Über Menschenfeinde und Tierfreunde

Kampf um den Hund

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Spannender scheint für die Mehrzahl der Journalisten die Moraldebatte über den Hund zu sein. Manuel Kugler von den Nürnberger Nachrichten schloss seinen Beitrag »Mahnwache für Chico: zuhören statt verurteilen« mit den verständnisvollen Worten: »Zumal bis heute noch niemand schlüssig erklären konnte, warum wir (übrigens mit Recht) selbst im Falle grausamster Verbrechen die Todesstrafe für Menschen ablehnen, sie Tieren gegenüber aber für vertretbar halten.« Der Hund habe die »Chance zur Resozialisierung verdient«, urteilte Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. »Es verletzt das Rechtsempfinden vieler Menschen, wenn an dem Hund die Todesstrafe vollstreckt wird«, sagte Heiko Schwarzfeld, Geschäftsführer des Tierschutzvereins Hannover.

Es ist offensichtlich, dass Tiere per se »unzurechnungsfähig« sind, da sie keine Rechtssubjekte sind, die nämlich nicht nur subjektive Rechte, sondern auch ebensolche Pflichten haben. Das Hegel’sche und gern als autoritär gescholtene »Recht auf Strafe« verweist darauf. Denn in der Strafe »wird der Verbrecher als Vernünftiges geehrt. – Diese Ehre wird ihm nicht zuteil, wenn aus seiner Tat selbst nicht der Begriff und der Maßstab seiner Strafe genommen wird; – ebensowenig auch, wenn er nur als schädliches Tier betrachtet wird, das unschädlich zu machen sei.« Unzurechnungsfähig zu sein, heißt nicht schuldfähig zu sein. Selbst eine schuldunfähige Person wird nicht bestraft, egal wie sehr die Sanktion der Strafe ähneln mag oder und auch, wenn sie sogar drastischer ausfällt. Ein Hund wird schon deshalb nicht im rechtlichen Sinne bestraft, auch nicht durch den Tod. Eben dies war nicht immer so und ist eine Errungenschaft gegenüber den Restbeständen archaischen Stammes- und Gewohnheitsrechts, das in einigen Fällen Tiere nicht nur als Lebewesen, sondern auch als Rechtssubjekte fasste. Zwischen dem 13. und dem 18. Jahrhundert wurden vor allem in Frankreich und den angrenzenden Regionen zahlreiche Tierprozesse abgehalten. Die weltlichen Tierprozesse richteten sich in diesem Fall gegen domestizierte Tiere, die Menschen verletzt oder gar getötet hatten oder die der Teilhabe an sodomistischen Akten verdächtigt wurden.

Gegen die offenkundig banale Erkenntnis, dass jeder Hund von Menschen mehr oder weniger so gemacht wurde, wie er ist, wird von einigen Experten erwidert, dass es schlichtweg gefährlichere Hundearten gebe, was soweit stimmt. Schon allein Größe und Kraft sind nicht ganz unerheblich. Doch die existierenden Listen stufen vor allem bri­tische und amerikanische Hunderassen als gefährlich ein; tatsächlich führt der Deutsche Schäferhund die meisten Beißstatistiken an. Wie Rottweiler, Boxer und Dobermann findet man ihn aber kaum auf einer Rasseliste. Dazu kommt: Die wenigen verfügbaren Statistiken unterscheiden kaum zwischen Angriffen auf Menschen und auf Hunde. Wenn man nämlich sich schon auf Rassentheorien bezieht, sollte man auch anmerken, dass jene Kampfhunde, die in der »pit« gegen andere Hunde kämpfen sollten und daraufhin gezüchtet wurden, eben keine Menschen, beispielsweise den ebenfalls in der Grube befindlichen Schiedsrichter, anfallen durften. Nun kann man nicht leugnen, dass gewisse Hunderassen aus verschiedenen Gründen natürlich auch verschiedene Charaktertypen ansprechen. Es ist nicht ganz zufällig, dass kein Mops oder keine Französische Bulldogge in einem Gangster-Rap-Video in die Kamera knurrt.

Würden dieselben Leute sich mit demselben Elan für Menschen einsetzen, ihre Aktion wäre fast glaubhaft – beispielsweise für »Kinderschänder«, die ebenfalls von »Menschen so gemacht wurden«. Ideolo­gische Tierliebe geht in aller Regel einher mit einem Schwanken zwischen Empathielosigkeit in Bezug auf Menschen und offenem Menschenhass: So haben rumänische Straßenköter bessere Chancen auf Asyl in Deutschland als Roma, und die berüchtigte Gruppe »Animal Peace« fordert in der Causa Chico gleich: »Tod den Entscheidungsträgern! Wir fordern die Todesstrafe für die verantwortlichen unberechenbaren Mörder: Die Vertreter der Stadt Hannover, der Tiermedizinischen Hochschule, des Tierheims und des Landwirtschaftsministeriums.« Vor zwei Jahren schon gratulierte die Organisation einem Stier, der einen Bauern tötete, und erklärte das Tier zum »Helden«, der einen »Sklavenhalter« tötete. Wegen solcher Aussagen sind die angeblichen Tierfreunde als das zu bezeichnen, was sie sind: Menschenfeinde. Deshalb lässt sich mit jenen Leuten, in der Regel auch in ­ihren ideologisch weniger radikalen oder expliziten Ausprägungen, nicht über Tiere oder anderes diskutieren, da Fanatisierte sich für Argumente kaum zugänglich zeigen.