11.01.2018
In Ungarn will eine regierungsnahe Stiftung mit prominenten Rechtsextremen konferieren

Rechtsextremismus ist Regierungssache

Eine von der ungarischen Regierung finanzierte Stiftung möchte in Budapest eine Konferenz zur »Zukunft Europas« abhalten. Rechts­extreme Parolen stehen im Programm ebenso wie rechtsextreme Redner.

Während seines Besuchs bei der CSU-Landesgruppe am 5. Januar übte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán harsche Kritik an der deutschen Flüchtlingspolitik: In Europa hätten Spitzenpolitiker vielerorts nicht das gemacht, was das Volk gewollt habe; er hingegen habe die Grenzen geschützt. 2018 müsse zum »Jahr der Wiederherstellung des Volkswillens« werden. Orbáns Kritik richtete sich vor allem ­gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die regierungsnahe ungarische Medien gelegentlich als ehemalige jungkommunistische Agitprop-Politikerin bezeichnen. Dagegen lobte der ungarische Ministerpräsident die CSU und ihren Vorsitzenden Horst Seehofer.

Um den sogenannten Volkswillen und den Grenzschutz soll es bald auch in Budapest gehen. Ursprünglich vom 23. bis 25. Januar sollte dort eine internationale Konferenz mit dem Titel »Die Zukunft Europas« stattfinden. Finanziert wird diese Veranstaltung ­unter anderem vom ungarischen Außenministerium. Organisator ist die »Öffentliche Stiftung für mittel- und osteuropäische Geschichts- und Gesellschaftsstudien«. Ihre Leitung wurde von der ungarischen Regierung eingesetzt, von der die Stiftung auch ihre Mittel erhält. Generalsekretärin ist die Orbán-Vertraute Mária Schmidt. Kurzfristig gaben die Veranstalter am Dienstag bekannt, die Konferenz erst im Mai abhalten zu wollen, also nach den un­garischen Parlamentswahlen im April.

Die Veranstalter schreiben über die Konferenz: »Auf die vier Visegrád-Länder (Tschechien, Polen, Slowakei und Ungarn) wartet eine herausragende Rolle bei der Ausgestaltung der Zukunft unseres Kontinents.« Ganz im rechtsextremen Jargon bemitleiden sie sich selbst als Opfer des »Kampfs von Kulturen in Europa« und fragen: »Können die Zensur, die Brandmarkung Andersdenkender, der immer stärker werdende kulturelle Selbsthass besiegt werden? Wird Europa der neue Schmelz­tiegel werden? Opfern wir aus kulturellem Schuldbewusstsein oder aus purer Berechnung das Christentum, unsere Freiheit, unsere Lebensart?« Auf der Konferenz soll auch über »geopolitische Herausforderungen«, »die Zukunft der künstlichen Intelligenz« und »die Visegrád-Staaten als wirtschaftlicher Motor Europas« debattiert werden. Für große Aufmerksamkeit sorgte die Wahl des Hauptredners am Eröffnungstag: Der Blogger und Journalist Milo Yiannopoulos sollte eigentlich sprechen. Der britische Antifeminist, selbsternannte »rechte Bastard« und antimuslimische Kulturkrieger gelangte als Redakteur des rechtsextremen Nachrichtenportals Breitbart News zu einiger Berühmtheit.

 

Im Oktober 2017 wurde ein E-Mail-Verkehr zwischen Yiannopoulos und seinen damaligen Breitbart-Kollegen bekannt, in dem der Journalist wiederholt auch Neonazis und Anhänger einer white supremacy um Ideen für Publikationen ­gebeten hatte.

 

Im Oktober 2017 wurde ein E-Mail-Verkehr zwischen Yiannopoulos und seinen damaligen Breitbart-Kollegen bekannt, in dem der Journalist wiederholt auch Neonazis und Anhänger einer white supremacy um Ideen für Publikationen ­gebeten hatte.
Nachdem die Einladung von Yiannopoulos öffentlich geworden war, brach bei ungarischen Regierungs­anhängern ein Sturm der Entrüstung los – nicht etwa wegen der politischen Ansichten des Referenten, die ja ganz auf deren Linie liegen, sondern wegen dessen sexueller Orientierung. Yianno­poulos lebt offen homosexuell. Zudem sagte er in einem Interview, sexuelle Beziehungen zwischen erwachsenen Männern und 13jährigen Jungen könnten einvernehmlich sein. Das ist offenbar zu viel für das ungarische Publikum. Die Veranstalter nahmen das Programm der Konferenz vorläufig von ihrer Website, noch bevor sie diese auf Mai verschoben haben.

Am zweiten Konferenztag soll den bisherigen Plänen zufolge der Soziologe Frank Furedi, einen Vortrag halten, der Autor des im August 2017 erschienenen Buchs »Populism and the European Culture Wars: The Conflict of Values between Hungary and the EU«. Er flüchtete nach dem gescheiterten Aufstand in Ungarn 1956 mit seinen Eltern nach Kanada und lebt seit 1969 in England, wo er an der Universität Kent lehrte. In den siebziger Jahren war er Gründer und Vorsitzender der trotzkistischen Revolutionary Communist Party. Zurzeit schreibt der emeritierte Professor für das britische Online-Magazin Spiked, auf dem rechtslibertären bis rechtspopulistischen Blog »Achse des Guten« veröffentlichte er Beiträge als Gastautor. Als er sich voriges Jahr längere Zeit in Budapest aufhielt, stellte Furedi auf seinem Blog fest: »Jegliche Äußerung nationaler Gefühle, nationalen Stolzes oder Bewusstseins wird heute von EU-nahen Medien als eine Form von Ausländerfeindlichkeit verurteilt. Nationale Identität wird als erster Schritt auf dem Weg zu Rassismus, Faschismus und schließlich zum Holocaust dargestellt.« Auf der Konferenz möchte er die ungarische Regierung »von einem liberalen Standpunkt aus« verteidigen.

Am selben Nachmittag soll nach bisherigem Informationsstand auch Götz Kubitschek, der Leiter des rechtsextremen Verlags Antaios, Herausgeber der Zeitschrift Sezession, Ideologe der deutschen Neuen Rechten und Freund der AfD, einen Vortrag über »Migration, Ansiedlung und die Zukunft« Europas halten. Zudem sollen der ungarische Außenminister Péter Szijjártó und Tamás Deutsch, ein Europaabgeordneter der ungarischen Regierungspartei Fidesz, auf der Konferenz sprechen. Deutsch ist als Referent zum Thema »künstliche Intelligenz« vorgesehen – ungarische Regierungskritiker sagen scherzhaft, künstliche Intelligenz sei angesichts seines Mangels an Verstand die einzige Hoffnung des Politikers.

Die Einladung Rechtsextremer wie Kubitschek und Yiannopoulos sowie eines Soziologen wie Furedi, der rechtspopulistische Thesen verbreitet und die rassistische und antisemitische Politik der ungarischen Regierung verteidigen möchte, zeigt erneut, wie es um deren Politik tatsächlich steht. Lange Jahre hat die Fidesz-Regierung Partnern im Ausland eingeredet, sie sei der Garant dafür, dass die rechtsextreme Partei Jobbik nicht an die Macht gelange. Doch in dieser Zeit wurde ­Fidesz selbst rechtsextrem, während Jobbik versucht, ihr rechtsextremes ­Erscheinungsbild zu schönen. Im April soll in dem Land ein neues Parlament gewählt werden. Fidesz führt einen permanenten Wahlkampf unter anderem mit der Fortsetzung der antisemitischen Kampagne gegen den Investor George Soros, dem unterstellt wird, jährlich eine Million Flüchtlinge nach Europa bringen zu wollen. Wie auch immer die Wahl ausgehen wird: Die Konferenz passt zur Stimmung im Land.