Deutsche Autokonzerne hinken bei der Motorenentwicklung hinterher

Autobranche unter Druck

Seite 2 – Die Kunkurrenz ist längst weiter

 

Andere Hersteller sind da schon weiter als die deutschen. So will Toyota in Europa bald gar keine Diesel-Pkw mehr verkaufen. Die Auslaufphase werde schon in diesem Jahr beginnen, meinte Johan van Zyl, Präsident von Toyota Motor Europe, in Genf. »Wir werden keine neue Dieseltechnologie für Pkw mehr entwickeln, wir werden uns auf Hybride konzentrieren«. Im vergangenen Jahr hatte die japanische Firma die Verkäufe in dieser Sparte um fast 50 Prozent steigern können. Toyota hat bereits vor zwei Jahrzehnten das erste Hybrid-Modell auf den Markt gebracht, was damals in Deutschland eher belächelt wurde.

Die französische PSA-Gruppe, zu der neben Peugeot und Citroën inzwischen auch Opel gehört, will einen ähnlichen Weg einschlagen. PSA-Vorstand Carlos Tavares sprach in Genf vom »Dieselkollaps«, der bereits jetzt klare Konsequenzen nach sich ziehe.

Aber nicht nur im Vergleich zur etablierten Konkurrenz hinken deutsche Hersteller bei der Motorenentwicklung hinterher. Daimler oder BMW könnten auch von Branchenneulingen, die sich auf Elektroautos spezialisiert haben, überholt werden. Die US-Firma Tesla aus Kalifornien und der chinesische Hersteller Nio können mittlerweile in einigen Sparten wettbewerbsfähige Modelle präsentieren. Nicht ausgeschlossen, dass Google und Apple demnächst mit eigenen Produkten auf dem Markt kommen. Deutsche Ingenieurskunst könnte da plötzlich sehr alt aussehen.

Bis ihre kommenden Modelle ausgereift sind, brauchen die deutschen Hersteller noch einige Zeit – Zeit, die sie eigentlich kaum mehr haben. Ihnen bleibt daher wenig anderes übrig, als die bisherige Technik so lange wie möglich weiter zu betreiben. So wirkt es auch nicht überraschend, wenn Müller in Genf von »einer Renaissance des Diesels« orakelte, mögen auch alle Anzeichen dagegen sprechen. »Auf dem Weg ins emissionsfreie Zeitalter brauchen wir den Diesel, um unsere Umweltziele zu erreichen«, erklärte er. Im Zweifelsfall können die »systemrelevanten« Hersteller sicherlich auch mit staatlichem Entgegenkommen rechnen.

Eine besonders einfache Lösung des Problems hat der VDA parat, die er wenige Stunden nach dem Leipziger Urteil verkündete. Weil die aktuellen Dieselmodelle die Abgaswerte einhalten können, sei die Luftqualitätsfrage »ohnehin gelöst«, hieß es in einer Presseerklärung. Die Kunden müssten sich also einfach nur neue Autos kaufen.

Für ihre alten Karren gibt es ebenfalls eine Perspektive. So ist die Zahl älterer ins Ausland verkaufter Diesel-Pkw im vergangenen Jahr um 18 Prozent auf 233 000 angestiegen, wie die Wirtschaftswoche kürzlich unter Berufung auf die Außenhandelsstatistik berichtete. Besonders gestiegen sei demnach die Zahl der Verkäufe nach Osteuropa. Dem polnischen Samar Automotive Market Research Institute zufolge wurden 2017 insgesamt knapp eine Million Gebrauchtwagen nach Polen importiert.

Jenseits der Oder stößt diese Nachricht nicht gerade auf Begeisterung. Von einer »Katastrophe« spricht die Vereinigung der Automobilfabriken Polens (PZPM), sollte »eine Million weiterer älterer Modelle« ihren Weg von Deutschland nach Polen finden. Schon jetzt ist die Luft in Warschau und anderen osteuropäischen Städten sehr schlecht, auch weil dort noch Uralt-Diesel der Normen Euro 0 bis Euro 3 unterwegs sind. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation liegen 33 der 50 dreckigsten Städte Europas in Polen.

Doch das interessiert die deutsche ­Autoindustrie vermutlich wenig. Hauptsache, in Wolfsburg können Autos bald fliegen.