Über die faschistische New British Union

Mussolini goes Britain

Im Januar gründete sich in Großbritannien die New British Union. Sie orientiert sich am italienischen Faschismus und an Oswald Mosley.

Über den Erfolg der rechtspopulistischen United Kingdom Independent Party (UKIP) bei den Kommunalwahlen im Mai in England wurde vielfach berichtet (Jungle World 23/2013) und auch die English Defense League (EDL) gelangt immer wieder in die Schlagzeilen. Weit weniger bekannt ist jedoch, dass sich in der extremen Rechten nun auch eine offen neo-faschistische Gruppierung zu etablieren versucht. Die New British Union (NBU) knüpft an die British Union of Fascists (BUF) an. Die sogenannten »Blackshirts« unter Oswald Mosley hatten in den dreißiger Jahren in Großbritannien etwa 50 000 Mitglieder. Die BUF wurde 1940 verboten und ihre Führung bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs interniert.

Die NBU wurde von Gary Raikes, einem ehemaligen Mitglied der British National Party (BNP), gegründet. Raikes leitete die BNP in Schottland und arbeitete eng mit deren Vorsitzendem Nick Griffin zusammen. In der NBU wird Raikes unmissverständlich als »Führer« bezeichnet, die BNP weist derweil jegliche Beziehung zur NBU zurück. Gegründet hat sich die NBU im Januar, auf ihrer Website sind etwa 50 regionale Koordinatoren aufgelistet, auch internationale Kontakte nach Australien, in die USA sowie nach Italien und Polen sind dort verzeichnet. Viele der »Koordinatoren« haben eine Vorgeschichte in anderen rechtsextremen Organisationen wie der EDL, der BNP sowie der National Front. Neu an der NBU ist vor allem ihr explizit positiver Bezug auf den italienischen Faschismus sowie dessen britischen Ableger in den dreißiger Jahren.
Auf der Website der NBU wird neben rassistischer und anti-muslimischer Propaganda auch eine umfangreiche Kritik der repräsentativen Demokratie vertreten. Raikes hat in unterschiedlichen Interviews diesen Aspekt der NBU in den Vordergrund gestellt. So sagte er im Gespräch mit der Sun: »Wenn Demokratie heißt, dass jeder was zu sagen haben soll, dann bin ich kein Demokrat. Ich denke, der Liberalismus ist eine Krankheit, die ausgerottet werden muss.«
Die positive Bezugnahme auf den Faschismus spiegelt sich auch in den Webbannern wieder, die den Internetauftritt der Organisation schmücken, dort heißt es zum Beispiel: »Einige Menschen sind Faschisten, gewöhnt Euch dran!« Das Tragen von schwarzen Hemden und Uniformen wird als Abgrenzung zu »Politikern in Schlips und Krawatte« angepriesen. Auch der Hitlergruß wird offen propagiert und gezeigt, denn dies sei lediglich eine »alt-römische Begrüßungsart«, wie Raikes erklärt.

Die Anlehnung an Mosleys Faschisten stellt für die Vertreter der NBU kein Problem dar. Die Faschisten seien niemals Antisemiten gewesen, findet zum Beispiel Matthew Gill, der ehemalige Koordinator für Politik bei der NBU. Bei einem Interviewtermin mit der Sun präsentierte Gill sich den Journalisten in schwarzer Uniform. Mussolini sei nur von den Nazis verblendet worden, selbst jedoch kein Antisemit gewesen, sagte Gill. »Du kannst uns nicht mit dem Nazismus vergleichen, die waren Nationalsozialisten und ich bin das nicht.« Gill hat sich inzwischen von der NBU losgesagt, doch das macht seine Ansichten nicht richtiger.
Dass Oswald Mosley sich von den deutschen Nazis in seiner politischen Ausrichtung deutlich unterschieden habe, wird auf der Website der NBU und auch in rechtsextremen Internetforen immer wieder betont. Mosley habe, so wird argumentiert, Sympathisanten der Nationalsozialisten und bekennende Antisemiten wie William Joyce aus der Bewegung verdrängt.
1936 war es bei der BUF tatsächlich zu einigen Veränderungen gekommen, von denen man allerdings auf der Website der NBU nichts erfährt. Im Oktober 1936 hatten die Blackshirts zu einem Marsch durch das Londoner East End aufgerufen, wo viele Juden wohnten. 300 000 Antifaschisten, Kommunisten und Anarchisten war die ­antisemitische Botschaft dieses Aufmarsches klar, sie stellten sich den Blackshirts entgegen. Nach der »Schlacht an der Calbe Street« war die BUF deutlich geschwächt. Die britische Regierung verbot das Tragen von politischen Uniformen bei Demonstrationen und Mosley entschied sich für eine Strategieänderung, er setzte nun auf moderatere Töne, um Anhänger zurückzugewinnen. Dazu gehörte auch die stärkere Abgrenzung von den deutschen Nazis und deren Antisemitismus. Das änderte allerdings nichts daran, dass Mosley und die BUF ihre antisemitische Ideologie beibehielten.
Die Bezugnahme auf Mosley und die BUF könnte dafür sorgen, dass die NBU eine marginale Erscheinung der britischen Rechten bleibt. Dabei hat sich durch den Erfolg der rechtspopulistischen UKIP am rechten Rand des politischen Spektrums durchaus Raum für neue Organisationen geöffnet. Die BNP ist im Zuge des Erfolges der UKIP weitgehend gescheitert, während die EDL derzeit versucht, sich moderater zu präsentieren, und zu beweisen, dass sie nicht rassistisch sei.

Im Mai gelang es der EDL, 2 000 Unterstützer im nordenglischen Newcastle zu versammeln, es war einer ihrer größten Aufmärsche der vergangenen Jahre. Anlass war der Mordanschlag auf den britischen Soldaten Lee Rigby in der Nähe einer Kaserne in London Ende Mai. Die Attentäter waren zwei Briten, die einer islamistischen Gruppierung angehörten. Die EDL versuchte bereits unmittelbar nach dem Anschlag, politisches Kapital daraus zu schlagen. Insgesamt kam es in Großbritannien in Folge des Attentats zu einem starken Anstieg von Straftaten, die sich gegen Muslime richten. Die NBU könnte von dieser Entwicklung ebenfalls profitieren und Anhänger aus der rechten Szene hinzugewinnen, denen die EDL zu zahm ist. Dazu passend betont die NBU, dass man keine Probleme mit Doppelmitgliedschaften habe. Im Herbst soll eine »nationale Konferenz« an einem geheimen Ort stattfinden.
Bei der NBU zeigen sich jedoch schon erste Verfallserscheinungen. Matthew Gill gelangte zu der Erkenntnis, dass die Partei doch antisemitisch sei. Vor kurzem teilte er mit, er werde nun mit der Polizei zusammenarbeiten, um Jugend­liche vor den Faschisten zu warnen. Außerdem sagten sich auch zwei ehemalige britische Soldaten, die als regionale Koordinatoren verzeichnet waren, von der Organisation los, nachdem ihre Identität in einer Regionalzeitung öffentlich gemacht worden war. Nicht zuletzt daran wird wohl der »Sicherheitschef« der NBU, John Ryan, gedacht haben, als er auf der Website der NBU kürzlich bloggte, es solle endlich eine »Liste aller Politiker, sogenannter Persönlichkeiten, Journa­listen, Organisationen und ausgesprochenen Feinde von Großbritannien« angefertigt werden. Ryans Beitrag endete mit den Worten: »Britannien erwache!«