Mitglieder der »Sharia-Polizei« stehen in Nordrhein-Westfalen vor Gericht

Prediger, Polizei und Prozesse

In Wuppertal hat der Prozess gegen Mitglieder der »Sharia-Polizei« begonnen. Mit Abu Walaa wurde zudem einer der mutmaßlich wichtigsten IS-Unterstützer in Deutschland festgenommen.

»Mitglieder eines überregionalen salafistisch-jihadistischen Netzwerks festgenommen«, schrieb die Bundesanwaltschaft in ihrer Pressemitteilung über die Festnahme von fünf Männern zwischen 26 und 50 Jahren am Dienstagmorgen vergangener Woche. Die Polizeimaßnahme in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen richtete sich gegen Salafisten, die sich schon länger unter Beobachtung der Behörden befanden. Der älteste Festgenommene ist Hasan C. aus Duisburg. Dessen Reisebüro durchsuchte die Polizei zuletzt im Sommer, er soll Ausreisen von Rekruten des »Islamischen Staats« (IS) nach Syrien organisiert haben. Das Hinterzimmer des Büros soll außerdem als Ort für salafistische Predigten gedient haben, mit denen junge Muslime agitiert wurden. Zu den Besuchern sollen auch die Jugendlichen gehört haben, die im Frühjahr einen Bombenanschlag auf einen Sikh-Tempel in Essen verübten.
Die wichtigste Person unter den fünf Festgenommenen dürfte aber Ahmad Abdulaziz A. sein, der sich auf Facebook und Youtube Abu Walaa nennt. Er tritt in seinen Videos regelmäßig als offener Unterstützer des IS auf. Der Syrien-Rückkehrer Anil O. erhob in polizeilichen Vernehmungen schwere Vorwürfe gegen Abu Walaa: Dieser soll die Ausreise von O. nach Syrien organisiert und gegenüber der IS-Führung für O. gebürgt haben. Zudem sagte ein V-Mann des hessischen Verfassungsschutzes aus, dass Abu Walaa für den IS bei Versammlungen geworben habe. So soll er unter anderem bei einem Seminar im Mai in Kassel vor etwa 100 Zuhörern zum Kampf gegen die »Ungläubigen« aufgerufen haben. Abu Walaa bestritt über seinen Anwalt die Vorwürfe. Dennoch sitzt er in Untersuchungshaft, die Bundesanwaltschaft sieht bei dem irakischen Staatsbürger Fluchtgefahr.
Einen Tag später begann in Wuppertal der Prozess gegen sieben Islamisten, die vor zwei Jahren als »Sharia-Polizei« durch die Stadt gezogen waren. Sie hatten Jugendliche angesprochen und ihnen gesagt, dass Alkohol, Glücksspiel und Musik im Islam verboten seien. Mit auf Youtube hochgeladenen Videos ihrer »Streifengänge« sorgten sie für Aufsehen und Empörung. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte ein hartes Vorgehen. Davon ist nicht viel geblieben. Das Landgericht Wuppertal wollte den Fall ursprünglich nicht verhandeln. Nach einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft kam die Sache nun doch vor Gericht. Den Islamisten wird ein Verstoß gegen das Versammlungsgesetz vorgeworfen, ihre Warnwesten sollen unter das Uniformierungsverbot fallen.
Ob sie dafür wirklich verurteilt werden, ist fraglich. Das Verfahren in dieser Sache gegen ihren Anführer, den Prediger Sven Lau, ist jedenfalls schon eingestellt worden. Wobei Lau ohnehin viel größeres Ungemach droht: Er steht seit September in Düsseldorf wegen Unterstützung der syrischen salafistischen Terrororganisation Jamwa vor Gericht und sitzt bereits seit Dezember in Untersuchungshaft (Jungle World 37/16).
Dass man in Wuppertal gegen die »Sharia-Polizei« nicht unbedingt mit großer Fachkenntnis verhandelt, zeigte eine kleine Szene am ersten Prozess­tag. Ein Verteidiger, ein als Zeuge aussagender Polizist und der Richter diskutierten, wann sich der bekannte Prediger Pierre Vogel vom Salafismus distanziert habe – gemeint war wohl eher Vogels Distanzierung vom IS.
Der Prediger verfolgt derzeit offenbar ein neues Projekt: Im Stile der »Lies«-Kampagne liefen am vergangenen Wochenende erstmals Salafisten mit einem »We love Muhammad«-Schild durch die Innenstädte von Köln, Frankfurt am Main und zahlreichen anderen Städten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Im Rahmen der Kampagne werden Biographien des Propheten in den Innenstädten verteilt. Für Kinder gibt es eine spezielle Version als MP3-CD. Zusätzlich wird eine App vertrieben, die Unterricht, Filme und Hörbücher zu »islamischen Themen« beinhaltet.
»We love Muhammad« dürfte in Deutschland die »Lies«-Kampagne ablösen. Nicht nur, dass, wer sich in den vergangenen fünf Jahren keinen Salafisten-Koran abgeholt hat, sich wohl auch keinen mehr mitnehmen wird. Die »Lies«-Kampagne war auch zu sehr in Verruf geraten, zu viele ehemalige Koranverteiler wurden bekannt als IS-Terroristen. Das hat inzwischen auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bemerkt, der am Dienstagmorgen »die Vereinigung ›Die wahre Religion (DWR)‹ alias ›Lies! Stiftung‹ / ›Stiftung Lies‹« und damit das »größte deutsche Sammelbecken jihadistischer Islamisten« verbot und auflöste, wie es in einer Pressemitteilung des Ministeriums hieß. In zehn Bundesländern wurden 200 Moscheen, Wohnungen, Büros und Lagerhallen durchsucht. Auch die Wohnung des »Lies«-Gründers Ibrahim Abou Nagie sowie die Wohnung seiner Lebensgefährtin wurden nach Informationen von Spiegel online durchsucht. Da kam der Neubeginn unter anderem Namen, aber mit denselben Botschaften, gerade richtig.