Bank gegen Banker

In Frankreich fand vorige Woche die Kino-Premiere von »Wall Street II« statt. Gleichzeitig erreichte ein ganz reales Banker-Drama seinen vorläufigen Höhepunkt: Im Fall Jérôme Kerviel wurde das Urteil gesprochen. Der Trader hatte seine Bank, die französische Société Générale (SG), Anfang 2008 an den Rand des Ruins gebracht. Damals wurde bekannt, dass er Milliardenverluste angehäuft hatte. Kerviel wurde in der beginnenden Finanzkrise zum Inbegriff des »Zockers«. Nun hat ein Pariser Gericht ihn wegen Vertrauensbruchs, Fälschung und unbefugter Nutzung von Computersystemen zu fünf Jahren Haft verurteilt. Überdies soll er für die Verluste der Bank in Höhe von 4,9 Milliarden Euro aufkommen. 2 300 Euro verdient Kerviel derzeit als Berater einer IT-Firma. Bei diesem Gehalt müsste er gut 177 000 Jahre arbeiten, um die geforderte Summe zurückzuzahlen.
Kerviels Abteilung in der SG durfte mit 125 Millionen Euro spekulieren. Doch am Ende hantierte er für seine Bank mit 50 Milliarden Euro. Nun wird in Frankreich debattiert, ob das Urteil angemessen sei. »Die Bank ist total reingewaschen«, verkündete Jean Veil, Anwalt der SG, zufrieden nach dem Prozess. Eine Mitschuld der Bank konnte das Strafgericht nicht erkennen. Ließ man Kerviel gewähren, solange er erfolgreich war, um ihm die gesamte Schuld zuzuschieben, als er sich verspekuliert hatte? Immerhin 1,4 Milliarden Euro Gewinn brachte Kerviel seiner Bank im Jahr 2007 ein. War er nur ein kleines Rädchen im System? Das jedenfalls behauptet der Banker in seinem Buch »Memoiren eines Traders«, das am 1. Oktober auch auf Deutsch erschienen ist. Oder war Kerviel ein skrupelloser Betrüger, der seine Bank täuschte? Ein »Terrorist« gar, wie der SG-Vorstandsvorsitzende Daniel Bouton 2008 behauptete? Ist er ein Selbstdarsteller, der nun seine Bedeutung herunterspielt und mit dem Finger aufs System zeigt? In Frankreich jedenfalls sind die Sympathien der Öffentlichkeit eher auf Seiten Kerviels. Zu offensichtlich ist das Bemühen der Bank, systemische Ursachen zu verleugnen. Nur vier Millionen Euro zahlte die SG im Jahr 2008 wegen Verletzung ihrer Aufsichtspflicht. Die Bank hatte von verschiedenen Aufsichtsbehörden über 70 Warnhinweise hinsichtlich des Traders Kerviel erhalten. Der aus einfachen Verhältnissen stammende Aufsteiger erscheint der Bevölkerung nun eher als bemitleidenswerter Antiheld. Wird es demnächst eine Solidaritätsbewegung für den Banker geben?