Homestory

Homestory #12


Frühling also. Vergangene Woche erinnerten wir an dieser Stelle daran, dass er für die Meteorologen schon Anfang März angefangen hat. Aber auch astronomisch hat seit Dienstag der Frühling begonnen. Das hielt den Winter freilich nicht davon ab, am Wochenende nochmal mit Macht zurückzukehren: Am Samstag waren Besucherinnen und Besucher der Leipziger Buchmesse von einem zeitweiligen technischer Totalausfall des dortigen Hauptbahnhofs betroffen.

Einem Totalausfall glich auch die Reaktion der Messeleitung auf das Auftreten faschistischer Verlage und ihrer Anhängerschaft. Trotz »lautstarker Auseinandersetzungen« und »kleiner Rangeleien« habe sich die Veranstaltung »als Hort des friedlichen Diskurses und der Meinungsfreiheit« gezeigt. So friedlich es halt sein kann, wenn die geistigen Nachfahren der Bücherverbrenner von 1933 aggressiv durch die Messehallen patrouillieren und ihre Führer vom »Sturz des Regimes« schwadronieren.

Eine Kollegin aus der Geschäftsführung hatte in weiser Voraussicht gleich die Messe gemieden und war stattdessen lieber mit einem örtlichen Jungle World-Korrespondenten in eine Leipziger Wirtschaft entschwunden – der Konsum geistiger Getränke dort könnte intellektuell womöglich gehaltvoller gewesen sein als ein Besuch der Messe. Ein anderer Kollege hingegen musste in dünner Übergangsjacke mit Tausenden anderen stundenlang auf einen Zug warten. Ob er das nächste Opfer der Grippewelle wird, die in diesem Winter, der einfach dem Frühling nicht weichen will, nun zum dritten Mal die Redaktion Ihrer kleinen, aber feinen Wochenzeitung heimsucht? Am Montag jedenfalls, mitten in der Schlussproduktion, war die Ausfallrate unter den Kolleginnen und Kollegen höher als in einer durchschnittlichen Rede von André »Kameltreiber« Poggenburg. Da wollte vermutlich die künstliche Intelligenz des redaktionseigenen Laserdruckers nicht abseits stehen und verabschiedete sich ebenfalls aus dem Dienst.

Wenig frühlingshaft ist auch die Lage im Nahen und Mittleren Osten. Gut sieben Jahre ist es her, dass in Tunesien eine spontan entstandene soziale Bewegung den autoritären Präsidenten Ben Ali von der Macht vertrieb. Es sollte der Auftakt zu einer ganzen Reihe von Ereignissen sein, die schnell die Hoffnung auf einen »Arabischen Frühling« gedeihen ließen. Eine Hoffnung, die fast genauso schnell wieder verlorenging – angesichts niedergeschlagener Aufstände, neuer autoritärer Regime, der Islamisierung und blutiger Bürgerkriege. Viele Linke und Rechte wollen das alles schon vorher gewusst haben. Demokratisierung und soziale Gerechtigkeit? Doch nicht in dieser Region der Welt!

Dagegen wollen die Redaktionen von Jungle World und iz3w weiter an der Hoffnung auf Emanzipation festhalten und fragen deshalb in einer gemeinsamen Veranstaltung: »Was bleibt vom Arabischen Frühling?« am Donnerstag um 20 Uhr im »K-Fetisch«, Wildenbruchstr. 86, Berlin-Neukölln (mehr Informationen gibt es auf unserer Facebook-Seite). Sie sind herzlich eingeladen – bringen Sie bitte frühlingshafte Temperaturen mit.