In Australien mussten einige Abgeordnete wegen ihrer doppelten Staats­bürgerschaft zurücktreten.

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Australien wehrt sich derweil weiterhin vehement, in Lagern in Papua-Neuguinea internierte Asyl­suchende aufzunehmen.

Die australische Regierung befindet sich in einer besonderen Krise: Seit Juli mussten bereits neun Abgeordnete zurücktreten, nachdem sie herausgefunden hatten, dass sie als Inhaber zweier Staatsangehörigkeiten laut Verfassung nicht als Abgeordnete im fö­deralen Parlament dienen dürfen. (Für Landesparlamente gelten andere Regeln.) Der Verlust dieser Abgeordneten könnte die konservative Regierung ­unter Premierminister Malcolm Turnbull ihre ohnehin schon knappe Mehrheit kosten. Aber nicht nur die Regierungskoalition, sondern auch die Opposition ist von der Krise betroffen.

Australien ist ein Einwanderungsland, daher ist es nicht verwunderlich, dass viele der 24 Millionen Einwohner mehr als eine Staatsangehörigkeit haben. Manche dieser Doppelstaatsbürger, so auch viele der betroffenen Abgeordneten, waren sich nicht einmal bewusst, dass sie eine weitere, nicht australische Staatsangehörigkeit von ihren Eltern geerbt haben. Um ins ­Parlament einziehen zu dürfen, hätten diese Abgeordneten laut Verfassung ­allerdings auf auswärtige Staatsangehörigkeiten verzichten müssen.

 

Staatsbürgerschaftskrise im Parlament

Im Juli 2017 hatten zwei Abgeordnete der Grünen zufällig ihre doppelte Staatsbürgerschaft entdeckt und waren sofort zurückgetreten. Danach identifizierten die Medien eine Reihe potentieller Doppelstaatler. Der prominenteste war der stellvertretende Premierminister Barnaby Joyce, der zwar in Australien geboren wurde, aber als Sohn eines neuseeländischen Vaters bei der Geburt auch dessen Staatsangehörigkeit erhielt. Anders als die Grünen waren Mitglieder anderer Parteien unwillig, von ihren Posten zurückzutreten. Insgesamt sieben Abgeordnete waren im Ausland oder als Kinder von Doppelstaatlern geboren worden und mussten nun nachweisen, dass sie ausschließlich australische Staatsbürger sind beziehungsweise nicht von ihrer weiteren Staatsangehörigkeit wissen konnten.

In diesem Zusammenhang wurde auch heftig debattiert, ob die 116 Jahre alte Verfassung für einen modernen Einwanderungsstaat wie Australien noch zeitgemäß ist. Für eine Verfassungsänderung wäre ein Referendum notwendig. Um Klarheit zu schaffen, befasste sich das australische Verfassungsgericht im Oktober mit der Angelegenheit. Vor allem sollte es klären, ob auch jene Abgeordnete zurück­treten müssten, die nichts von ihrer doppelten Staatsangehörigkeit wussten. Das Gericht hielt sich an eine strenge Auslegung der Verfassung und entschied gegen fünf der sieben Ab­geordneten, von denen prompt vier zurücktraten. Seitdem sind vier weitere Abgeordnete zurückgetreten. Die Entscheidung des Gerichtes führt nun zu einer Nachwahl in New England, dem Wahlkreis von Barnaby Joyce, der dort 2016 mit großem Vorsprung gewonnen hatte. Sollte Joyce, der seine neuseeländische Staatsbürgerschaft mittlerweile abgelegt hat, wiedergewählt werden, wäre die Regierung Turnbull vorerst gerettet.

Angesichts der Staatsbürgerschaftskrise im Parlament, wo einige weitere Wackelkandidaten identifiziert wurden, kündigte der Premierminister an, dass alle Abgeordneten bis zum 5. Dezember eine eidesstattliche Erklärung über ihre Staatsangehörigkeit abliefern müssen. Die Krise entbehrt nicht einer gewissen Ironie, denn ausgerechnet die Regierung, die den Erwerb der australischen Staatsbürgerschaft erheblich erschweren wollte, muss nun eingestehen, dass einige ihrer Mitglieder sich nicht an die Verfassung gehalten haben.

 

Flüchtlinge und Asylsuchende werden auf den Inseln Manus und Nauru inhaftiert

Während das Parlament in der Hauptstadt Canberra weiterhin mit dem Krisenmanagement und der Rettung der jetzigen Regierung beschäftigt ist, spielt sich auf der Tausende von Kilometern entfernten Insel Manus, die zu Papua-Neuguinea gehört, eine ganz andere Krise ab, für die die aus­tralische Regierung verantwortlich ist. Diese interniert nämlich seit über vier Jahren Flüchtlinge und Asylsuchende auf Inseln wie Manus und Nauru. Mindestens sechs Menschen kamen bisher auf Manus ums Leben, wegen medizinischer Unterversorgung, durch Gewalt oder weil sie aus Verzweiflung Selbstmord begingen.

Bereits im April 2016 hatte das Oberste Gericht in Papua-Neuguinea befunden, dass die Inhaftierung von Asylsuchenden und Flüchtlingen in den Lagern nicht verfassungskonform sei, und daher deren unverzügliche Freilassung angeordnet. Daraufhin kündigte die australische Regierung an, die Lager auf Manus zum 31. Oktober 2017 aufzulösen, ohne jedoch eine Lösung anzubieten, was mit den Menschen danach passieren sollte. Zum Stichtag wurden die Wasser- und Stromversorgung ab­gestellt und die Insassen ihrem Schicksal überlassen. Alternative Unterkünfte waren noch nicht fertiggestellt. Außerdem weigerten sich die Inhaftierten, das Lager zu verlassen, weil sie Gewalt durch Einheimische fürchteten; diese Angst war wegen vieler vorheriger Übergriffe berechtigt. Einheimische hatten ohnehin alles, was sie tragen konnten, aus dem Lager geholt, nachdem das Wachpersonal abgezogen worden war. Um zu überleben, mussten die Asylsuchenden Regenwasser in Plastikbottichen auffangen.

Am 23. November rückte die lokale Polizei an und vertrieb unter Anwendung von Gewalt die über 300 ausharrenden Männer aus dem Lager. Obwohl die australische Regierung die Brutalität abstritt, bezeugen Video­mitschnitte das Chaos und die Gewalt. Mittlerweile befinden sich die Geflüchteten in drei neuen Unterkünften in der Nähe der Stadt Lorengau. Für das kommende Jahr hat Australien noch einmal 250 Millionen australische Dollar (160 Millionen Euro) für die Versorgung der Flüchtlinge zugesagt. Eine akzeptable Perspektive sieht anders aus.

 

Die Regierung lehnt jegliche Verantwortung ab

Obwohl Australien vollständig für die Finanzierung der Lager auf Manus und Nauru aufkommt, lehnt die aus­tralische Regierung jegliche politische Verantwortung ab und weigert sich, anerkannte Flüchtlinge von dort aufzunehmen. Stattdessen fordert sie die Flüchtlinge auf, in ihre Herkunftsländer zurückkehren, und stellt dafür auch Mittel bereit, obgleich die Sicherheit von Leib und Leben der Geflüch­teten dort nicht garantiert werden kann. Selbst Offerten der neuseeländischen Regierung, die seit mehreren Jahren anbietet, 150 Flüchtlinge aufzunehmen, lehnt die Regierung Turnbull vehement ab – mit der Begründung, dass die Flüchtlinge, wenn sie einmal die neuseeländische Staatsangehörigkeit hätten, letztlich ungehindert nach Australien einreisen und dort leben könnten.

Im September 2016 hatte sich Turnbull mit dem damaligen US-amerikanischen Präsidenten Barack Obama darauf geeinigt, dass die USA eine nicht festgelegte Zahl an Flüchtlingen aus Manus und Nauru aufnehmen. Australien sollte im Gegenzug Flüchtlinge aus von den USA betriebenen Flüchtlingslagern in Costa Rica aufnehmen. Nicht nur, dass solche Abkommen die Zusammenführung von Familienangehörigen von Flüchtlingen völlig außer Acht lassen – wegen der verschärften Sicherheitsprüfungen seitens der USA wurden wesentlich weniger Flücht­linge umgesiedelt als erhofft. Gerade einmal 54 von 1 111 Asylsuchenden und Flüchtlingen, darunter etliche Kinder, wurden in die USA gebracht.