Event: Wohnungssuche

Der Platz vor dem Berliner Congress Center am Alexanderplatz ist schon wieder fast leer. Bereits eine halbe Stunde nach dem Beginn der »Ersten langen Nacht der Wohnungsbesichtigungen« sind es noch rund 30 Menschen, die am frühen Donnerstagabend auf dem Bürgersteig stehen. Sie warten auf die Rückkehr der Busse, die in acht Stadtteile ausgesandt wurden, um die anstrengende Wohnungssuche als Unterhaltungsevent zu inszenieren. Der RS2-Showtruck, der die Veranstaltung mit Hits aus den Charts begleitet, begeistert niemanden. Die Polizei interessiert sich für zwei pinkfarbene Transparente, die sich gegen »Gentrifizierung« und »Kiezenteignung« wenden. Ein Polizist wertet das als Gegenkundgebung und nimmt die Personalien eines Mannes auf, der für diesen Anflug von Protest verantwortlich gemacht wird. Die Kritik bleibt berechtigt, allerdings verschwinden die Besitzer der Transparente, die bekunden, einigermaßen »verkatert« zu sein, nach einer knappen Stunde wieder. Es bleiben diejenigen, die sich über ein Spektakel amüsieren, bei dem die eigenen Kieze im Reisebus vom Tourguide als Ware angepriesen werden. Der Oktoberwind lässt die Fahnen von »Immobilien­scout24« flattern und die Anwesenden ihre Schals enger binden. Auch der aus Pappbechern geschlürfte Glühwein schafft keine Wärme beim Warten auf den Bus. Hier am Alexanderplatz wirken die Veranstaltung und der Protest wie eine peinliche Schmach. Doch der Schein trügt: Die langen Wartezeiten sind Resultat linker Protestaktionen. Im Laufe des Abends kommt es vor allem in Kreuzberg zu Einsätzen der Polizei. Trotz allem gelang dem Veranstalter seine Promotion. Hier am Alexanderplatz umfasst sie zwar nur einen Pressestand, das Verteilen der supercoolen Immobilienscout24-Stoffbeutel und einen N24-Reporter, doch allein die Zahlen – über 1 000 Menschen beguckten in fünf Stunden 150 Wohnungen – wurden auf dem Internetportal als großer Erfolg gewertet. Na super, jetzt soll der Spaß auch noch in anderen Städten weitergehen!