Auf der tunesischen Insel Djerba soll in einem Pilotprojekt die politische Mitbestimmung gestärkt werden

Insel der Jugend

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Sie sollten dafür sensibilisiert werden, wie sie ihr Viertel verändern können, etwa indem sie an der Umgestaltung des Sportplatzes mitwirken. Einige Kinder und Jugendliche machen bereits mit. Vor zwei Wochen säuberten sie mit Iskender den Sportplatz vom Müll und bemalten die Mauer an der rechten Seite des Platzes. »Das kleine Häuschen beim Platz werden wir vergrößern und daraus einen Computerraum für die Frauen machen. Außerdem soll auf einem Teil des Platzes eine Grünfläche mit Bänken gebaut werden, für die Familien. Die restliche Fläche bleibt Sportplatz, damit die Jugendlichen zum Beispiel Fußball spielen ­können«, erzählt Iskender enthusiastisch. Für die größeren Umgestaltungsmaßnahmen hat Tunaruz eine Bau­firma beauftragt, die von UN Habitat bezahlt wird.

»Man hört den Jugendlichen nicht zu, die Erwachsenen treffen
die Entscheidungen, ohne sie einzubeziehen.« Bachir Iskender, stellvertretender Vorsitzender des Vereins Tunaruz

Eine Chance für mehr Beteiligung der Jugendlichen und die Schaffung ­demokratischer Entscheidungsstrukturen sieht Omrane im Dezentralisierungsprozess, der zu lokaler Selbstverwaltung führen soll. Bisher werden Gouverneure und deren Delegierte auf der Ebene der Regierungsbezirke vom Innenministerium in Tunis ernannt. Die Bürgermeister werden direkt gewählt, aber von den Gouverneuren und ihren Delegierten überwacht. Bei den Gemeindewahlen im Mai soll eine Gemeindeversammlung direkt gewählt werden, an deren Vertreter die Gouverneure Entscheidungsbefugnisse in den Bereichen Wirtschaft und lokale Entwicklung abgeben sollen.

Diese Form der Selbstverwaltung ist in Artikel 132 der tunesischen Ver­fassung von 2014 festgeschrieben. Sie wird aber durch die Artikel 14 und 138 eingeschränkt, die vorsehen, dass Zentralregierung und -verwaltung das ­politische Handeln auf der kommunalen Ebene »zur Wahrung der nationalen Einheit« kontrollieren. Es könnte also sein, dass wichtige Entscheidungen weiterhin vom Innenministerium in Tunis getroffen werden.

Was die Dezentralisierung in Midoun angeht, die von der Gesellschaft für ­Internationale Zusammenarbeit (GIZ) begleitet wird, ist Omrane optimistisch. Bereits im Januar wurde dort auf der Verwaltungsebene ein partizipativ kontrolliertes Budget eingeführt, bei dem Vereine wie Tunaruz in die Entscheidungsfindung über Gemeindeausgaben einbezogen wurden. »Wir haben sechs Parteien eingeladen und sie haben uns über das Gemeindebudget aufgeklärt. Voriges Jahr haben sie sieben Millionen Dinar (umgerechnet etwa 2,35 Millionen Euro) ausgegeben, aber nur fünf Millionen von Tunis bekommen«, sagt Iskender. »Das bedeutet, sie haben zwei Millionen Dinar Schulden« – und das in der Gemeinde Südtunesiens, die die meisten Touristen zählt.

So wichtig der Dezentralisierungsprozess in Tunesien für die Demokrati­sierung ist, so zeigt das Budget von ­Midoun, wie schwierig die finanzielle Lage der Kommunen ist, insbeson­dere in den vernachlässigten Regionen. Für die Jugendlichen bietet die Aus­weitung der Partizipationsmöglichkeiten jedoch die Chance, sich auf der ­lokalen Ebene einzubringen und mehr mitzubestimmen.