staat Israel unterstützen und nicht kritisieren? Sowas kann es im Feminismus nicht geben. Entweder stehst du für die Rechte von allen Frauen auf, also inklusive der Palästinenserinnen, oder gar nicht. Da gibt es keinen Weg drumherum.

Es gibt kein Land auf der Welt, das immun gegen die Verletzung der Menschenrechte ist. Du kannst keine Feministin in den Vereinigten Staaten sein und für die Rechte von amerikanischen Frauen aufstehen und dann sagen, dass du nicht aufstehen willst für die Rechte von palästinensischen Frauen in Palästina. Es hängt alles zusammen. Entweder sprichst du über palästinensische Frauen, mexikanische Frauen, Frauen in Brasilien, in China, oder Frauen in Saudi-Arabien ­ Diese Bewegung ist eine internationale Bewegung.« Ein Anspruch, dessen Einhaltung den Social Justice Warriors des Women’s March selbst nicht möglich zu sein scheint.

Auch wenn Sarsour die Bezeichnung als glühende Antisemitin ­verdient, ist der von der somalischen, ­exmuslimischen Frauenrechts­aktivistin, Aayan Hirsi Ali, auf sie gemünzte Begriff fake feminist ­ebenso adäquat, da beispielsweise auf der offiziellen Website der Organi­satorinnen des Women’s March steht: »Wir ehren und respektieren Stammesgesetze und deren Rechtssprechung.« Der von ihnen so wohl­wollend unterstützte Führer der Nation of Islam, Louis Farrakhan, sprach sich in klassisch antifeministischer Manier gegen eine Aufhebung des homophoben Sodomiegesetzes in Zentralamerika aus. Er beschuldigt Frauen der gefährlichen Zersetzung der amerikanische Familie, da sie seit dem Zweiten Weltkrieg in die Sphäre der Lohnarbeit vorgedrungen seien, anstatt sich, wie zuvor, ausschließlich um Reproduktionsarbeit, Erziehung und Umsorgung der ­gemeinsamen Kinder zu kümmern. Des Weiteren bezeichnet er Homo­sexualität als Sünde und ein Gräuel. Er bezieht sich auf das Verbot der ­Homosexualität im Koran und behauptet, dass Homosexuelle nach ­ihrem Tod ihr Dasein in der Hölle fristen müssten.