Die Kölner Demonstration von ­Muslimen gegen Terror

Flop für Kaddor-Show in Köln

Raucherecke Von

Selten wuchs eine Demonstration nach ihrem Ende so beein­druckend wie die Antiterrorkundgebung, die am Samstag unter dem Motto »Nicht mit uns« in Köln stattfand. Kurz nach Beginn der von der Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor und dem Online-Aktivisten Tarek Mohamad organisierten Veranstaltung auf dem Heumarkt am frühen Nachmittag lag die Teilnehmerzahl bei deutlich unter 500. Am anschließenden Marsch durch die Kölner ­Innenstadt nahmen dann etwas mehr als 1 000 Personen teil. Und die vermehrten sich in den Stunden nach dem Ende der Demonst­ration erst auf 3 000 (so Kaddor) und dann sogar auf bis zu 4 000 (so Mohamad).

Zwar schrieb Kaddor nach der Kundgebung auf Facebook, sie sei »enttäuscht von uns Muslimen«, begann allerdings rasch mit der Umdeutung des Misserfolgs. Aus der mit bis zu 10 000 Teilnehmern angekündigten Großkundgebung wurde nun ein »Anstoß zu wei­teren geplanten Demos und einer breiteren Debatte rund um muslimisches Leben in Deutschland«.

Ob an denen auch die Erdoğan-hörige Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) teilnehmen wird, ist offen. Zur ­Demonstration in Köln rief die Organisation nicht auf. Ditib ist wohl der einzige islamische Verband hierzulande, der Zehntausende Menschen mobilisieren kann – so wie im vergangenen Jahr bei der Pro-Erdoğan-Kundgebung in Köln. Kaddor sowie Politiker wie Cem Özdemir (Grüne) und die Bundesregierung kritisierten Ditib wegen der Weigerung, zu Kaddors Demonstration aufzurufen. Dabei ist es angesichts des Terrors des Erdoğan-Regimes gegen Kurden und politische Gegner nur ehrlich, dass die Organisation nicht an einer Kundgebung gegen den Terror teilnimmt.

Der Kölner Flop könnte aber auch der Anstoß zu einer Debatte über die Rolle und Bedeutung der muslimischen Verbände sowie insbesondere von Lamya Kaddor und Aiman Mazyek sein. Letzterer hatte mit seinem konservativen bis tiefreaktionären Zentralrat der Muslime ebenfalls zu der kleinen »Großkundgebung« auf dem Heumarkt aufgerufen. Kaddor ist vor allem ein Medienphänomen. Der von ihr gegründete Liberal-Islamische Bund vertritt ganze vier Gemeinden. Die liberale Koranauslegung der Islamwissenschaftlerin kommt an – allerdings in erster Linie bei Journalisten, Kirchenvertretern und Politikern. Dass die meisten Muslime sich für das, was Kaddor sagt, nicht interessieren, konnte man am Samstag sehen. Auch der Zentralratsvorsitzende Mazyek begeistert mehr Talkshow-Zuschauer als Gläubige. Dass er zur Teilnahme an der Demonstration in Köln aufrief, hielt seinen Zentralratsvorstandskollegen Mehmet Alparslan Çelebi vom extrem rechten Verband Atib nicht davon ab, von einem »inszenierten Friedensmarsch« zu sprechen.

Liberale Muslime, das wurde klar, lassen sich nicht von einem religiösen Medienstar wie Kaddor irgendwohin zitieren, sondern dürften vor allem säkular geprägte Menschen mit einem muslimischen Hintergrund sein, denen ihre Religion nicht allzu wichtig ist. Jede im Ramadan gerauchte Zigarette und jeder voreheliche Geschlechtsverkehr ist ein deutlicheres Zeichen gegen Islamismus und Terror als die Teilnahme an der Kölner Kaddor-Show mit ihrer abenteuerlichen These, Terror habe keine Religion. Für jene Menschen, die in keinem Verband organisiert sind, interessiert sich bislang niemand, dabei sind sie – und nicht irgendwelche mehr oder weniger ­reaktionären Frömmler – die stärksten Gegner jedes Fundamentalismus.