Markus Beckedahl von Netzpolitik.org im Gespräch über Datenschutz, E-Privacy und digitale Kompetenz

»Die EU setzt höhere Standards«

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Interview Von

Zurück zur politischen Dimension der DSGVO. Die einen sagen: Gegen »Datensünder« hilft nur staatliche Regulierung – etwa Sanktionen oder Steuererhöhungen. Andere betonen die Notwendigkeit, digitale Kompetenz zu fördern, also Wissen darüber, wie die digitale Ökonomie funktioniert und welche Rolle die Daten jedes Einzelnen darin spielen. Welcher Aspekt ist wichtiger für die Zukunft des Datenschutzes?
Ich höre immer Lobpreisungen auf die mündigen Bürgerinnen und Bürger, die selbstbestimmt entscheiden können, was gut für sie ist. Doch im digitalen Umfeld habe ich so gut wie noch keinen mündigen Bürger gesehen und selbst ich stehe manchmal vor dem Problem, dass ich die Datenschutzeinstellungen bei Facebook nicht ganz so gut verstehe, wie es eigentlich nach zwölf Jahren sein sollte, wenn man mit Computern herumspielt. Wie soll denn der Rest der Gesellschaft mit weniger Medienkompetenz das überhaupt verstehen können? Insofern bin ich bin kein Verfechter der These, dass Nutzer sich eben selbst um ihren Schutz kümmern sollen und alle Probleme seien gelöst. Wir brauchen sowohl digitale Mündigkeit – sie muss aber vermittelt werden, als auch strenge Datenschutzregeln. Die besten Regeln bringen allerdings nichts, wenn unsere Datenschutzbehörden weiterhin zu wenig Mittel und Personal haben, um sie durchsetzen zu können. Wir stecken an diesem Punkt aber in einem Dilemma, denn der ­Gesetzgeber, der eigentlich für klare Datenschutzregeln sorgen soll, ist gleichzeitig mit der größte Überwacher und reagiert bei den eigenen Daten dann anders, als wenn es um Konzerne geht.

Nach dem sogenannten Datenskandal bei Facebook hat man einmal mehr den Eindruck bekommen, dass Datenschutz und E-Privacy vielen erst ein Begriff werden, wenn es einen Bösen gibt, der etwas Böses ­getan hat. Wissen die Leute überhaupt, was Begriffe wie etwa »informationelle Selbstbestimmung« ­bedeuten? Gerade mal 16 Prozent der deutschen User verschlüsseln ihre E-Mails. Sollte man nicht eher dort ansetzen?
Ich würde mich freuen, wenn 16 Prozent der Deutschen tatsächlich ihre E-Mails verschlüsseln würden. Ich finde ja kaum Politiker oder Journalisten, die dazu in der Lage sind, und das sind eigentlich die, die zuerst verschlüsseln sollten. Auf der einen Seite wird immer von digitaler Kompetenz geredet und die Vermittlung solcher Kompetenz versprochen. Wenn man sich die Budgets anschaut, stellt man aber fest, dass dafür kaum Geld bereitgestellt wird. Es mag sein, dass sehr viele Menschen E-Mail-Verschlüsselung für nicht wichtig ­halten oder damit überfordert sind. Wo ist aber die staatliche Förderung etwa für die Verbesserung von Verschlüsselungssoftware? Wenn die Politik mehr Mittel dafür zur Verfügung stellen würde, würden sich diese Kompetenzen viel schneller verbreiten.

Wie groß schätzen Sie die Bereitschaft von Nutzerinnen und Nutzern ein, sich solche Kompetenzen an­zueignen? Die datenbasierte Online-Ökonomie kann ganz schön ­bequem sein.
Den meisten Nutzerinnen und Nutzern sind die Ausmaße ihres Handelns überhaupt nicht bewusst. Selbst mir fällt es schwer, die Datenspuren, die ich mit jedem Klick hinterlasse, einzuordnen. Es ist eher ein Ohnmacht­gefühl, das es schwer macht, über diese Begriffe zu diskutieren. Dann gibt es das sogenannte Privacy-Paradoxon, das besagt, dass die Langfristigkeit des ­eigenen Handelns für die meisten Menschen schwer zu begreifen ist, wenn man kurzfristig einfach ein schönes Nutzererlebnis hat. Davon profitiert der Datenkapitalismus.

Kann die digitale Wirtschaft gemeinwohlorientiert organisiert werden oder ist es zu spät, da sie jetzt in den Händen einiger weniger Monopolisten liegt?
Nein, ich glaube nicht, dass es zu spät ist. Früher haben sich diejenigen, die die Technik entwickelt haben, nie ­Gedanken über Datenschutz gemacht, doch langsam vollzieht sich ein ­Bewusstseinswandel. Heute wird in der digitalen Welt Datenschutz von ­Anfang an mitgedacht.

Steht die Politik vor einer Art Machtprobe mit dem IT-Konzernen? ­Bedroht der digitale Kapitalismus die Demokratie?
Die Machtkonzentration in der Hand weniger Konzerne wie Facebook und Google ist selbstverständlich eine Gefahr für die Demokratie. Allein schon dann, wenn diese Unternehmen immer wieder Schlupflöcher finden, um die Regeln zu umgehen. Mit dem, was wir bei ihnen hinterlassen, haben die ­Unternehmen auch zumindest theoretisch die technische Möglichkeit, in ­unsere Demokratie einzugreifen. Deswegen brauchen wir hier ganz klar checks and balances, weil diese Machtkonzentration einfach zu groß geworden ist.