Kommentar zum Streikverbot für kirchliche Arbeitnehmer

Dienet dem Herrn mit Freuden

Das kirchliche Arbeitsrecht sieht keine Tarifkonflikte vor. Doch in einer katholischen Klinik wurde nun gestreikt.
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Die Kirchen sind mit 1,3 Millionen Beschäftigten nach dem Staat der größte Arbeitgeber in Deutschland, der jährliche Umsatz ihrer Betriebe wird auf 129 Milliarden Euro geschätzt. Finanziert werden die meisten dieser Betriebe zu weit mehr als 90 Prozent vom Staat und aus Beiträgen zu Pflichtversicherungen – und sie genießen ­einen Status, von dem andere Unternehmer träumen: Das Betriebsverfassungsgesetz gilt für sie nicht.

Unter den zahlreichen Privilegien der Kirchen ist das kirchliche Arbeitsrecht wohl das bedeutendste. Es gestattet sogar, Beschäftigte wegen eines unkeuschen Sexuallebens zu entlassen. Solche Regeln will selbst die katholische Kirche nur noch auf Personal mit »besonderer Loyalitätspflicht« anwenden. Mit Gewerkschaftern, die sich noch in den achtziger Jahren in vielen kirchlichen Einrichtungen nur konspirativ treffen konnten, redet man mittlerweile. Doch eisern halten die Kirchen am Grundsatz des »Dritten Weges« und der »Dienstgemeinschaft« fest. Diese »Dienstgemeinschaft« – richtig geraten, der Begriff kommt aus dem nationalsozialistischen Sprachgebrauch – bedeutet aus kirchlicher Sicht, dass es im Betrieb keine Interessenkonflikte gibt, da man gemeinsam im Auftrag des Herrn unterwegs ist. Schließlich lehrt Psalm 100:2: »Dienet dem Herrn mit Freuden.« Da sind keine Tarifverhandlungen vorgesehen und ein Streikrecht gibt es schon gar nicht.
Oder doch? Die Gewerkschaft Verdi hat es nun endlich einmal darauf ankommen lassen. Am Mittwoch vergangener Woche traten Beschäftigte der katholischen Marienhausklinik in Ottweiler (Saarland) in einen 24stündigen Warnstreik. Die Klinikleitung droht mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen, Verdi bietet den Fachanwalt Bernhard Baumann-Czichon auf. Die juristische Lage ist unklar, gegen die kirchlichen Privilegien stehen Grundsätze des deutschen und europäischen Rechts. Es handelt sich jedoch vor allem um eine politische Auseinandersetzung, und man muss bezweifeln, dass den Solidaritätserklärungen von Politikern der SPD und der Linkspartei für die Streikenden in Ottweiler Taten folgen werden.

Denn es erleichtert die Verwaltung des Pflegenotstands, wenn jene etwa 60 Prozent der Beschäftigten, die für kirchliche Träger arbeiten, sich nicht an Tarifkonflikten und Streiks beteiligen dürfen. Zudem möchte man sich nicht mit den einflussreichen Kirchen anlegen. Dass diese auf ihrem »Dritten Weg« bestehen, mag mittlerweile eher machtpolitische als ideologische Gründe haben, doch die »Dienstgemeinschaft« ist ein reaktionär-korporativistisches Relikt. Wenn die Kirchen nicht bereit sind, ihr zu entsagen, sollten ihre Betriebe in öffentlich-rechtliche oder genossenschaftliche Trägerschaft überführt werden.