In Marokko endet die Weltklimakonferenz

Sonne, Wind und Tränen

Marokko, das Gastland der derzeit stattfindenden Weltklimakonferenz, betreibt den Klimaschutz äußerst erfolgreich. Belastet wurden die Verhandlungen über die weitere Ausgestaltung des vor einem Jahr in Paris vereinbarten Klimavertrags durch die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten.

Es ist unmöglich, in Marrakesch an der Klimakonferenz vorbeizukommen: Fahnen, Plakate und riesige Wegweiser säumen die Straßen, selbst auf die Räder der Kutschen, die traditionell Touristen durch die Stadt fahren, wurden das Logo der Klimakonferenz und die Abkürzung »COP22« geklebt. Zehntausende Teilnehmer aus etwa 200 Staaten sind für zwei Wochen in die südmarokkanische Stadt gekommen, um über die weitere Ausgestaltung des Klimavertrags zu beraten, der in Paris im Dezember beschlossen wurde. Marokko hat keine Mühe gescheut, Marrakesch anlässlich der Konferenz als Ökohauptstadt herauszuputzen: Eine neue Flotte Elektrobusse kreuzt durch die Stadt, auf kostenlosen Leihfahrrädern kann man die neuen Fahrradwege ausprobieren und eine neue Müllverbrennungsanlage soll bald einen Großteil des Stroms liefern.
Ganz überraschend ist das nicht. Marokko gilt als vorbildlich in Sachen Klimaschutz. Climate Action Tracker, eine unabhängige Website, die die versprochene und tatsächliche Klimapolitik der Staaten untersucht, hat Marokko als eines von nur fünf Ländern weltweit im grünen Bereich eingestuft, will heißen: Das Land tut genug für den Klimaschutz. Bereits seit Jahren setzt König Mohammed VI. auf »grüne Energie«, im Februar ist in Quarzazate im Süden des Landes einer der größten Solarparks der Welt eröffnet worden, zwei weitere sind im Bau. Ursprünglich hatten internationale Investoren ein solches Vorhaben unter dem Namen Desertec geplant, es sollte Strom nach Europa exportieren. Das Projekt scheiterte, Marokko baute in Eigenregie und in Rekordzeit von 30 Monaten einen Solarpark, der für den eigenen Bedarf produziert. Entlang der Küste sind zahlreiche – bei Anwohnern teils umstrittene – Windparks entstanden. Alle Moscheen des Landes wurden mit Photovoltaikanlagen auf den Dächer ausgestattet. Marokko hat als erstes Land der Region schon im Juni 2015 seine Klimaziele bei den Vereinten Nationen eingereicht, um 13 Prozent will es bis 2030 seine Emissionen reduzieren. Ab 2025 sollen über 50 Prozent der Energie aus regenerativen Quellen gewonnen werden – ein Ziel, das Experten als realistisch einschätzen.
Dass Marokko auf Energie aus Sonne und Wind setzt, hat auch wirtschaftliche Gründe: Marokko verfügt über keine Öl- oder Gasvorkommen, 98 Prozent des Bedarfs an fossilen Energieträgern wird importiert. Dass das Land früh auf »grüne Technologien« umschwenkte, hat es zu einem Vorbild für andere Länder Afrikas gemacht, die nach einer Entwicklung jenseits des Ressourcenexports suchen. Zwar sind viele Projekte für erneuerbare Energie in Kooperation mit europäischen Partnern entstanden. Doch zugleich haben marokkanische Firmen Partnerschafts- und Investitionsabkommen mit zahlreichen afrikanischen Ländern geschlossen und beraten sie bei der Umstellung auf erneuerbare Energien.
Die Klimakonferenz ist für das kleine Land, in dem die Mehrheit der Bevölkerung weiterhin unter Armut, einer hohen Arbeitslosen- und Analphabetenrate leidet, mehr als nur eine Gelegenheit, sich in einem positiven Licht zu präsentieren. Dass die Länder ringsum im Chaos versinken, während in Marokko die Verhältnisse relativ stabil sind, hat das Land politisch gestärkt, und es strebt auch auf dem Kontinent eine Rolle als Führungsmacht an. Im Juli hat es den Antrag gestellt, wieder in die Afrikanische Union (AU) aufgenommen zu werden, aus der es 1984 im Rahmen des Konflikts um die Westsahara ausgetreten war.
Die Klimakonferenz ist für Marokko eine Gelegenheit, diesen Führungsanspruch deutlich zu machen: Umweltministerin Hakima El Haité, eine promovierte Umweltingenieurin, gehört zu den Menschen, die in den vergangenen Wochen am häufigsten zitiert wurden, im ganzen Land weisen Plakate und Veranstaltungen auf die COP hin. Eine »inklusive« und transparente Konferenz hat Salaheddine Mezouar, der marokkanische Außenminister und Präsident der Konferenz, versprochen. Anders als in Paris sollen zivilgesellschaftliche Gruppen mehr Zugang zu den Verhandlungen haben, und auch jene Staaten, die den Vertrag von Paris noch nicht ratifiziert haben, sollen einbezogen werden. Ein positives Konferenzergebnis und den »Spirit von Marrakesch« sollten die Teilnehmer mit nach Hause nehmen, so Mezouar.
Tatsächlich waren die ersten Tage der Konferenz von einer entspannten Stimmung geprägt, Diplomaten und Beobachter wanderten durch die Zeltstadt, der Regen des ersten Tages hatte sich bald verzogen, und über dem palmengesäumten Boulevard, der sich durch das Konferenzgelände zog, wehten luftige Sonnensegel. Die US-Wahl bereitete der guten Laune abrupt ein Ende. Zwar hatten schon am ersten Tag US-amerikanische Klimaschützerinnen ein Sondertreffen vorgeschlagen, um die Ergebnisse der US-Wahlen zu analysieren. Dass diese mit dem Sieg Trumps enden könnten, hat bei der UN-Konferenz, inmitten gebildeter und globalisierter Klimadiplomaten und engagierter Umweltschützer, aber niemand wirklich für möglich gehalten. So ist das Ergebnis am Mittwochmorgen für alle ein Schock, junge US-Amerikanerinnen brechen immer wieder in Tränen aus, in den Gängen und vor den Zelten liegen sich Menschen in den Armen. »Ich fürchte auf einmal, der weite Weg hierher war umsonst«, schreibt eine Teilnehmerin auf Twitter, und drückt damit aus, was viele in Marrakesch nun denken: Alle erhofften Ergebnisse sind sehr fraglich geworden.
Mit Trumps Wahlsieg steht nicht nur die Konferenz in Marrakesch, sondern der gesamte Vertrag von Paris auf dem Spiel. Trump hat wiederholt gegen die Klimaforschung gewettert, den Klimawandel bezeichnete er einmal als »Erfindung Chinas«, um sich damit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den USA zu sichern. Im Wahlkampf hat er angekündigt, im Falle eines Sieges den Vertrag von Paris aufzukündigen, Barack Obamas Energiegesetz rückgängig zu machen und den Beitrag der USA zum globalen Klimafonds zu streichen. Es herrscht Unsicherheit, was das für die Klimapolitik in Zukunft bedeutet. Niemand weiß, ob Trump seine flapsigen Bemerkungen zum Klimavertrag ernst meint, ob er, nun als Präsident, weiterhin den Clown geben wird, oder doch zum verantwortungsbewussten Staatsmann reift. Es wird Wochen dauern, bis einschätzbar wird, was Trump tatsächlich vorhat. Die US-Delegation zieht umgeben von Sicherheitskräften durch die Zeltstadt, sie gibt keinerlei Statements. In Schweigen hüllen sich auch alle anderen Delegationen. Einzig Patricia Espinosa, die Generalsekretärin der UN-Klimarahmenkonvention, gibt am Nachmittag eine karge Stellungnahme ab: Sie gratuliere Trump zum Wahlsieg und freue sich darauf, mit seiner Verwaltung zusammenzuarbeiten, »um die Klimaagenda voranzubringen«.
Wo die Diplomaten schweigen, haben die Vertreter von Organisationen und Basisgruppen das Wort. Schon wenige Stunden nach dem Wahlsieg gehen die Stellungnahmen an die Presse: Trump könne die Klimapolitik nicht aufhalten, auch er könne sich nicht über Naturgesetze hinwegsetzen, der Übergang zu neuen, klimafreundlichen Technologien und Verhaltensweisen sei nicht aufzuhalten. Die Gruppen, für die die Teilnahme an den offiziellen Klimaverhandlungen ohnehin nur eine von mehreren Formen war, gegen den Klimawandel vorzugehen, tun sich leichter, mit den veränderten Bedingungen umzugehen. Die US-Sektion von Greenpeace veröffentlicht einen Aufruf, in dem es heißt: »Greenpeace und Millionen Menschen auf der ganzen Welt haben alle Macht und Stärke, um den Klimawandel zu bekämpfen und eine gerechte Welt für alle zu schaffen. Nutzen wir diesen Moment, um dem Kampf gegen den Klimawandel und für Menschenrechte überall auf der Welt einen Schub zu geben.« US-amerikanische und marokkanische Klimaschützer demonstrieren vor den Toren der Verhandlungsräume, auf ihrem Transparent haben sie die »To-Do-Liste des Präsidenten« durch die »To-Do-Liste der Menschen« ersetzt. Schon am Donnerstag vergangener Woche hat sich der erste Schock in kämpferische Aufbruchsstimmung gewandelt. Auf einem Treffen zur Klimagerechtigkeit diskutieren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ernst, aber entschlossen die Pläne für die nächsten Tage und die kommende Zeit. Nicht mehr nur gegen Klimawandel gelte es nun zu kämpfen, sondern gegen den beginnenden »Faschismus des 21. Jahrhunderts«.
Wie auch immer Trumps Klimapolitik aussehen wird: Der Kampf gegen den Klimawandel wird künftig weniger in den Konferenzräumen stattfinden denn auf der Straße.