Positiv denken

Die Koalitionsverhandlungen zwischen der Hamas und der Fatah von michael borgstede

Als die ersten Berichte über eine mögliche Koalitionsregierung zwischen der Hamas und der Fatah in den Palästinensergebieten veröffentlicht wurden, kannte die internationale Begeisterung kaum Grenzen. Voller Euphorie soll man bei der EU in Brüssel bereits darüber nachgedacht haben, die Hamas langfristig von der Liste der Terrororganisationen zu streichen. Fast schien es, als hätte man vielerorts nur auf den Startschuss gewartet, um endlich wieder eine aktivere Rolle im israelisch-palästinensischen Konflikt spielen zu können.

Hat die Unnachgiebigkeit der »internatio­na­len Gemeinschaft« vielleicht doch Erfolg gezeigt? Als Voraussetzung für politische Kontakte und die dringend benötigten Hilfszahlungen müsse die Hamas-Regierung Israel anerkennen, der Gewalt abschwören und alle bisher geschlossenen Abkommen anerkennen – seit Monaten vertritt das Nahost-Quartett diese Linie in seltener Einigkeit. Die Eindeutigkeit der gräulichen Hamas-Charta ließ wenig Hand­lungsspielraum. Nun schien sich eine Chance auf neues Engagement zu eröffnen.

So spiegeln viele der internationalen Reaktionen auch keine wirkliche Hoffnung auf eine politische Kehrtwende der Hamas wider. Vielmehr scheinen sie von der seltsamen Logik geprägt, man müsse mit der Hamas allein des­halb reden, weil man es acht Monate lang nicht getan hat. Der britische Europaminister Geoff Hoon brachte es auf den Punkt: »Wir müssen positiv denken, wir wollen involviert sein.« Die EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner immerhin warnte, man müsse in der Formulierung »flexibel«, bei den Prin­zipien aber »unnachgiebig« sein.

Israel und die USA wollen verbale Flexibilität jedoch nicht akzeptieren. Sie wünschen sich keine kryptische »implizite« Anerkennung Israels, sondern eine eindeutige Aussage. Für die Hamas dagegen muss jede politische Wand­lung so vage formuliert sein, dass sie bei Bedarf verleugnet werden kann.

Selbst die Pragmatiker unter den Hamas-Politikern träumen noch immer davon, der Staat Israel könne eines Tages von der Landkarte verschwinden. In einem Interview mit der israelischen Zeitung Ha’aretz sagte Sheikh Ahmed Yussef, ein enger Berater von Minister­präsident Ismael Haniya, es sei »nur eine Frage der Zeit«, bis ein binationaler Staat zu einer Machtübernahme der Muslime führen würde. Er versprach, Juden würden unter islamischer Herrschaft friedlich leben können, doch für die Bereitschaft der Hamas, die von Präsident Mahmoud Abbas propagierte Zweistaatenlösung zu unterstützen, sprechen solche Äußerungen nicht.

So konnten die Koalitionsverhandlungen eigentlich nur scheitern. Eine unmissverständliche Warnung aus Washington tat ein Übriges. Die Bildung einer Großen Koalition sollte der Hamas politische Legitimität verschaffen und den internationalen Boykott beenden, doch die US-Regierung droht nun mit einer Ausweitung der Blockade auch auf die Fatah. Am Montag der vergangenen Woche meldete die palästinensische Zeitung al-Ayam, die Koalitionsverhandlungen seien »klinisch tot«, und bald darauf gab selbst Abbas zu, man müsse in den Gespächen wieder »bei Null beginnen«.

Azzam al-Ahmed, ein Fatah-Politiker aus dem Umfeld von Abbas, fordert bereits Neuwahlen. Wahrscheinlich waren al-Ahmed die Ergebnisse einer Umfrage der al-Najah-Univer­sität in Nablus bekannt: Demnach würde die Hamas bei Parlamentswahlen derzeit nur noch 18,8 Prozent der Stimmen bekommen, die Fatah läge bei 34,8 Prozent.