Bad Banks

Bad Banks für alle!

Die Idee, andere für die eigenen Schulden zahlen zu lassen, ist bestechend. Bad Banks sollen es möglich machen.

Vor nicht viel mehr als einem Monat demons­trier­ten rund 60 000 Menschen in Frankfurt am Main und Berlin unter dem Motto »Wir zahlen nicht für eure Krise!« Das war zwar gut gemeint, ist aber natürlich Unsinn – selbstverständlich zahlen »wir« für diese Krise. Und vermutlich werden »wir« demnächst auch noch für die Verluste der Banken aufkommen, wenn die Bundesregierung das von ihr noch vor wenigen Monaten abgelehnte Modell so genannter Bad Banks eingeführt hat.
Bad Banks sind eine wirklich hervorragende Idee. Sie sollen die Banken von dem wertlosen Plunder befreien, den die Banker produziert haben. Für die bei Fälligkeit der Papiere absehbaren Verluste steht der Staat gerade und damit vermittelt eben auch alle Lohnarbeiter, Konsumenten, Abgaben-, Steuer- und Gebührenzahler.

Vermutlich wird es auf die Einrichtung dezentraler Bad Banks hinauslaufen. Ursprünglich war über Pläne für eine zentrale Bad Bank diskutiert worden, die sich aber als politisch nicht durchsetzbar erwiesen, weil die im Zusammenhang damit genannten Zahlen allzu furchteinflößend klangen.
Die dezentralen Bad Banks sollen als Zweckgesellschaften einzelnen Banken angeschlossen werden und somit ihnen gehören. Die Banken dürfen ihre wertlosen (»toxischen«) Papiere abgeben und bekommen dafür Schuldtitel. Irgendwann werden aber auch diese Titel mit ziemlicher Sicherheit fällig. Was passiert, wenn die »toxischen« Papiere bis dahin nicht den Wert der Schuldtitel erreicht haben?
Noch im Januar hatte Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) gesagt: »Wie soll ich mit einem solchen Vorschlag vor den Deutschen Bundestag treten? Das Publikum würde uns für verrückt erklären.« Damals war noch die Rede davon, dass ein solches Institut mit Steuermitteln von 150 bis 200 Milliarden Euro ausgestattet werden müsste. Obwohl die FAZ inzwischen Experten zitiert, die das Verlustrisiko auf 500 bis 600 Milliarden Euro taxieren, propagiert der Finanzminister diesen Plan mittlerweile.

Die Lage muss also tatsächlich ernst sein. Vor wenigen Tagen tauchte ein geheimes Dokument der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) auf, demzufolge sich die Kredite und Wertpapiere, die deutsche Banken in problematischen Geschäftsbereichen besitzen, auf 812 Milliar­den Euro summieren, wie die Süddeutsche Zeitung berichtete. Dies zeige, dass die Institute deutlich stärker als bislang von der Finanzkrise betroffen seien, folgerte das Blatt.
Auch die angeblichen Risiken einzelner Kredit­institute wurden in dem Bericht beziffert. Danach verfügen neben der Hypo Real Estate und der Commerzbank vor allem die Landesbanken über große Bestände von Krediten und Wertpapieren, denen die Finanzkrise zusetzen könnte. Bei der Landesbank Baden-Württemberg, der Bayern LB, der HSH Nordbank, der Nord LB und der West LB gehe es insgesamt um Papiere, die zu einem Wert von 355 Milliarden Euro erworben wurden. 180 Milliarden davon gelten bereits als verloren (»toxisch«, langfristig wertlos, Papiermüll). Die übrigen Papiere, die für 175 Milliarden erworben wurden, könnten derzeit nicht gehandelt werden. Bei den Privatbanken seien nach dem Bericht der Bafin bereits 53 Milliarden verloren und Papiere zum Einkaufspreis von 86 Milliarden nicht handel­bar. Darauf, dass sie wieder an Wert gewinnen, darf noch spekuliert werden.
Die Bundesregierung und die Bundesbank reagierten auf die Indiskretion mit hektischen Dementis. Steinbrück beeilte sich zu erklären, die Liste sage nichts über die Situation der Banken aus. Die Bafin stellte wegen der Veröffentlichung Strafanzeige gegen Unbekannt, verkündete jedoch, die Liste lasse »keinerlei Rückschlüsse auf eventuelle Risiken, Verluste oder gar die Bonität der aufgeführten Kreditinstitute zu«. Der Bundesbankpräsident Axel Weber sprach von »Strukturzahlen«, aus denen man »auch nicht im Ansatz« etwas schließen könne. Und weiter sagte er: »Mein Appell ist: Wenn Sie solche Zahlen sehen, ignorieren Sie sie.«

Diesem Aufruf zu folgen, dürfte allerdings kaum möglich sein, zumal die Angaben offenkundig nicht ganz unrealistisch sind. Auf alle Fälle verstärken sie den Druck auf die Regierung, und die Landesbanken warten ohnehin darauf, dass ihre Probleme gelöst werden. Schließlich droht schon Schleswig-Holstein die Pleite, weil das Land für die Verluste der HSH Nordbank aufkommt. Auch in Bayern, Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg belastet das Missmanagement der Staatsbanker die Landeshaushalte beträchtlich.
Wie zu hören war, hat sich die Bundesregierung auf zwei getrennte Varianten zur Bereinigung der Bankbilanzen geeinigt. Die Basisvariante eignet sich für alle von der Finanzkrise belasteten Kreditinstitute. Sie sieht den Aufbau einer Zweckgesellschaft vor, in die ein Geldhaus seine »toxischen« Anleihen einbringen kann. Für ein schlechtes Papier erhält das Institut einen staatlich ­garantierten Schuldtitel mit einer mehrjährigen Laufzeit. Die beim Verkauf oder bei der Tilgung anfallenden Verluste sollen zwar in erster Linie die Banken tragen, doch der Staat soll eingreifen, falls sie dazu nicht in der Lage sind.
Für die Landesbanken ist zusätzlich das Modell »Anstalt in der Anstalt« (Aida) vorgesehen. Es soll vor allem die Möglichkeit bieten, ganze Geschäftsbereiche, die als riskant gelten, wie bei­spiels­weise die Finanzierung des Schiffbaus, abzustoßen. Die Institute sollen auf diese Weise in die Lage versetzt werden, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Aida wird zudem als Versuch gesehen, die lange geforderte Konsolidierung des Landesbankensektors voranzubringen. Für Verluste dieser »Anstalten in der Anstalt« sollen erstrangig die Länder und zweitrangig der Bund bürgen. Um welche Werte es hier geht, ist umstritten und hängt unter anderem von den Ratingagenturen ab, von denen in der nächsten Zeit weiteres Ungemach droht.
So will die Ratingagentur Moody’s noch im Mai die Bewertung Tausender Wertpapiere herabstufen. Papiere von mehr als 270 Milliarden Dollar in aller Welt sollen betroffen sein. In Deutschland dürfte es vor allem die West LB und die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) treffen. Bei der LBBW geht es vor allem um die Zweckgesellschaft Sealink, die sie zusammen mit der ehemaligen Sachsen LB übernommen hatte und in der ein großer Teil des Vermögens der ehemaligen sächsischen Landesbank gelagert ist. Branchenbeobachter rechnen nach Informationen des Handelsblatts mit »deutlichen Wertkorrekturen« bei dem Wertpapierbestand im zweistelligen Milliardenbereich. Für Verluste bis 2,75 Milliarden Euro müsste das Land Sachsen bürgen, für weitere sechs Milliarden die LBBW, und für alles darüber hinaus müssten die Landesbanken gemeinsam haften. Seit der Übernahme hat Sealink bereits einen Wertverlust von über zwei Milliarden Euro verzeichnet.

Dem Betrachter stellt sich die Frage, warum sich eigentlich ausgerechnet die Landesbanken, mithin öffentlich-rechtliche Anstalten, derartig verspekuliert haben. Ursprünglich hafteten die Bundesländer für ihre jeweiligen Landesbanken. Das erwies sich als beträchtlicher Wettbewerbsvorteil. Denn die Garantie ermöglichte es den Banken, billig Geld aufzunehmen, das dann mit Aufschlag an Unternehmen und Banken verliehen wurde. Diese einträglichen und risikolosen Geschäfte wurden jedoch im Jahr 2005 von der EU gestoppt, die eine Verzerrung des Wettbewerbs monierte. Seither müssen die Landesbanken an den Finanzmärkten bestehen, wofür sie aber weder konzipiert noch ausgestattet sind. Viele wissen nicht, wie sie unter diesen Bedingungen noch Profite machen sollen. Sie haben versucht, fehlende Geschäftsmodelle durch immer riskantere Trans­aktionen wettzumachen, die sich bei relativ dünner Kapitaldecke als fatal erwiesen haben.
Die Idee, Schulden einfach auszugliedern und andere dafür zahlen zu lassen, scheint so bestechend zu sein, dass inzwischen alle möglichen Interessengruppen am liebsten ihre eigene Bad Bank gründen würden. So fordert etwa die SPD in Recklinghausen die Gründung einer Bad Bank für den vor der Pleite stehenden Landkreis.
Eine wunderbare Idee, die noch um eine weitere Variante ergänzt werden könnte: Wie wäre es mit Bad Banks für Verbraucher, in die sie ihre Privatschulden ausgliedern können? Schließlich droht vielen von ihnen, deren Girokonto chronisch überzogen ist, bei der sich verschärfenden Finanzkrise die Insolvenz.