Möglicherweise überlappend

Großes Vertrauen in den erfolgreichen Kampf gegen die globale Erwärmung haben die Anrainerstaaten der Arktis nicht. »An der Schwelle bedeutender Veränderungen« stehe die Region, stellten Vertreter Dänemarks, Kanadas, Norwegens, Russlands und der USA in der vorigen Woche bei der Arktiskonferenz im grönländischen Küstenort Ilulissat fest. Daraus ergeben sich »Herausforderungen«, aber auch »Chancen«, denn unter dem schmelzenden Eis werden rund 25 Prozent der weltweit nicht erschlossenen Rohstoffe, vor allem Erdöl und Erdgas, vermutet. Im Hinblick auf den Streit um diese Ressourcen einigte man sich in einer Erklärung darauf, die internationale Seerechtskonvention anzuerkennen, die außer den USA allerdings ohnehin schon alle anerkannt haben, und verpflichtete sich in der Abschlusserklärung »auf die geordnete Regelung möglicherweise überlappender Gebietsforderungen«. Für den dänischen Außenminister Per Stig Møller Grund genug, sich zu dem Fazit hinreißen zu lassen: »Jetzt kann sich wieder Frieden über den Nordpol senken.«
»Die Arktis ist kanadisch. Sie ist unser Eigentum. Unser Meer«, sagte Peter MacKay, der Außenminister des Landes, im vergangenen Jahr, ähnlich äußerten sich Politiker anderer interessierter Staaten, und die Russen platzierten vorsorglich schon mal ihre Flagge auf dem Meeresboden. Das lässt Zweifel daran aufkommen, dass die Ilulissat-Erklärung die Streitigkeiten für immer beendet hat. Entscheidend ist die Kontinentalschelf-Regel, derzufolge ein Staat eine dem Festland vorgelagerte Zone von 350 Seemeilen wirtschaftlich nutzen darf. Dafür ist der Nachweis nötig, dass sich der Festlandsockel eines Landes auf dem Meeresboden fortsetzt. Geologische Gegebenheiten und nationalstaatliche Ansprüche passen nicht recht zusammen, dennoch überbieten sich die Anrainerstaaten in der Konstruktion solcher Beweise. rs