Das Museum für sozialistische Kunst in Sofia

Welcome Lenin

Das Museum für sozialistische Kunst im bulgarischen Sofia vereint alle auf einem Areal: Lenin, Che, Dimitroff.

Es hat etwas von einem Hinterhof der Geschichte. Nicht zu verwechseln mit dem sprichwörtlichen Müllhaufen der Geschichte: Im Schatten heruntergekommener Büro- oder Gewerbegebäude auf der einen und protziger gläserner Neubauten eines Pharmakonzerns auf der anderen Seite liegt das »Museum für sozialistische Kunst« in Sofia. Steigt man an der Metrostation »G. M. Dimitroff« aus, weist keinerlei Schild den Weg zum Museum. Die Umgebung der Station ist geprägt von angejahrten Plattenbauten und Brachflächen, die von wilden Hunden bevölkert sind.

Das Museum für sozialistische Kunst ist ein junges Museum. Gegründet wurde es am 19. September 2011 auf Initiative von Kulturmi­nister Weschdi Raschidow, der sich als Bildhauer einen Namen gemacht hat. In dem Gebäude einer ehemaligen Kunstschule sind vor allem Gemälde aus der Zeit des Sozialismus in Bulgarien zwischen 1944 und 1990 untergebracht, im Park stehen 77 Skulpturen aus allen Landesteilen. Das Museum ist in seiner Schlicht- und Abgelegenheit nicht zu vergleichen mit der Nationalen Kunstgalerie, die im ehemaligen Königspalast mitten im Zentrum untergebracht ist. Beide Institutionen gehören aber zusammen: das Museum für sozialistische Kunst ist eine Dependance der Nationalgalerie.

Direkt am Eingang fällt ein roter Stern ins Auge. Dieser 2,80 ­Meter große fünfzackige Stern prangte einst in 56 Metern Höhe auf dem zentralen Gebäude der Kommunistischen Partei in Sofia. Knapp 50 Jahre – von 1954 bis 1990 – war er ein Wahrzeichen der Stadt und durch seine Beleuchtung auch ein Orientierungspunkt im Nachthimmel von Sofia. Nach der Wende wurden seine Goldanteile – immerhin drei Kilo – ­entfernt und der bulgarischen Nati­onalbank übereignet, der Stern selbst fand seinen Weg in das neugegründete Museum. »Es ist natürlich kein Kunstwerk im eigentlichen Sinne, aber dennoch ein Erkennungs­zeichen für unser Museum«, sagt Kuratorin Margarita Andreewska-­Peschewa.

Kunst findet man im Skulpturenpark. Die größte Skulptur ist ein 45 Tonnen schwerer Lenin. »Sie wurde vom sowjetischen Bildhauer Lew Kerbel im Jahr 1971 geschaffen. Bis Anfang der neunziger Jahre stand die Lenin-Figur im Zentrum von Sofia«, erklärt Andreewska-Peschewa. Nach der Wende erging es dem Lenin nicht besser als den meisten anderen Figuren, die das Museum heute präsentiert: Er landete in einer Abstellkammer. Zahlreiche Skulpturen standen auf Hinterhöfen oder in Lagern herum, der Witterung und dem Verfall preisgegeben. Erst durch die Einrichtung des Museums fanden sie den Weg zurück an die Öffentlichkeit. »Wir wollen diese Epoche der bulgarischen Geschichte nicht gänzlich ausradieren. Sie war da und sie hat unser Land geprägt. Auch und vor ­allem auf den zentralen Plätzen. Und diese Seite der Geschichte wollen wir zeigen«, erzählt die 31jährige Kuratorin, die den Sozialismus gerade noch als Kind miterlebt hat. Wie andere sozialistische Länder hatte auch Bulgarien neben den Gründern des Marxismus-Leninismus seine eigenen Säulenheiligen. In Bulgarien war dies Georgi Dimitroff.

Im Skulpturenpark sind einige Dimitroffs zu bewundern. Darunter ist eine fünf ­Meter große Figur mit wehendem Haar. Dimitroff bot im Reichstagsbrandprozess den Nazigrößen die Stirn, war später Generalsekretär der Kommunistischen Internationale und erster Regierungschef des sozi­alistischen Bulgarien. Er starb 1949 und ist für viele Bulgaren immer noch ein Guter unter den Kommunisten, da er vor allem im Widerstand und in der Opposition wirkte und weniger mit den Verbrechen des Systems oder der Verfolgung in Zusammenhang gebracht wird. Nicht zuletzt seine Rolle im Reichstagsbrandprozess führte dazu, dass ihm ein Mausoleum mitten in Sofia erbaut wurde. »Dimitroff spaltet die bulgarische Gesellschaft bis heute in strikte ­Befürworter und Gegner. Der Abriss seines Mausoleums 1999 ­erfolgte Jahre nach der Wende und führte zum Teil zu wütenden Protesten«, erzählt Andreewska-Peschewa.

Anders verhält es sich mit dem Gedenken an den russischen Berufsrevolutionär Felix Dserschinskij. ­Seine Skulptur ist eine Leihgabe der Kunstgalerie in Dimitrowgrad, wo sie ursprünglich stand. Der Gründer der ersten sowjetischen Geheimpolizei wird nur noch von beinharten Stalinisten verehrt. Zum Bestand gehört auch eine Che-Guevara-Büste. Che spielt in der Ikonographie des ost­europäischen Sozialismus eigentlich keine große Rolle. »Die Würdigung von Che Guevara, hier in Form einer Büste des bulgarischen Bildhauers Dimitar Ostoich aus dem Jahre 1974, ist im sogenannten Ostblock wirklich selten. Er war den grauen ZK-Eminenzen wohl zu wild und ­rebellisch«, sagt Margarita Andreewska-Peschewa.

Neben den großen Führern der Arbeiterbewegung werden auch die Werktätigen geehrt. Muskelbepackte Dorfhelden tragen die Ernte nach Hause, pathetische Partisanen reichen einander mit konspirativem Blick die Waffen und Arbeiter streben, in unnatürlichen Posen verrenkt, einem fernen Ziel entgegen. Fröhliche ­Gesichter machen die Frauen bei der Arbeit auf der Kolchose. Sie dürfen sich sichtlich über die Ernte freuen.
Das einzige Gemälde im Außen­bereich des Museums ist der »9. September 1944«. Es ist ein riesiges Wandgemälde, das an den Tag erinnert, an dem Vertreter der nationalen Front und linke Kräfte die Macht in Bulgarien übernahmen. Die Komposition stellt die Volksmassen, die Rote Armee und die bulgarischen Partisanen dar, die den Faschismus vernichten.

Das Museum wird vor allem von Touristen besucht. Margarita Andreewska-Peschewa gibt zu, dass die Begeisterung sich bei Bulgaren in Grenzen hält. Von den 8 000 Besuchern, die das Museum im vergan­genen Jahr zählte, kamen die meisten aus dem Ausland.

Wer nach dem Rundgang noch nicht genug sozialistische Helden gesehen hat, kann sich im Museumsshop mit Lenin- und Stalin-Tassen eindecken oder Dokumentarfilme über den Sozialismus in Bulgarien anschauen. Viele Skulpturen aus dem Parkbereich sieht man dort an ihrem alten Standort – nicht im Hinterhof der Geschichte.