Gut geölte Muskelschau

Tri Angle Records, ansässig in London und New York, hat sich in den vergangenen Jahren vom Geheimtipp zum wahren Trendsetter entwickelt. Lotic, Rabit, Haxan Cloak: Veröffentlichungen auf Tri Angle gelten, wenn sie nicht als innovativ oder forward thinking bezeichnet werden, also als fortschrittlich – ein Begriff wohlgemerkt, der auch nach Jahrzehnten angewandter Popkritik mit so unterschiedlichen Inhalten gefüllt wird, dass er nichts als ein geschmäcklerisches Gütesiegel darstellt –, doch zumindest als anspruchsvoll. Tatsächlich sind die meisten Veröffentlichungen des Labels von klaren und fordernden künstlerischen Gesten geprägt, rotzige Skizzenhaftigkeit und halbherziges ­Mittelmaß fehlen genauso wie Beliebigkeit.
Insofern fügt sich das jüngste Verpflichtung ins Portfolio des Labels: Brood Ma. Grime, Industrial und Noise, durchformt noch bis ins letzte Detail, mit äußerster Strenge durchkomponiert und mit digital klirrender Härte um sich schlagend. Brood Mas Tracks, die nur selten die Zweiminutengrenze überschreiten, sind so beeindruckend wie zerhackstückelt, mit so viel Detailversessenheit arrangiert, wie sie auf kühle Weise kraftmeierisch sind. Darüber helfen ironische Titelgebungen wie »Sex Kompressor« oder »Well Equipped« nicht hinweg. Keiner musikalischen Idee vertraut der Londoner Produzent länger als einen Augenschlag, um sie dann unter Darbietung all seines Könnens, seiner Virtuosität, die vor allem eine Muskelschau ist, in Tausende Einzelteile zersplittern zu ­lassen.
Brood Ma gibt sich damit einer ähnliche Lust an maschineller Brutalität hin wie der ebenfalls in London lebende Produzent Arca, dessen prahlerisch überwältigendes Album »Mutant« trotz seines ausgeprägten Machismo jüngst fast einhellig als Geniestreich gefeiert wurde. Auch Brood Mas »Daze« ist ein bemerkenswertes Ungetüm – und verrät als solches viel über die derzeitige Beschaffenheit der Bass Music.
Brood Ma: Daze (Tri Angle/Rough Trade)