In Korsika haben die Nationalisten die Regionalwahlen gewonnen

Kantersieg auf Korsika

Korsische Nationalisten haben bei den Regionalwahlen auf der französischen Insel eine klare Mehrheit erlangt.

Diese Woche fing auf Korsika ausgesprochen stürmisch an. Windböen von ungefähr 140 Stundenkilometern jagten am Montag über die Westküste der Mittelmeerinsel hinweg. Ganz so stürmisch ging es in der Politik nicht zu, obwohl der Ausgang der Regional­wahlen auf der gut 300 000 Einwohner zählenden Insel an den vergangenen zwei Sonntagen Überraschungen bereithielt.

Bei den Wahlen zum Regionalparlament erzielte die unter dem Namen Pè a Corsica (Für Korsika) angetretene gemeinsame Liste von Autonomie- und Unabhängigkeitsbefürwortern auf Anhieb die meisten Stimmen. Die von den Anwälten Gilles Simeoni und Jean-Guy Talamoni geführte Liste, deren Gruppen trotz unterschiedlicher Strategien unter dem Begriff »korsische Nationalisten« zusammengefasst werden, erhielt im ersten Durchgang 45,4 Prozent und in der Stichwahl stattliche 56,5 Prozent der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag allerdings nur bei rund 47 Prozent.

1975 hatte die bewaffnete Gruppe Action Régionaliste Corse ein Weingut in Aléria besetzt, es folgten weitere bewaffnete Aktionen von Separatisten. Bis in die neunziger Jahre wurden korsische Nationalisten auf dem französischen Festland daher generalisierend als »Bombenleger« wahrgenommen. Dennoch hat das jüngste Wahlergebnis dort kaum jemanden erschüttert. Dies liegt nicht nur daran, dass korsische Separatisten 2014 die letzten Waffen abgegeben haben. Der französische Premierminister Édouard Philippe schickte am Sonntagabend »republikanische Glückwünsche« an die Wahlsieger und erklärte sich bereit, Simeoni bald zu Gesprächen in Paris zu empfangen.

Am 1. Januar 2018 tritt in Frankreich eine Gebietsreform in Kraft. Die beiden französischen Verwaltungsbezirke auf Korsika werden abgeschafft und die Region erhält mehr Vollmachten, anders als deutsche Bundesländer allerdings noch immer keine Gesetzgebungsbefugnis. Dank dieser Reform und der absoluten Mehrheit im Regionalparlament haben die korsischen Nationalisten nun mehr Möglichkeiten, in ihrem Sinne zu regieren. Das klingt keineswegs immer so romantisch wie korsische Volksmusik.

Als das katalanische Referendum im Oktober die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien näherrücken ließ, begrüßte Talamoni diese Entwicklung demonstrativ. Mit dieser Meinung war er nicht alleine. Doch Talamoni, der einstige Vorsitzende der Partei Corsica Nazione, stellte vor den diesjährigen Wahlen klar, dass ein Votum über die Unabhängigkeit nicht zur Debatte stehe. Eine solche Möglichkeit sehe er eher »in zehn bis 15 Jahren«, sagte er. Und soweit die Ökonomie dies erlaube und die EU es unterstütze, fügten seine Mitstreiter an. Wirtschaftlich ist Korsika keineswegs so stark wie Katalonien. Geld wird legal vorwiegend mit Tourismus, halblegal mit Spielhöllen oder illegal in der organisierten Kriminalität – mit Verbindungen in ganz Frankreich – verdient.

 

Der Niedergang der Clans hat den Sieg der Nationalisten begünstigt

Ihren jüngsten Siegeszug verdanken die Nationalisten vor allem dem Niedergang der Parteien der »Clans«, der Großfamilien, die Ableger der politischen Parteien Festlandfrankreichs aufbauten und diese nutzten, um Sozialhilfe ebenso wie Arbeitsplätze beim französischen Staat fast nach Gutdünken zu verteilen. Dieser Niedergang wurde insbesondere seit der Verurteilung des ehemaligen korsischen Regionalpräsidenten und Abgeordneten des Parti radical de gauche, Paul Giacobbi, deutlich, der im Januar drei Jahre Haft und fünf Jahre Mandatsverbot wegen Korruption erhielt. Seither sind viele Mitglieder der etablierten profranzösischen Parteien zu den korsischen Nationalisten übergelaufen.

Zwei von deren gegenwärtigen politischen Vorhaben würden eine Änderung der Verfassung erfordern: zum einen die Forderung nach amtlicher Zweisprachigkeit, in Französisch und Korsisch, einer Sprache, die mit dem italienischen Dialekt im Raum Pisa verwandt ist; zum anderen die Forderung nach einem besonderen Immobilienrecht. Grund und Boden soll nur noch erwerben dürfen, wer seit mindestens fünf Jahren seinen Hauptwohnsitz auf Korsika hat. Tatsächlich sind etwa 40 Prozent der Privatwohnungen auf Korsika Zweitwohnsitze von Personen, deren Erstwohnsitz sich nicht auf der Insel befindet. Damit einher geht Landschaftszerstörung für den Tourismus.

Eine solche Reform könnte aber auf Korsika lebende und arbeitende Zuwanderer diskriminieren. Insbesondere Rassismus gegen maghrebinische Zuwanderer ist auch auf Korsika verbreitet. Bislang haben die korsischen Nationalisten mehrheitlich nicht rassistisch argumentiert. Talamoni wurde im Sommer 2000 allerdings von einem Aussteiger aus dem korsischen Nationalistenmilieu und in vereinzelten Presseberichten nachgesagt, Sympathien für die rechts­extreme italienische Partei Lega Nord zu hegen und Verbindungen zu ihr zu haben. Seither wurde über solche Kontakte jedoch nichts weiter bekannt.

In beiden Punkten, der Sprachpolitik und dem Grunderwerb, dürfte sich die französische Zentralregierung wenig kompromissbereit zeigen. Kompromisse scheinen dagegen in einer anderen Frage bereits im Stillen geplant worden zu sein, nämlich beim Umgang mit den vormals bewaffnet agierenden Separatisten, die von den Wahlsiegern als »politische Gefangene« bezeichnet werden. Offiziell fordern die korsischen Nationalisten deren Amnestie und Freilassung. In Wirklichkeit, so lassen Presseberichte durchblicken, könnten alle Seiten sich mit der Verlegung der Inhaftierten von Haftanstalten im Großraum Paris in Gefängnisse auf der Insel abfinden. Dass Korsika den katalanischen Weg zur Unabhängigkeit verfolgt, ob nun erfolglos oder erfolgreich, ist derzeit hingegen unwahrscheinlich.