Die deutsche Debatte zum Asylrecht in der EU

Dritte Liga

Die Bundesregierung kritisiert die Vorschläge der EU, das Asylrecht zu vereinheitlichen. Dabei sind diese Pläne längst bekannt.
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Mit der Überschrift »EU will Schnell-Abschiebung stoppen! Asylbetrüger dürfen bleiben!« zettelte die Bild-Zeitung am Freitag voriger Woche eine Hetzkampagne zum Thema Asyl an. Die kurze Debatte, die von dieser reißerischen Meldung ausgelöst wurde, zeigte einmal mehr, dass sich Deutschland als Aufnahmeland für Asylsuchende schon lange in die dritte Liga verabschiedet hat. Frei von jeglicher Sachkenntnis diskutierten politische Repräsentanten der Regierungskoalition über die Asylvorschläge der EU-Kommission, die schon lange bekannt sind.
Obwohl also Bild nichts enthüllt hatte, reagierten Vertreter der Bundesregierung empört: Deutschland lasse sein Asylrecht kaputt machen, meinte etwa der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Ole Schröder. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt erklärte, das Asylrecht gehöre in nationale Verantwortung. Seit 1999 verhandelt die EU über ein gemeinsames Asylrecht. Und im Jahr 2010 kommt der Vertreter einer Regierungspartei auf die Idee, dass das alles nationalstaatlich geregelt werden soll. Das spricht nicht unbedingt für die Qualität der Debatte.
Im vergangenen Jahr veröffentlichte die EU-Kommission Vorschläge für veränderte Richtlinien zum Thema Asyl. Diese Vorschläge sind kein großer Wurf, sie reparieren vielmehr einige Misstände aus der ersten Harmonisierungsphase, die zwischen 1999 und 2005 stattfand. Die EU beschloss in diesem Zeitraum »weiche« Richtlinien, die man als eine Art Kompendium nationalstaatlicher Praktiken betrachten kann. Die Folge: Die Asylstandards in den EU- Ländern sind sehr unterschiedlich, die Anerkennungsquoten reichen von null bis weit über 50 Prozent. In einigen Ländern bekommen Asylsuchende eine eigene Wohnung, in anderen werden sie in Lager gepfercht, anderswo sind sie obdachlos. Haft für Asylsuchende wird immer mehr zum Standard.
Dass die EU-Kommission diesen rechtlichen Flickenteppich beseitigen will, ist kein Geheimnis.
Die Inhaftierung von unbegleiteten Flüchtlingskindern soll zum Beispiel generell verboten werden. Bei Abschiebungen in ein anderes europäisches Land, beispielsweise nach Griechenland, soll künftig eine Klage auch aufschiebende Wirkung haben. Die EU- Kommission sieht dies bei der Reform der Asylzuständigkeitsregelung (Dublin II-Verordnung) vor. Doch Deutschland blockiert bei den Verhandlungen. Das, was mit einer Sommerlochdebatte via Bild begann, wird sich fortsetzen. Es ist zu erwarten, dass die Bundesregierung selbst kleinste Verbesserungen bei den Verhandlungen über das künftige europäische Asylrecht verhindern wird. Anders als zur Zeit des früheren Bundesinnenministers Otto Schily reicht es heute allerdings nicht mehr aus, einfach »Nein« zu sagen. Die Entscheidungen im Ministerrat fallen nicht mehr einstimmig und das EU-Parlament hat auch noch zu mitzuentscheiden. Das steckt hinter der Angst in Deutschland. Deswegen werden Ressentiments populistisch geschürt.

Der Autor ist Europa-Referent der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl.