Die Proteste gegen die Mietpreisexplosion in Berlin

An den Rand gedrängt

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Das war zumindest der Plan der Hausbewohner. »Wir hatten bereits alles vorbereitet, ein Sanierungskonzept erarbeitet, mit dem Bezirk geredet. Für uns war klar: Wir wollen ein solidarisches, selbstverwaltetes Projekt.« Die Hausgemeinschaft hatte Kontakt zum Mietshäusersyndikat aufgenommen, zwei Stiftungen und eine ökologisch orientierte Bank für die Finanzierung des Kaufs gewonnen. Letzlich scheiterte der Plan jedoch. Der Investor ging auf die Bedingungen des Bezirks ein und kaufte das Haus. Damit sei die Gefahr, verdrängt zu werden, aber nicht gebannt, fürchtet Woinzeck: »In 20 Jahren ist die Erklärung des Käufers ungültig. Dann beginnt das Spiel von Neuem.« Zur Zeit suche man nach einem »Investor mit Herz«, der der Hausgemeinschaft helfen könnte, ihr Projekt doch noch zu realisieren.

Für den Rückkauf nicht nur eines einzigen Hauses, sondern mehrerer Häuserblöcke – insgesamt 1 900 Wohnungen, in denen über 5 000 Menschen leben – durch den Berliner Senat engagiert sich Peter Schmidt. Auch er ist am Samstag zur Mietendemonstration gekommen. Schmidt ist einer der Sprecher des Mieterprotests Kosmosviertel. Das Plattenbauviertel liegt im Stadtteil Altglienicke, am südöstlichen Rand der Hauptstadt, nur zwei Kilometer vom Flughafen Schönefeld entfernt. Die Häuser, um die es geht, sind in den letzten Jahren der DDR errichtet worden. 1996 verkaufte der Berliner Senat sie an einen privaten Investor.

»In den letzten 28 Jahren ist nichts an den Häusern gemacht worden«, sagt Schmidt. »Jetzt werden Sanierungen – ich meine: Scheinsanierungen – vorgenommen. Das wahre Ziel ist die Spekulation mit den Häusern.« Der Rentner wohnt selbst nicht im Kosmosviertel. Ende vergangenen Jahres haben Freunde, die in den Häusern wohnen, die nun energetisch modernisiert werden sollen, ihn zu Hilfe gerufen. »Direkt vor Weihnachten hat die Hausverwaltung die Sanierung angekündigt. Das war erst einmal ein Schock«, erzählt Klaus, der seinen richtigen ­Namen aus Angst vor Konsequenzen nicht nennen möchte. »Im April 2017 haben sie dann mit der Sanierung begonnen. Seit letztem Monat zahlen wir mehr Miete. Jetzt kämpfen wir ganz schön mit dem Geld.«

Anders als der Weddinger Kiez, in dem Woinzeck wohnt, ist das Kosmosviertel kein Milieuschutzgebiet. Die gibt es in Berlin bislang nur im innerstädtischen Bereich. Doch die Menschen, die im Kosmosviertel wohnen, sind mittlerweile auch von Verdrängung bedroht. »Bis zum Beginn des großen Immobilienbooms gab es hier viel Leerstand. Dann hat der Vermieter die Häuser nach und nach mit Leuten mit kleinem Portemonnaie gefüllt«, erzählt Schmidt. Die Kinderarmut liegt im Kosmosviertel bei über 50 Prozent. Der Anteil der Arbeitslosen ist doppelt so hoch wie im Berliner Durchschnitt. Wer hier wohnt, ist oft schon zuvor aus einer besseren Wohnlage verdrängt worden.

Schmidt und seine Mitstreiter befürchten, dass die Bewohner nun auch noch aus dem Kosmosviertel verdrängt werden. Über die Hälfte der Mieterinnen und Mieter seien nicht in der Lage, die höheren Mieten zu zahlen. Dass durch die energetische Modernisierung Heizkosten eingespart werden, helfe da nicht weiter. »Einer Mieterhöhung von 100 Euro steht einer Heizkosteneinsparung von womöglich höchstens fünf Euro gegenüber«, rechnet Schmidt vor. Für Klaus ist klar: »Mit meinem Einkommen finde ich woanders keine Wohnung mehr.«