Anarchos gegen Steuerzahler

»Paradies für Touristen – Hölle für die Arbeiter« und »Pay the Workers« riefen die knapp 20 Menschen mit den schwarz-roten Fahnen. Die Basisgewerkschaft »Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union« (FAU) hatte am Abend des 24. Oktober vor dem Restaurant »Cancún«, direkt neben dem Fernsehturm am Alexanderplatz, zur Unterstützung eines Barkeepers aufgerufen, der Urlaubs- und Lohnansprüche im vierstelligen Bereich geltend machte. Der Mann hatte im »Cancún« seit Oktober 2014 gearbeitet, bevor er im Juli 2015 wegen andauernder Unregelmäßigkeiten bei den Lohnzahlungen und Arbeitsstunden kündigte.
Doch der Geschäftsführer des Cancún hatte seine Freunde mobilisiert, die vor dem Restaurant standen und »Wir sind die Steuerzahler« riefen. Zudem mokierten sie sich darüber, dass bei der FAU-Kundgebung die Kollegen nicht alle hochdeutsch sprachen. Unterdessen hatte der ungewöhnliche Arbeitskampf viele Passanten neugierig gemacht. Nach einer knappen Stunde kam ein Vertreter des Geschäftsführers und zahlte den ausstehenden Lohn aus. In bar und unter freiem Himmel. Danach beendete die FAU ihre Kundgebung.
Für die FAU war der Ausgang des Arbeitskampfes ein Erfolg auf ganzer Linie. Schließlich konnte die Gewerkschaft einmal ein Instrument aus der syndikalistischen Tradition erfolgreich anwenden: die direkte Aktion. Der zeitaufwändige Weg durch die juristischen Instanzen wurde vermieden, weil der Beschäftigte den ausstehenden Lohn direkt ausgezahlt bekommen hat. Ob vielleicht einige der neugierigen Passanten durch das Beispiel motiviert wurden, an ihrer eigenen Arbeitsstelle nicht alles hinzunehmen, wird sich zeigen. Auf einer Veranstaltung im Berliner FAU-Lokal jedenfalls wurde betont, dass der Gastronomiesektor ein Experimentierfeld für geringen Lohn und schlechte Arbeitsbedingungen ist.