Bei den Präsidentschaftswahlen in Russland hat Putin kaum Konkurrenz zu fürchten

Wahlkampf ohne Konkurrenz

Zur russischen Präsidentschaftswahl im März wurden bislang nur wenige Kandidaten zugelassen. Der Sieger scheint ohnehin schon festzustehen.

Wer am 18. März den Sieg bei der russischen Präsidentschaftswahl davontragen wird, steht eigentlich längst fest. In welchem Maß die russische Bevölkerung eine weitere Amtszeit von Wladimir Putin unterstützt, lässt sich zwar nicht verlässlich messen. Die bevorstehenden Wahlen sollen allerdings ein gutes Ergebnis bei hoher Wahlbeateiligung für den langjährigen Amtsin­haber bringen.

Das stellt die russische Regaierung vor die Herausforderung, möglichst viele Menschen zur Stimmabgabe zu bewegen – was sich einfacher anhört, als es ist. In der tschetschenischen Republik erhielt Putin bei den Wahlen 2012 zwar fast 100 Prozent der Stimmen bei fast 100 Prozent Wahlbeteiligung, doch dort gibt es besondere Mittel und Wege, um ein solches Ergebnis zu erzielen. Im Rest des Landes sollen sich Ergebnisse und Methoden eher an westlichen demokratischen Gepflogenheiten ausrichten. Um zumindest ein wenig ­Interesse an der Veranstaltung zu wecken, müssen andere vorzeigbare Kandidaten und Kandidatinnen antreten, am besten ohne relevante Anhängerschaft und ohne Ambitionen, tatsächlich Präsident zu werden. Sachliche ­Debatten sind unerwünscht. Zudem erfordert es die gewünschte triumphale Wiederwahl Putins auch, gegen jene vorzugehen, die es mit Wahlen ernst meinen.

Alexej Nawalnyj ist wegen seiner großangelegten Antikorruptionskampagne der bekannteste Oppositionelle. Dass ihm die Zulassung zu den Wahlen aufgrund einer Verurteilung verweigert wurde, verwundert kaum. Man wagt nicht einmal zu erproben, wie viele Stimmen ein regierungskritischer Politiker trotz aller Beschränkungen auf sich vereinen könnte. Dabei verfügt Nawalnyj wie alle relevanten Oppositionellen über keinen Zugang zu den staatlich kontrollierten Medien und die unabhängige Presse sowie kritische Internetportale erreichen nur ein ­re­lativ kleines Publikum. Zudem ist Nawalnyj selbst in Oppositionskreisen umstritten. Manche nehmen ihm übel, dass er in seinem Wahlprogramm eine Kompensationssteuer für in den Neunzigern illegal privatisiertes Staatseigentum fordert. Andere stören sich an ­seiner nationalistischen Attitüde, auch wenn nur wenige seine Forderungen nach Einführung einer Visum­pflicht für Migranten und Migrantinnen aus Zentralasien und dem Südkaukasus offen kritisieren.

Um zumindest ein wenig Interesse an der Veranstaltung zu wecken, müssen andere vorzeigbare Kandidaten und Kandidatinnen antreten.

Guten Gewissens konnte Ella Pamfilowa, die Leiterin der zentralen Wahlkommission, vermelden, dass ihre Behörde Dutzende potentielle Kandidatinnen und Kandidaten wegen formaler Mängel abgelehnt hat. Im Fernsehen bezeichnete sie diese Etappe mit einem Begriff, der sich am ehesten mit »Freakshow« übersetzen lässt. So hat das Publikum wenigstens etwas zu ­lachen.

Einige haben es noch nicht einmal bis zu einem Antrag bei der Wahlkommission gebracht. Bereits im Juni 2017 hatte die Vereinigung russischer Transportunternehmer (OPR) bekundet, ­ihren Vorsitzenden, Andrej Baschutin, als Präsidentschaftskandidaten auf­zustellen. Dem waren mehrere großangelegte Streiks und Protestaktionen von LKW-Fahrern gegen eine Mautgebühr und für Reformen in der Logistikbranche vorausgegangen, die die Staatsmedien geflissentlich ignorierten. Von einer Beteiligung am Wahlkampf versprachen sich die Trucker öffentliche Aufmerksamkeit für ihre Anliegen, viele von ihnen haben sich in den vergangenen zwei Jahre politisiert. Im Dezember wurde die OPR dann als »ausländischer Agent« eingetragen, somit hätte Baschutin nur noch als Kandidat einer Initiativgruppe von 500 Personen benannt werden können. Aber auch das scheiterte. Die Polizei nahm ihn kurzerhand fest, ein Gericht verurteilte ihn zu Administrativhaft, und statt ihn nach 15 Tagen freizulassen, konfrontierten ihn die Behörden mit der Neuauflage alter ­Anschuldigungen, darunter des Abhaltens einer angeblich nicht genehmigten Demonstration im Juni 2017. Schließlich fanden sich nur 50 Personen bei der für die Aufstellung unabhängiger Kandidaten gesetzlich vorgeschriebenen Versammlung ein.

Übrig bleiben bislang der rechtspopulistische Polit­veteran Wladimir Schirinowskij und der Überraschungskandidat der Kommunistischen Partei (KPRF), Pawel Grudinin. Letzterer ist Direktor der Lenin-Sowchose, einer ­Agrarholding bei Moskau, und nicht einmal Parteimitglied. Alle anderen Bewerber müssen bis Ende Januar mindestens 100 000 Unterschriften vor­legen, sofern sie einer Partei angehören, beziehungsweise 300 000, falls sie als Unabhängige antreten. Vielleicht nimmt auch die Fernsehmoderatorin Xenia Sobtschak diese Hürde. Beliebt ist sie nicht, Unzufriedene auf die Straße ­treiben will sie auch nicht. Wegen ihrer verbalkritischen Positionierung zu ­Putin, einem engen Vertrauten ihres Vaters, des ehemaligen Bürgermeisters von St. Petersburg, spielt sie für den Kreml eine fast schon partnerschaftliche Rolle als zahme Oppositionelle. Da kann niemand sagen, der Präsident vertrage keine Kritik. Immerhin stellt sie sich offen gegen den Mainstream, wenn sie konstatiert, die Krim gehöre nach internationalem Recht zur Ukraine. Besser wäre es, andere würden dies tun. Viele Oppositionelle ziehen einen Wahlboykott vor, zu dem Nawalnyj aufgerufen hat.