Der Kult um die berühmteste Tochter Albaniens: Mutter Teresa

Kratzer im Heiligenschein

Mutter Teresas Name steht für selbstlose Hilfe. Tatsächlich war sie eine religiöse Fanatikerin.

Am Dienstag vergangener Woche lag ihr Tod genau 20 Jahre zurück: Anjezë Gonxha Bojaxhiu, die wohl berühmteste Albanerin der Geschichte. Bekannt wurde sie freilich unter ihrem katholischen Ordensnamen – Mutter Teresa. Sie kam 1910 in Üsküb, das mittlerweile Skopje heißt, zur Welt. Bis kurz vor dem Ersten Weltkrieg gehörten das heutige Mazedonien wie auch das heutige Albanien zum Osmanischen Reich. Als Tochter reicher Eltern besuchte sie im nordalbanischen Shkodra eine katholische Mädchenschule, mit 18 trat sie einem katholischen Orden in Irland bei, kurz darauf ging die junge Nonne nach Indien.

Auf dem Subkontinent sollte sie Weltruhm erlangen. Nach einigen Jahren als Lehrerin gründete sie in Kalkutta die Ordensgemeinschaft der »Missionarinnen der Nächstenliebe«. Das Bild, das sich die Öffentlichkeit von Mutter Teresa und ihren Ordensschwestern machte, war das von selbstlosen Helferinnen, die sich aufopferungsvoll um Sterbende, Waisen, Obdachlose und Kranke kümmerten. Der Name Mutter Teresa wurde geradezu ein Synonym für uneigennützigen Altruismus. Das Magazin Life nannte sie die »Heilige der Gosse«, sie wurde berühmt als der »Engel von Kalkutta«. Entsprechend verehrte und würdigte man die kleine Frau in der blauweißen Ordenstracht weltweit: 1976 erhielt ein Asteroid ihren Namen, 1979 bekam sie den Friedensnobelpreis, 1985 empfing sie die US-amerikanische »Presidential Medal of Freedom«, 1996 wurde sie Ehrenbürgerin der USA, 2003 sprach die katholische Kirche sie selig und 2016 folgte ihre Heiligsprechung durch Papst Franziskus.

D-17b

PR für den Vatikan: Mutter Teresa, Kalkutta 1997

Bild:
picture alliance / Arko Dutta

In ihrer Geburtsstadt Skopje stehen nahe dem einstigen Standort ihres nicht erhaltenen Geburtshauses ein Denkmal und ein 2009 eröffnetes Museum, das Mutter-Teresa-Gedenkhaus. Weitere Denkmäler für Nënë Tereza, wie sie in ihrer Muttersprache genannt wird, finden sich in Albanien und in verschiedenen Städten mit großem albanischen Bevölkerungsanteil im Kosovo, in Mazedonien und Südserbien. Nach ihr ist der internationale Flughafen von Tirana benannt, genauso wie das Universitätskrankenhaus der Hauptstadt. In Albanien wird der 19. Oktober, der Tag der Seligsprechung Mutter Teresas, als nationaler Feiertag begangen, an dem Behörden und Schulen geschlossen bleiben. Zudem hat die Regierung einen Mutter-Teresa-Orden gestiftet.

Dabei kann jeder, der es wissen will, schon seit Jahrzehnten die Wahrheit über Mutter Teresa erfahren: Sie war eine religiöse Fanatikerin, der ihr Glaube wichtiger war als die Menschen, denen sie vorgeblich half. Bereits aus den neunziger Jahren gibt es gut dokumentierte Berichte und Studien, wonach die sozialen und hygienischen Zustände in ihren sogenannten Sterbehäusern in Indien katastrophal waren. Viele Menschen starben – nicht weil sie unheilbar krank gewesen wären, sondern wegen unzureichender Hygiene. Nicht sterilisierte Spritzen wurden mehrfach verwendet, auch noch zu Zeiten, als beispielsweise die Gefahren einer HIV-Infektion längst bekannt waren. Auch entfernte man häufig vorhandene Betten und Matratzen, um den ärmlichen Eindruck der Häuser zu verstärken.

Die Gabe von Schmerzmitteln wurde untersagt; die Kranken und Sterbenden seien Jesus Christus näher, wenn sie Schmerzen litten, sagte Mutter Teresa einmal. »Zu sehen, wie sie ihr Schicksal ertragen, hat auch etwas ganz Wundervolles«, wird sie in einer Studie zitiert. Sie selbst freilich nahm kurz vor ihrem Tod lieber palliativmedizinische Versorgung in Anspruch. Nichtchristliche Sterbende ließ sie zuweilen ohne deren Wissen und Einverständnis taufen.

»Die Nonne ist das Kunstprodukt einer raffinierten PR-Strategie ihrer Kirche«, schrieb der Religionsblogger Hugo Stamm vergangenes Jahr über Mutter Teresa anlässlich ihrer bevorstehenden Heiligsprechung. »Der Vatikan hat es in jahrzehntelanger Öffentlichkeitsarbeit geschafft, aus der kleinen Nonne ein überirdisches Wesen zu machen.« Besonders in den siebziger Jahren, als die Kommunisten in Westbengalen versuchten, durch Agrarreformen die Armut zu bekämpfen, unterstützte Mutter Teresa mit ihren individuell-religiösen Heilsversprechungen die antikommunistische Gegenbewegung. Zeitlebens bekämpfte sie auch erbittert das Recht auf Abtreibung und den Gebrauch von Verhütungsmitteln. Der Journalist Christopher Hitchens schrieb, Mutter Teresa sei »keine Freundin der Armen« gewesen. »Sie war eine Freundin der Armut.« Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass diese Nonne die berühmteste Tochter ausgerechnet des Landes ist, das sich 1967 zum ersten konsequent atheistischen Staat der Welt erklärte.