Über die Ausstellung »Based in Berlin«

Kreative Leistungsträger

Fünf Ausstellungsorte, acht Kuratoren, achtzig Künstler: »Based in Berlin« lässt Documenta-Stimmung aufkommen.

Marketing is a bitch«, so könnte man die Entstehungsgeschichte der Kunstausstellung »Based in Berlin« zusammenfassen: Nachdem 2010 die Temporäre Kunsthalle auf dem Gelände des inzwischen abgerissenen Palasts der Republik geschlossen wurde, wurde erneut über die dauerhafte Einrichtung einer Kunsthalle diskutiert. Investoren wie Nicolas Berggruen, aber auch die Politik hatten das Projekt mittlerweile aufgegeben, der Regierende Bürgermeister Berlins, Klaus Wowereit, versuchte dem Projekt jedoch noch ein letztes Mal Leben einzuhauchen und lobte eine »Leistungsschau« junger Kunst aus Berlin aus. Ein Sturm der Entrüstung fegte durch das Feuilleton: Den fragwürdigen Begriff von der »Leistungsschau« mit der Forderung nach einer neuen Kunsthalle zu verknüpfen, die nicht zuletzt wegen anhaltender drastischer Kürzungen im Berliner Kulturbetrieb umstritten ist, war mehr als unglücklich. Als Ort der Veranstaltung wurde der Humboldthafen, in der direkten Umgebung des Hamburger Bahnhofs, ins Spiel gebracht, der bisher auch als Räumlichkeit für die Kunsthalle verhandelt wurde. So wurden also, lange bevor es überhaupt konkrete Planungen gab, erbitterte Diskussionen geführt.
Nun trifft auf die Nachwuchskünstler-Ausstellung »Based in Berlin« zu, was für viele Veranstaltungen in der Hauptstadt gilt: Standen die meisten Kritiker der Schau im Vorfeld negativ gegenüber, waren die Stimmen nach der Eröffnung am 8. Juni größtenteils wohlwollend.
Zentraler Ausstellungsort ist das ehemalige Atelierhaus im Monbijoupark – und nicht der Humboldthafen. Geschickt hat man sich damit von der heiklen Debatte um die Kunsthalle entfernt, denn das Atelierhaus soll nach dem Ende der Ausstellung endgültig abgerissen werden.
Der Zugang zum Haus wie auch zur Ausstellung ist offen gestaltet, der Eintritt ist für alle Besucher frei. Ein großes, lichtdurchflutetes Café, das von dem Berliner Clubmacher und Zwischennutzungsprofi Heinz Gindullis, besser bekannt unter dem Namen Cookie, betrieben wird, lädt auch Leute ein, die die Ausstellung nicht besuchen wollen. Teile der Ausstellung sind in den Kunst-Werken, im Hamburger Bahnhof, in der NBK und in der Berlinischen Galerie untergebracht.
Inhaltlich haben sich die Kuratoren vom Begriff der »Leistungsschau« distanziert. Dass Berlin die international wichtigste Produktionsstätte zeitgenössischer Kunst sei, ist dagegen zur vielzitierten These der Ausstellung geworden. Klaus Biesenbach, Direktor des New Yorker MoMA PS1, und seine beiden Kollegen, Christine Macel, Chefkuratorin des Musée nationale d’art moderne im Centre Pompidou, und Hans-Ulrich Obrist, Co-Direktor der Serpentine Gallery, haben eine fünfköpfige Gruppe junger Kuratoren gecastet, die ihrerseits insgesamt 80 Künstler eingeladen hat. Zuvor hatte es eine öffentliche Ausschreibung gegeben, der Atelierbesuche und Gespräche folgten.
Bürgermeister Wowereit ist nicht nur in den Berichten über die Ausstellung allgegenwärtig, sondern auch in den Räumen selbst. Im unteren Flur des Atelierhaus hängen die Fotos, die Jay Chung und Takeki Maeda von den beiden Herausforderern des Regierenden Bürgermeisters gemacht haben. Im obersten Raum der Kunst-Werke hängt Wowereits Konterfei so verloren an der Wand wie das Bild eines Staatsschefs, das man nach der Revolution vergessen hat abzuhängen. Es handelt sich um den Raum der Performancegruppe »after the butcher«, die die Ausstellung vor allem nutzt, um sie zu kritisieren. Auf Flugblättern protestieren die Künstler gegen den Charakter der Ausstellung als Prestigeprojekt der Kulturszene: »1,7 Millionen Euro wurden von der Politik für dieses Projekt zur Verfügung gestellt. In Zeiten schmaler Finanzmittel und allseitiger Etat-Kürzungen ein dicker Brocken, der darauf hindeutet, dass die Politik dieser Ausstellung höchste Priorität einräumt.« Regelmäßig bespielt die Gruppe den Raum mit ihren Performances.
Was bleibt nach der Kritik und dem Hype? Der Wille, etwas für den Kreativnachwuchs der Stadt zu tun, von dem angeblich alle sprechen, vermischt sich mit einer unglücklichen Standortpolitik. Doch die Ausstellung ist einmal mehr der Beweis für die Ahnungslosigkeit der Berliner Politik. So ist das Typische an Berlin mittlerweile der permanente Versuch auszuloten, wer man ist und wie man ist. Und das Zweifelnde ist der Veranstaltung anzumerken. Nur eines weiß man sicher: Ein bisschen dreckig soll es sein, ein bisschen unfertig. Entsprechend wurden die Räume im Monbijoupark auch gestaltet. Das Halbfertige, die Zwischennutzung, Graffiti und Disko­kugel inklusive, sind das Einzige, was in Berlin fast immer gelingt, egal ob es um eine etablierte Institution, eine Kneipe oder eine Openair-Rave-Location geht.
Das böse Wort von der »Leistungsschau« aber hatte unfreiwillig offenbart, dass der Kunstmarkt keine Kuschelstube für selbstlose Connaisseure ist. Was von allem übrig bleibt? Ein bisschen Lohn über den Sommer für die, die Jobs ergattern konnten oder ausstellen durften, ein bisschen Kritik für andere, ein bisschen kostenlose Kunst für alle, die sich dafür interessieren, und ein bisschen Selbstbeweihräucherung für die, die sich verantwortlich fühlen; doch leider letztlich nicht mehr als das schale Gefühl, dass diese Stadt schneller in ein großes Bielefeld verwandelt wird, als allen lieb sein kann.
Die Ausstellung musste sich mangelnde Kuratierung vorwerfen lassen. Viele vermissten einen roten Faden. Es stimmt: Schnell macht sich ein Documenta-Gefühl breit. Vielleicht bleibt das bei solchen Veranstaltungen aber auch nicht aus. Der durchaus gewollte Charme des Rohbaus und des Zufälligen lässt zumindest den Eindruck eines Rundgangs durch eine Kunsthochschule entstehen. Das Fehlen von thematisch Verbindendem muss letztlich auch kein Manko sein. So kann der Besucher sich auf die Suche nach seinen Lieblingsstücken machen.
Die Malerei ist nicht mehr so präsent wie in den zahlreichen Berliner Ausstellungen zur Gegenwartskunst in den vergangenen Jahren. Dagegen ist die Performancekunst, das nicht eben einfach zu vermarktende Stiefkind des aktuellen Kunstmarkts, ein fester Bestandteil des Programms.
Leider wird der Begriff »Nachwuchs« sehr weit gefasst. Künstler wie der hochgelobte Cyprien Gaillard, der schon lange Rekordpreise für seine Videoarbeiten erzielt, oder der im Bereich der elektronischen Musik etablierte Künstler Pantha du Prince sind mittlerweile eher alte Hasen. Positiv fallen die Videoarbeiten und die Ready-mades auf. Die beeindruckendste Videoarbeit findet sich im unteren Geschoss der Kunst-Werke. Der Kanadier Jeremy Shaw, der Berlin derzeit mit seinen »Christiane F.«-Plakaten zugepflastert hat, hat den verdunkelten Raum ganz für sich. Auf zwei einander gegenüberliegenden, fast raumgroßen Leinwänden sind Szenen eines Straight-Edge-Hardcore-Konzerts zu sehen. Die Videobilder sind enorm verlangsamt, dazu läuft Ambient. Die Nüchernheit, die die Straight-Edge-Bewegung propagiert, wird durch den Trancezustand der Tanzenden karikiert: der Raum wirkt wie ein Club und dessen gleichzeitige Verneinung mittels der verlangsamten Bilder und der eher ruhigen Musik.
Aber solche Kunstpositionen sind die Ausnahme. Im Einführungstext des Katalogs sprechen die Kuratoren von der »Youtube-Kultur«, die sich auch in der Gegenwartskunst bemerkbar mache. Sie beschreiben diese Veränderung als logischen Prozess: »Wenn wir früher eine Kulturindustrie hatten, die passive Zuschauer mit massenproduzierten Kulturprodukten fütterte, erscheinen die heutigen Kulturkonsumenten alles andere als passiv. Tatsächlich macht heute jeder Videos, bearbeitet Fotos oder designt seine Webseite.« Manchmal fühlt es sich in der Ausstellung leider auch genau so an.