Nicht nur der Iran betreibt weiter den Ausbau seiner Atommacht

Nuklearer Wettlauf im Nahen Osten

In zahlreichen anderen Ländern der Region sind Atomkraftwerke geplant oder bereits im Bau – auch dort nicht immer rein zu »zivilen« Zwecken.

Seit US-Präsident Dwight D. Eisenhower vor fast 65 Jahren das Märchen von den »Atoms for Peace« (Atomen für den Frieden) in Umlauf gebracht hat, verbreitete sich in der Welt der fromme Glaube, errichte man Atomkraftwerke (AKW) nur in sicherer und stabiler Umgebung und überwachten demokratische Institutionen auf nationaler und internationaler Ebene ihren Betrieb, dann würden sie dem Frieden dienen und einen Beitrag zur Völkerverstän­digung leisten. Leider ist das Gegenteil eingetreten: Kriegs- und Krisengebiete scheinen die Nuklearenergie magisch anzuziehen, Standorte, die durch Erdbeben, Überschwemmungen oder andere Naturkatastrophen gefährdet sind, scheinen potentiellen Betreibern durchaus für die empfindliche Technik geeignet und statt demokratischer Kontrollinstanzen dominieren geheimdienstliche Manöver.

Nach dem Super-GAU von Tschernobyl 1986 gingen die Aufträge für neue Atomkraftwerke in den westlichen Ländern drastisch zurück. Nun waren Russland, China, Indien, Südkorea und Japan am Zuge, bestellten bei den darbenden AKW-Herstellern, kauften Patente und Beteiligungen und bauten ei­gene Nuklearunternehmen auf. Mit dem Multi-GAU von Fukushima 2011 stieß auch die asiatische Nachfrage an ihre Grenzen. Einzig Nordkorea setzte weiterhin unbeirrt auf Atomkraft, freilich nicht mit friedlichen Absichten. Inzwischen ist der Nahe Osten zum nächsten großen Markt für Atomanlagen geworden. Wie vorausgesagt und befürchtet folgen viele Länder dem Vorbild des Pioniers auf diesem Gebiet, dem Iran.

Die Republik, die sich auf den Islam gründet, setzt ihren ganzen Ehrgeiz daran, Atomstaat zu werden und alle dazu erforderlichen Technologien zu besitzen. Der Iran verfügt mittlerweile über einen eigenen Uranbergbau, zwei Urananreicherungsanlagen, eine Zentrifugenentwicklung, eine Brennelementefabrik, eine Schwerwasseranlage, ein Atomkraftwerk, einen Forschungsreaktor und viele Labors. Um eine Erklärung für diese kostspieligen und gefährlichen Unternehmungen zu finden, musste man nicht erst auf die Enthüllungen warten, die der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu am 30. April im Fernsehen präsentierte. Das war schon vor 15 Jahren klar, als Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) plötzlich Spuren von angereichertem Uran im Iran entdeckten. Auf ihre Nachfragen erhielten sie nie schlüssige Antworten, sondern ­bekamen nur Ausreden zu hören.

»Saudi-Arabien will keine Atom­bomben erwerben«, erklärte Kronprinz Salman Mitte März dem Fernsehsender CBS, »aber wennder Iran eine entwickelt, ziehen wir unverzüglich nach.«

Es folgte ein jahrelanger, mühseliger diplomatischer Prozess, in dem der Iran den internationalen Widerstand gegen seine nuklearen Installationen zermürbte und eine Anerkennung des Status quo erreichte. Das im Sommer 2015 in Wien ausgehandelte Atomabkommen, der Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA), verfolgte schon nicht mehr das Ziel, das iranische Regime auf den von Eisenhower fabulierten friedlichen Weg zurückzubringen. Man gab sich faktisch damit zufrieden, dass es versprach, eine zehnjährige Pause bei der Entwicklung von Atomwaffen einzulegen.