Bitte nicht füttern

Indianer weinen nicht

Bitte nicht füttern Von

Seit Aschermittwoch ist alles vorbei. Alles? Nein, über die Plakataktion »Ich bin kein Kostüm« wird weiter lebhaft diskutiert. »Kulturelle Aneignung« ist das Stichwort. Korso fahren zum Beispiel: haben zur WM 2006 die Deutschen den Türken geklaut. Bei den Autokorsos für Deniz Yücel vorige Woche hat sich aber kein Critical-Whiteness-Apologet beschwert. Müssen sie verschlafen haben. Aber gegen Indianerkostüme ­waren sie; warum eigentlich nicht auch gegen Cowboykostüme? Und was sollen die armen Bären sagen? Bärenkostüme waren dieses Jahr der Renner, Katzen sind seit jeher beliebt, Tiger, Marienkäfer – wo bleibt der Aufschrei der Tierrechtler?
Tiere spielen bei kultureller Aneignung übrigens oft eine Rolle. Nehmen wir »den Indianer«, wie stellt man sich den vor? Federschmuck, Kriegsbeil, Lederfransen und ein Pferd natürlich. Ohne Iltschi kein Winnetou. Ein Indianer, der zu Fuß geht? Vielleicht beim Faschingsball in Rathenow, aber doch nicht im Wilden Westen! Tatsächlich gingen die nordamerikanischen Indianer jahrhundertelang zu Fuß, bis die Kolonisatoren aus Europa kamen und Pferde mitbrachten. Immer wieder rissen einige der Tiere aus. In der grasreichen Prärie vermehrten sie sich schnell. Die Blackfoot-Indianer – man kann sich vorstellen, welches Verkehrsmittel sie bis dahin nutzten – entdeckten um das Jahr 1730 herum die verwilderten Mustangs. Bis dahin hielten sie nur Hunde als Nutztiere. Es wurden nunmehr nicht nur Mustangs ein­gefangen und dressiert, sondern die Indianer stahlen den Spaniern oft ganze Pferdeherden. Kulturelle ­Aneignung vom Feinsten. Beritten waren die Indianerstämme viel erfolgreicher bei der Bisonjagd und im Krieg, mussten weniger schleppen und konnten größere Strecken zurücklegen, wurden mobiler. Genutzt hat es ihnen letztlich wenig, Millionen wurden trotzdem von den weißen Kolonisatoren massakriert.
Menschen, die sich als Indianer kostümieren, mögen Indianer. Sie machen sich sozusagen mit ihnen ­gemein beziehungsweise mit einem Klischee von ihnen. Sind nicht Cowboykostüme viel schlimmer? Soll man sich wirklich mit denen gemein machen? Wer sich als Indianer kostümiert, meint damit ja nicht die heutigen Nachfahren der »Indianer«, sondern eine historische, auch literarische Figur – wie »Römer«. Sind Römerkostüme okay? Was sollen die Nachfahren der Römer sagen? Dauernd labern zudem Professoren und Pastoren auf Latein daher – kulturelle Aneignung! Oder Pizza! Wir sagen: nein zur kulturellen Aneignung. Hier wird gefälligst Deutsch gesprochen, deutsch gekocht und deutsche Tracht getragen! Aber im Karneval? Kein Problem: Gehen Sie als Gartenzwerg! Da brauchen Sie nur eine rote Zipfelmütze und ein Hirn voller Critical-Whiteness-Ideologie.