Die Koalitionsverhandlungen in Berlin

Im dritten Anlauf

SPD und Grüne verhandeln in Berlin über eine Koalition. Die andernfalls drohende große Koalition könnte die Grünen gefügig machen.

Gleich nach der Pressekonferenz setzte sich Volker Ratzmann in seinen schwarzen Volvo-Kombi und brauste davon. Ramona Pop, seiner Kollegin in der Fraktionsdoppelspitze der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, genügte ein kleiner französischer Flitzer. Soeben hatten die beiden Berliner Landesvorsitzenden Daniel Wesener und Bettina Jarasch verkündet, dass die Grünen in den kommenden Wochen mit der SPD über eine Koalition verhandeln wollen. Auffallend still standen Ratzmann und Pop daneben, ebenso wie Renate Künast, die gescheiterte Spitzenkandidatin. Nach der Wahl haben sich die Machtverhältnisse innerhalb der Berliner Grünen auffallend verschoben.
Denn mit seinem »hochprofessionellen Wahlkampfkonzept« hatte der »realpolitische Flügel« der Grünen in Berlin die Partei von 30 Prozent Zustimmung in den Umfragen auf 17 Prozent am Wahlabend heruntergezogen. Nur dadurch, dass etwa zwei Wochen vor der Abstimmung einige Kandidaten des linken Flügels der Grünen begannen, auf Distanz zum Wahlkampf der eigenen Partei zu gehen, konnte ein größeres Desaster verhindert werden. Die fast inhaltsleere und nur auf die Person Künast zugeschnittene Wahlwerbung floppte, während die Kandidaten in Friedrichshain-Kreuzberg, die eher inhaltliche Auseinandersetzungen führten, fünf von sechs Direktmandaten erhielten. Auch das Kokettieren von Künast und ihren Kollegen mit einer schwarz-grünen Koalition kam nicht gut an. Es sei »vielleicht der härteste Wahlkampf« gewesen, »den je ein grüner Landesverband geführt hat«, ließen die Grünen wissen. Man kann die innerparteilichen Abgründe, die sich hinter dieser Formulierung verbergen, nur erahnen.
Trotzdem sind sich alle Flügel der Berliner Grünen einig: Man will eine rot-grüne Koalition. Endlich, im dritten Anlauf, nach zwei gescheiterten Versuchen Ende der achtziger Jahre und Anfang des neuen Jahrtausends, soll es gelingen. Mit einer Zustimmung von fast 99 Prozent wurde am vergangenen Freitag eine fünfzehnköpfige Kommission beauftragt, offizielle Verhandlungen mit der SPD aufzunehmen. Genüsslich bohrt allerdings Klaus Wowereit (SPD), der alte und wohl neue Regierende Bürgermeister, in der Wunde der Grünen: ihre allzu prinzipielle Ablehnung eines weiteren Ausbaus der Stadtautobahn, die ihr im Spiel der parlamentarischen Kompromisse hinderlich ist. Eigentlich dürfte es – mit Blick auf den Verkehrsetat – auch der Bundesregierung recht sein, wenn von dem Projekt Abstand genommen würde. Doch zu sehen, wie sich eine rot-grüne Koalition daran aufreibt, wird sich Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) gerne 420 Millionen Euro kosten lassen.
»Aber versuchen müssen wir eine neue Koalition auf jeden Fall«, betonen selbst die grünen Parteilinken. Und dabei versucht man eben, die Demütigungen durch die politischen Gegner so gut wie möglich an sich abprallen zu lassen. Denn angesichts der Alternative einer rot-schwarzen Koalition erscheint es als das kleinere Übel, die eigenen Positionen preiszugeben. »Weniger Scheiße als die anderen«, lautete ein Wahlkampf­slogan der Kreuzberger Grünen. Für mehr reicht es zur Zeit nicht.