Die Serie »Real Humans«

Die Emanzipation der Maschinen

Die schwedische Serie »Real Humans – Echte Menschen« schildert eine Zukunft, in der menschenähnliche Roboter zum Alltags­leben gehören.

Der Traum von Arbeitskräften, denen man keinen Lohn zahlen muss und die keinen Ärger machen, scheint hier Wirklichkeit geworden zu sein: In der Welt der schwedischen Science-Fiction-Serie »Real Humans« werden Roboter in der Industrie, aber auch für Dienstleistungen und Care-Arbeit im Haushalt eingesetzt. In vielen Familien gehören sie als Altenpfleger oder Babysitter wie selbstverständlich dazu. Endlich habe man Zeit für die wirklich wichtigen Dinge im Leben, heißt es in einem Werbespot für die Roboter.
Doch schnell zeigt sich, dass man es nicht nur mit einer nützlichen Maschine zu tun hat und dass die Veränderungen des gesellschaftlichen Lebens durch den Einsatz von Robotern, deren Dienstleistungen für die breite Masse erschwinglich sind, sehr tief gehen. Vor allem wird plötzlich nicht mehr klar, was eigentlich einen Menschen von einem Ding unterscheidet.
Ein solcher Roboter, eine dem Menschen nachempfundene intelligente Maschine, tauchte bereits 1920 in einem Theaterstück des tschechischen Autors Karel Čapek auf. In seinem Stück »R.U.R.« rebellieren die zu Arbeitssklaven degradierten Roboter – eine Bezeichnung, die sich vom tschechischen Wort für Fronarbeit, »robota«, ableitet – und beginnen mit der Vernichtung der als minderwertig betrachteten Menschen. Dieses Motiv des Kontrollverlusts über das künstliche Leben zieht sich durch Literatur, Film und Fernsehen: Was als willenloser Diener geschaffen wurde, entwickelt einen eigenen Willen und stellt den Gehorsam in Frage. Nicht selten endet das in Aufständen und Kriegen gegen die Menschheit; die Schreckensszenarien lassen sich entweder als konservative Warnung vor dem Versuch deuten, Schöpfer zu spielen, oder als Vision einer Emanzipation von Unterdrückung und Fremdbestimmung.
Auch in »Real Humans« findet sich dieses Motiv wieder: Einer der Handlungsstränge folgt einer Gruppe von Robotern, die auf »frei« programmiert wurden und keinen Besitzer haben. Anstatt den Aufstand anzuzetteln, sind die »Freien« – zumindest in der ersten Staffel – aber hauptsächlich damit beschäftigt, sich in Kellern und auf Dachböden zu verstecken. Auch ist man sich über das weitere Vorgehen alles andere als einig: Soll man mit Hilfe des geheimen Autonomie-Programmiercodes alle Roboter befreien oder das doch lieber bleiben lassen, um nicht Hass und Vernichtung durch die Menschen heraufzubeschwören, die ihren Status als Krone der Schöpfung vermutlich nicht aufgeben wollen?
Aber nicht nur die auf »frei« programmierten Roboter entwickeln eine Persönlichkeit. Auch die anderen sammeln Erfahrungen, entdecken und lernen, entwickeln Geschmack und Neigungen, schreiben sich gegenseitig E-Mails und lesen Bücher. Auch die Einstellung zum Nachwuchs der Maschinenmenschen ändert sich: Was auf den ersten Blick bloß ein weiteres neues Produkt zu sein scheint, etwas, das man nach dem Erwerb auspackt und dessen Akku man auflädt, bevor man die Quickstart-Taste drückt, wird zu einer großen Herausforderung, die nicht alle bereit sind anzunehmen. »Ich will, dass meine Kinder mit Menschen aufwachsen, echten Menschen«, sagt die Anwältin Inger Engman zu Beginn der Serie. Aber im Laufe der ersten Staffel wird sie sich von einer Skeptikerin zu einer bedingungslosen Kämpferin für die Gleichberechtigung von Mensch und Roboter entwickeln.
»Echte Menschen« – das ist nicht nur der Titel der Serie, sondern auch der Name einer Partei, die dem Vordringen der Roboter in Bereiche, die bisher der Interaktion von Menschen vorbehalten waren, ablehnend gegenübersteht. Der Sticker mit der Aufschrift »Echte Menschen« prangt auf so manchem Auto, in den Supermärkten findet man roboterfreien Kaffee. Der Grund für die Skepsis scheint hauptsächlich die Angst vor der eigenen Minderwertigkeit zu sein: Die Roboter sind die besseren Liebhaber und effizienteren Arbeiter. Viele Menschen sehen sich in ihrer Existenz bedroht, beklagen den Verlust des Arbeitsplatzes oder wurden von ihrem Partner für einen Roboter verlassen. Es wird angedeutet, dass es in bestimmten Bereichen kaum noch menschliche Arbeitskräfte gibt. Eine genauere Reflexion darüber, welche gesellschaftlichen Auswirkungen das hat, findet in der ersten Staffel der Serie leider nicht statt.
Als »transhumansexuell« werden die Menschen bezeichnet, die sich in Roboter verlieben. Und natürlich sagt der überforderte Vater zu seinem verliebten 15jährigen Sohn, dass das mit dem Roboter vielleicht nur eine Phase sei. Wenn Therese Pålsson ihren Mann für ihren Roboter Rick, einen Modellfitnesstrainer, verlässt, scheint es weniger um die Liebe zu einer Person als um Bedürfnisbefriedigung zu gehen. Rick ist der perfekte Lover, der immer zuhört, immer potent ist, der keine Widerworte gibt, den man upgraden und ausschalten kann und auf den man nicht eingehen muss. Es scheint so, dass Therese ihren Roboter für menschlicher ansieht, als er ist, und Programmierung mit Gefühlen verwechselt. Aber ganz so einfach macht die Serie es den Zuschauern nicht. Bereits in den ersten Minuten der ersten Folge passiert das scheinbar Unmögliche: Ein Roboter und damit eine Maschine, deren Unfähigkeit zu Gefühlen sicher zu sein scheint, spricht von Liebe.
»Real Humans« fragt danach, was einen Menschen eigentlich ausmacht und ob die Grenze zum Nichtmenschlichen so klar zu ziehen ist. Das deutet sich schon durch den Produktnamen »Hubots« an, eine Fusion von Human und Robots. Auch äußerlich sind die Roboter bald nicht mehr von Menschen zu unterscheiden. Entsprechend kompliziert gestaltet sich der Umgang mit den Hubots: Das Wissen, dass es sich um künstliches Leben handelt, bleibt immer präsent, aber was gezeigt wird, sind Persönlichkeiten. Nicht selten wandelt sich die Beziehung der Menschen zu ihrem Hubot-Gegenüber blitzschnell: Gerade war es noch ein Produkt, das man bei Funktionsstörung entsorgt, dann entsteht plötzlich eine emotionale Bindung, inklusive Schuldgefühle.
Es dauert nicht lange, bis vor Gericht dagegen geklagt wird, dass Hubots nur der Rechtsstatus eines gewöhnlichen Besitzgegenstandes zukommt. Warum soll nur ein Mensch Rechtssubjekt sein, wenn Hubots auch die Kriterien autonomer Subjekte erfüllen? Es wird deutlich, dass etwas ins Wanken gerät: der Begriff des Menschen selbst. Denn dieser ist komplexer als eine rein biologische Bestimmung. Subjektivität, Selbstbewusstsein, Sozialität, aber auch die eher diffuse Kategorie der Menschlichkeit sind aus diesem nicht wegzudenken. Was also, wenn Roboter plötzlich zu Subjekten und sozialen Wesen werden? Wenn sie Selbstbewusstsein entwickeln und ihr Verhalten »menschlich« ist?
Inger Engman bringt es auf den Punkt: »Sind wir nicht auch irgendwie Maschinen? Wir leben mit ihnen, haben Sex mit ihnen, verlieben uns in sie, wo ist der Unterschied?« Die Faszination, der Grusel und die Frage nach dem Umgang mit künstlicher Intelligenz werden in dieser Serie auf überzeugende Weise dargestellt. Einige Androiden wehren sich dagegen, fremdbestimmte Dienstleister zu sein, dennoch bleibt diese Lebensform ein Produkt der kapitalis­tischen Gesellschaft und ein Spiegel der Menschen, die sie konstruiert und programmiert haben. Unter den autonomen Hubots sind diejenigen, die von Befreiung und der friedlichen Koexistenz von Menschen und Robotern träumen, in der Minderzahl. Rassismus, Homophobie und Mackertum gibt es auch unter den Robotern, und die meisten Maschinenmenschen folgen dem bürgerlichen Ideal und wollen ein ordentliches Häuschen mit Vorgarten und lachende Kindern. Echte Menschen eben.

Die erste Staffel wird ab dem 10. April auf Arte wiederholt, die Ausstrahlung der zweiten Staffel soll im Mai folgen.