das Geschichtsbild der Ausstellung »Der Kommunismus in seinem Zeitalter« in Berlin

Der Teufel trägt Rot

Die Ausstellung »Der Kommunismus in seinem Zeitalter« der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur warnt eindringlich davor, die Welt grundlegend verändern zu wollen. 

Im akademischen und kulturindus­triellen Betrieb spielen Jahrestage historischer Ereignisse eine große Rolle. Es ist also nicht verwunderlich, dass die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur den 100. Jahrestagen der beiden russischen Revolutionen des Jahres 1917 erhöhte Aufmerksamkeit widmet. Doch hat sie deutlich mehr vor, als nur ein paar Bücher auf den Markt zu werfen. Nach Ansicht von Anna Kaminsky, der Geschäftsführerin der Stiftung, werden »die im Namen des Kommunismus weltweit begangenen Verbrechen und die Folgen seiner antidemokratischen Politik in der schulischen und außerschulischen Bildungsarbeit kaum thematisiert und vielfach ausgeblendet«.
Dies soll sich ändern. Auf der im Februar gemeinsam mit der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin veranstalteten Konferenz »Blinde Flecken in der Geschichtsbetrachtung? Kommunismus im 20. Jahrhundert« stellte der Historiker Gerd Koenen die von ihm im Auftrag der Bundes­stiftung erarbeitete Ausstellung »Der Kommunismus in seinem Zeitalter« vor. Koenen, ehemaliger Funktionär des Kommunistischen Bundes Westdeutschland (KBW), hatte sich mit Büchern wie »Utopie der Säuberung. Was war der Kommunismus?« und »Das rote Jahrzehnt. ­Unsere kleine deutsche Kulturrevolution 1967 – 1977« für diese Auf­gabe qualifiziert.
Tatsächlich ist die Ausstellung in weiten Teilen ein erheblich ver­kürzter Neuaufguss einiger Kernthesen der Bücher Koenens, ergänzt um einigge aus Stéphane Courtois’ »Schwarz­buch des Kommunismus«.
Auf 25 Tafeln widmet sie sich ausgewählten Aspekten der Geschichte kommunistischer Parteien im 20. Jahrhundert, wie etwa unter den Schlagworten »Führerkulte und Heldenmythen«, »Der sozialistische Alltag – Arbeit, Konsum, Freizeit« oder »Die Frau und der Sozialismus«. Zweitausendfach soll die Präsentation nun in Umlauf gebracht werden, um »in Schulen und an öffentlichen Orten – etwa in den Foyers von Rathäusern, in Volkshochschulen, Stadtbibliotheken oder Kirchen – zur Auseinandersetzung mit dem Kommunismus und seinen Diktaturen« anzuregen. Der pädagogische Anspruch der Ausstellungsmacher beschränkt sich nicht auf Deutschland. Die Ausstellung ist auch auf Englisch, Französisch, Spanisch und Russisch verfügbar. Weitere Sprachen sollen folgen.
Welches Bild man vom Kommunismus vermitteln möchte, macht gleich die erste Tafel der Ausstellung klar. Es beruht auf einer Entwurfsskizze für den »Palast der Sowjets«, jenes nie vollendete megalomane Bauprojekt, das den stalinistischen Umbau Moskaus krönen sollte. Die oberen zwei Drittel sind mit düsterem Schwarz unterlegt, der untere Bildteil blutig rot. Passend dazu wird dekretiert: »Der Kommunismus war die größte und tiefgreifendste Massenbewegung des 20. Jahrhunderts. Die Parteien der ›Kommunistischen Internationale‹ waren, wie von Lenin gefordert, ›neuen Typs‹. Als Kaderorganisationen verlangten sie von ihren Mitgliedern totale Hingabe und absolute Disziplin. Sobald eine kommunistische Partei die Macht errungen hatte, mussten alle Bürger sich ihrer ›Führung‹ aktiv unterordnen. Dieser gewaltsam durchgesetzte, zu Recht als ›totalitär‹ bezeichnete Anspruch auf die Gestaltung aller Lebensbereiche hat zahllose Existenzen zerstört und Abermillionen Menschenleben vernichtet. Und er hat immense geis­tige sowie soziale Verwüstungen hinterlassen.« Tatsächlich versteht die Ausstellung unter »Kommunismus« vor allem die Herrschaft kommunistischer Parteien stalinistischer und poststalinistischer beziehungsweise maoistischer Prägung in Osteuropa und Asien. Dissidente Strömungen und Theoretiker im Kommunismus und die Geschichte des Kommunismus außerhalb der real­sozialistischen Länder werden, mit Ausnahme der Neuen Linken, ignoriert oder aktiv verleugnet. So behauptet die Tafel »Die große Illusion – die Kommunisten und die Arbeiter«, dass »Gewerkschaften und Betriebsräte in den Industrie- wie in den Entwicklungsländern … ganz überwiegend von Sozialisten und Sozialdemokraten, Christen und an­deren Akteuren bestimmt« gewesen seien. Die starken kommunistischen Gewerkschaften beispielsweise in Frankreich und Italien und die wichtige Rolle von Kommunisten und Kommunistinnen in der internationalen Gewerkschaftsbewegung werden so negiert.
Regelrecht skandalös ist die Tafel »Faschismus und Antifaschismus – Das tödliche Spiel«. Der Antifaschismus war seit den späten zwanziger Jahren fester politischer Bestandteil der kommunistischen Bewegung. Die komplexe Geschichte des Antifaschismus zwischen Sozialfaschismusdoktrin, Volksfrontpolitik, deutsch-sowjetischem Nichtangriffspakt und Partisanenkampf, zwischen den Anstrengungen an der Basis und den Vorgaben sowjetischer Außenpolitik wird von Koenen extrem verkürzt. Thematisiert wird ausschließlich der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt als Bündnis zweier totalitärer Regime. Kein Wort zur Rolle der Kommunisten in den Widerstandsbewegungen Europas und Asiens gegen die deutsche und japanische Besatzung, kein Wort zur mörderischen Verfolgung durch und zum Widerstand gegen Faschisten, die die Biographien mehr als einer Generation kommunistischer Parteikader prägte. So kann die Ausstellung auch das Ansehen, das kommunistische Parteien nach dem zweiten Weltkrieg genossen, nicht erklären und die politische Machtübernahme kommunistischer Parteien nur als Geschichte von Putsch und Repression im Schatten sow­jetischer Panzer darstellen.
Ebenso wenig erklärt die Ausstellung, warum nach 1945 junge Intellektuelle und Armeeangehörige, die in den Kolonien in Afrika und Asien den Kampf für die nationale Unabhängigkeit aufnahmen, sich häufig dem Marxismus-Leninismus zuwandten. Stattdessen wird konstatiert: »In den antikolonialen Unabhängigkeitskriegen in Algerien, im Kongo, in Angola, Mosambik, Zimbabwe und im Süden Afrikas spielen Kommunisten vielfach eine prominente, oft polarisierende, manchmal auch mäßigende Rolle. Dass die neuen Staaten in Bürgerkriege abgleiten, wird von ihnen weder verhindert noch allein verursacht.« Dass die Kommunisten an diesen Bürgerkriegen nicht allein schuldig seien, ist neben der Erwähnung des Massenmordes an den indonesischen Kommunisten in einer Bildunterschrift der einzige Hinweis auf die blutigen Versuche lokaler Eliten, ehemaliger Kolonialmächte und westlicher Staaten, mit Berufung auf den Kampf ­gegen den Kommunismus jegliche sozialen und politischen Veränderungen in den Ländern Lateinamerikas, Afrikas und Asiens zu verhindern.
Tatsächlich bemüht sich die ganze Ausstellung, möglichst wenig zu erwähnen von den historischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen, unter denen kommunistische Parteien und Bewegungen entstanden und sich entwickelten. Die Ausstellung zeigt den Kommunismus zwischen 1917 und 1990 allein als das putschistische utopisch-totalitäre Projekt kommunistischer Parteikader, gekennzeichnet von Terror und Massenrepressionen, die sich ausschließlich aus dem diktatorischen Machtwillen der Parteiführer erklären. 
Und es besteht weiterhin Anlass zur Sorge. Die letzten Sätze der Ausstellung verweisen auf Moskau und Peking, wo die Erben der Kommunisten noch an der Macht seien und »abermals als kulturelle und weltpolitische Gegenspieler des Westens auftreten«.