Das antiisraelische Boykottbündnis »BDS Arts Coalition«

No Logo Israel?

Vor einem Jahr entstand das globale antiisraelische Boykottbündnis »BDS Arts Coalition«. Inzwischen hat sich eine Gruppe von Kunstschaffenden in Wien zu einer Gegeninitiative zusammengeschlossen.

Es begann mit einem Facebook-Post des amerikanisch-palästinensischen Politkünstlers Amin Husain Ende 2013. Anlass war eine Wanderausstellung, die durch Israel tourte. Husain wandte sich dagegen, dass die Ausstellung »Living As Form« in der Universität in Haifa gezeigt wird. Das Technion Israel Institute of Technology ist die älteste Hochschule des Landes, zu deren Gründervätern Albert Einstein gehört. Sie gilt heute als führend in der Nanotechnologie, der Stammzellenforschung und in der Drohnentechnologie.
Letzteres hatte den Zorn Husains erregt. Die Ausstellung, die von Creative Time und Independent Curators International (ICI), zwei unabhängigen Organisationen Kunstschaffender, kuratiert wurde, verrate durch die Kooperation mit dem Technion ihre menschenrechtlichen Prinzipien und legitimiere »die fortdauernde Vernichtung einer schutzlosen Bevölkerung«, schrieb Husain auf Facebook im Hinblick auf den israelischen Einsatz von Drohnen im Konflikt mit den Palästinensern.
Als der Autor Mostafa Heddaya die Darstellung im Brooklyner Art-Blog Hyperallergic aufgriff, zogen einige Künstler ihre Exponate zurück. Inzwischen ging es nicht mehr nur um das Technion und seine militärtechnologische Forschung. Auch Artport, ein bis dato unverdächtiges Zentrum für junge Kunst in Tel Aviv, wo die Wanderausstellung ebenfalls Station machen sollte, war als Ausstellungsort nicht mehr akzeptabel. Kunstschaffende, die der Palästinasolidarität und der antiisraelischen Kampagne »Boycott, Divestment and Sanction« (BDS) nahestehen, probten den Aufstand und begannen Kurator Nato Thompson unter Druck zu setzen. Als Thompson die Forderungen abwehrte, schlossen sich die Boykottforderer unter dem Namen »BDS Arts Coalition« zusammen.
Rund 100 Künstler und Intellektuelle, darunter Judith Butler, Gayatri Spivak, Lucy Lippard, Chantal Mouffe und Walid Raad unterzeichneten einen Brief, der das Gründungsdokument der BDS Arts Coalition darstellt. »Creative Time und ICI haben sich nach eigenem Bekunden entschlossen, den Aufruf der BDS zu missachten und weigern sich, die Ausstellung abzuziehen«, heißt es darin im militärischen Tonfall. Was als interner Streit unter den bei Creative Time organsierten Künstlern begann, führte zu einem neuen Bündnis, das sich zu den weitreichenden politischen Zielen der BDS-Kampagne bekennt.
Bereits im Sommer 2012 war Creative Time mit den Forderungen der BDS-Bewegung konfrontiert worden. Das ägyptische Medienkollektiv Mosireen sagte damals seine Teilnahme am »Creative Time Summit« in New York mit der Begründung ab, das jährlich stattfindende Festival der Organisation finde in enger Partnerschaft mit einer von der israelischen Regierung gegründeten Institution statt. Gemeint war das Center for Digital Art, ein Medienpartner des Festivals aus dem Kunstbereich unter vielen anderen. Die Kampagne der ägyptischen Medienaktivisten war auch insofern erfolgreich, als das gesamte Festival nun von der Agenda der BDS-Bewegung dominiert wurde. Boykott-Teilnehmer, darunter der Künstler Josh MacPhee, verwandten ihre Redezeit ausschließlich darauf, für die Ziele von BDS zu werben.
Ähnlich lief es 2014 auf der São Paulo Biennale. Eine Gruppe palästinensischer Künstler hatte damit gedroht, die Veranstaltung zu boykottieren, weil die israelische Regierung zu den Financiers des Events gehörte und das Logo des Staates Israel neben dem etlicher anderer Sponsoren auf einer Stellwand gezeigt wurde. Die Stimmung war bald so aufgeheizt, dass Bodyguards vor der Tafel mit dem weißblauen Logo Stellung beziehen mussten, um das Emblem zu verdecken. Rund 60 teilnehmende Künstler hatten sich dem Protest der palästinensischen Gruppe angeschlossen.
Die Kuratoren knickten unter dem Druck ein und schlossen einen »Deal«. Israel verschwand von der offiziellen Sponsorenliste, die gezahlten Gelder wurden ausdrücklich als Reisekosten für die Teilnehmer aus Israel deklariert, das Logo durfte nur im Rahmen der Präsentation der israelischen Exponate gezeigt werden.
Das Vorgehen, Israel auf den Bühnen der Globalisierung zu brandmarken, verbindet die Koalititon der Kunstboykotteure mit der global einflussreichen BDS-Kampagne, als deren Ableger die BDS Arts Coalition fungiert. Beiden Kampagnen geht es erklärtermaßen darum, die Ökonomie beziehungsweise Kreativökonomie Israels zu schädigen und binationale Kooperationen zu verhindern. Auch im zehnten Jahr ihres Bestehens ist die BDS-Kampagne diesem Ziel nicht wirklich näher gekommen. Umso erfolgreicher aber ist die Kampagne darin, das politische Image Israels zu beschädigen und sich selbst als Autorität in Sachen Menschrenrechten zu etablieren. Letzteres ist ein nicht zu unterschätzender Nebeneffekt der BDS-Bewegung. Mehr und mehr wird die 2005 auf dem Weltsozialforum in Porto Alegre von der Gruppe »Occu­pied Palestine and Syrian Golan Heigths Advocacy« gegründete und von 170 erstunterzeichnenden palästinensischen Gruppen unterstützte Kampagne »Boycott, Divestment and Sanction« als eine überparteiliche Organisation wahrgenommen, die den angeblichen »Apartheidsstaat« Israel demokratisieren und zur Konfliktlösung in Nahost beitragen will.
In Wahrheit bekräftigt die Charta der BDS radikalpalästinensische Positionen wie das Recht auf Rückkehr aller nach 1948 geflohenen Palästinenser und deren Nachfahren und verneint damit das Existenzrecht des Staates Israel. Eine Zweistaatenlösung wird nicht angestrebt, die Einstaatenlösung von zahlreichen Vertretern der Kampagne offen favorisiert. Nicht zuletzt das Engagement prominenter Theoretiker wie Judith Butler, Naomi Klein und Slavoj Žižek und die breite Unterstützung in akademischen Kreisen in den USA und Europa für die Ziele der BDS verschaffen diesen Positionen Akzeptanz.
Unzählige Unterstützer organisieren in den sozialen Medien Proteste, werben für die Agenda der Kampagne oder schüchtern »Kollaborateure« des Staates Israel ein. Erfolgreich ist das Netzwerk im Bereich des Pop. Annie Lennox, Roger Waters und Brian Eno rufen ihre internationalen Kollegen auf, nicht im jüdischen Staat aufzutreten. Künstler, die dennoch in Israel gastieren wollen, werden auf Facebook denunziert und gedrängt, die Konzerte abzusagen. Die Liste derer, die dem Aufruf folgten, ist lang und reicht von Carlos Santana über Vanessa Paradis bis Stevie Wonder.
Auch Theater- und Filmfestivals mit israelischer Beteiligung werden immer wieder Ziel von Boykottkampagnen, wie das Edingburgh Festival Fringe, das 2014 nach propalästinensischen, handgreiflichen Protesten die Auftritte einer israelischen Performance-Gruppe absagte. Zuletzt wurde das in London stattfindende israelische Film- und Fernsehfestival »Seret« Angriffsziel der Boykotteure. 40 britische Filmschaffende und Künstler, darunter Mike Leigh und Ken Loach, richteten einen am 8. Juni im Guardian veröffentlichten Aufruf an die beteiligten Kinos, »an der Seite der unterdrückten Palästinenser zu stehen und bei der Veranstaltung nicht mitzumachen«. Das Festival werde »von der israelischen Regierung über die israelische Botschaft in London mitunterstützt«, so entstehe »eine direkte Verbindung zwischen diesen Kinos, den Filmaufführungen des Festivals und der israelischen Politik«.
Es ist das immergleiche Muster: Die Akteure der BDS-Kampagne verweigern jede Auseinandersetzung mit den gezeigten israelischen Beiträgen – die in den wenigsten Fällen »regierungskonform« oder »staatsnah« ausfallen –, und heben ausschließlich auf die finanzielle Beteiligung des israelischen Staates an den Projekten ab. Mit unappetitlichem Eifer werden die Wege nachgezeichnet, auf denen das »schmutzige« Geld aus Israel in die Hände der angeblich mitschuldig gewordenen Kuratoren, Direktoren und Festivalleiter gelangt.
Die Kampagne sei zu einem Selbstläufer geworden, beklagt eine lose Gruppe von in Wien arbeitenden Künstlern und Intelektuellen in einer Online-Petition, die dazu aufruft, die Auseinandersetzung mit künstlerischen und politischen Positionen wiederaufzunehmen. Die Petiton mit dem Titel »Challenging Double Standards«, zu deren Unterzeichnerm so unterschiediche Leute wie Diedrich Diederichsen, Eva Menasse, Sybille Berg und Micha Brumlik gehören, verstehen die Initiatoren als Antwort auf den wachsenden Einfluss der BDS-Kampagne in der Kunstszene. BDS fungiere als eine »Solidarisierungsgeste«, die hohen »Diskursprofit« verspreche. Ohnehin sei das Ressentiment gegenüber dem Staat Israel innerhalb einer sich globalisierungskritisch, antikolonial und antinational definierenden Kunstszene besonders ausgeprägt.
Der Wiener Soziologe Oliver Marchart gehört zu den Autoren der Petition. Marchart hatte das antiisraelische Ressentiment anhand der Installation »The Zoo Story« des österreichischen Konzeptkünstlers Peter Friedl 2007 aufgezeigt. Es ging um eine ausgestopfte Giraffe, die für Furore auf der 12. Documenta in Kassel sorgte. Das Tier soll in einem palästinensischen Zoo gelebt und bei einem israelischen Militärschlag gestorben sein. Das Präparat wurde schnell zum Symbol für all das Unrecht, das Israel den Schwachen und Wehrlosen antue. »Ausgerechnet unter einem deutschen Kuratorenpaar«, kritisiert Luisa Ziaja, die ebenfalls zu den Initiatoren des offenen Briefes gehört, wurde auf der Documenta »eine Art Täter-Opfer-Umkehr nahegelegt: Schaut her, die Israelis sind ja auch nicht besser als die Nazis.«
Mit der Petition will man nun vor allem jene Kulturleute erreichen, die bislang die Boykottbewegung unterstützen. In der Petition »Challenging Double Standards« heißt es: »Die BDS-Bewegung wurde von verschiedenen Akteuren aus dem gesamten politischen Spektrum für die Anwendung der doppelten Standards, die wir hiermit erwähnen, kritisiert. Der Konflikt ist emotional hoch aufgeladen, vor allem für die meisten Palästinenser und Israelis und für viele andere Juden, Araber und diejenigen, die mit ihm zu tun haben. Es ist verständlich, dass Aktivisten von dem Thema angezogen werden. Aber wenn sich das emotionale und politische Engagement in diesem Konflikt praktisch und öffentlich zu einem Massenphänomen auswächst, ist es vielleicht an der Zeit zu fragen: Warum Israel?«
Dass Initiativen wie ihre es nicht mit der international einflussreichen BDS-Bewegung werden aufnehmen können, wissen die Unterstützer der Petition. Aber sie wollen es dem antijüdischen Mainstream in der Kunstszene nicht zu leicht machen. Es gehe darum, sagt Ziaja, »die Dinge zu verkomplizieren«.