Im Unterholz Finnlands

Platte Buch

Der finnische Fotograf Antti Ahonen schrieb einmal, dass dem Gemüt seiner Landsleute ein gewisser Drang innewohne, sich in die Einsamkeit zu begeben. Weniger im Sinne von Verlassenheit, sagte er, sondern in Form wohldosierter Melancholie, die gleichsam als Stimulus der Kreativität diene. Die Band Liima setzt sich zusammen aus den drei Mitgliedern von Efterklang und dem Perkussionisten Tatu Rönkköö. In ihrem ersten Video zum Song »Amerika« gerinnt die besagte Melancholie zu Bildern: Da ist das Teenie-Mädchen, das im Wohnzimmer vor vergilbten Tapeten, leeren Wandregalen und einem der Szenerie absurd entrückten, weil komplett in Gold eingefassten Wandkamin Tanzchoreographien auf Youtube einstudiert; oder der Rasensprenger, der angesichts des völlig verdorrten Fleckchens Wiese wie ein sarkastischer Kommentar aufs Gärtnern wirkt. Dieser subtil melancholische Tenor durchzieht »ii«, das Debütalbum der Band, auch auf klanglicher Ebene, wenngleich versteckt im Schlagschatten der ruhelos vor sich hinklackernden Beats aus Rönkkös Drumcomputer. Er taucht dann aus der Versenkung auf, wenn Casper Clausen die Vokale in seinen Gesangslinien dehnt und dabei bisweilen wie eine Mischung aus Erlend Øye und Bono zu Zeiten von »Rattle and Hum« klingt. Das steckt auch in der verhuschten Präsenz der Trompeten zu Beginn des Songs »Russians«.
Diese eher besonnenen Passagen prallen immer wieder unvermittelt auf kurze Klangeruptionen und machen »ii« zu einem recht disparaten Klangerlebnis – aber genau diese Rauheit, das Skizzenhafte und Abrupte der einzelnen Tracks, macht das Album interessant, weil Liima auf diese Weise typische Erwartungen unterlaufen.
Liima: ii (4AD, Beggars Group/Indigo)