Interview mit Kristina Köhler (heute Kristina Schröder) über Einwanderung und Integration

»Nicht jeder muss Leberwurst essen«

Wie sollen Zuwanderer in Deutschland integriert werden? Sollen sich Einbürgerungswillige einem Gesinnungstest unterziehen? Wie wird in einer Partei darüber diskutiert, die es lange abgelehnt hat, Deutschland als Einwanderungsland zu betrachten? Kristina Köhler stammt aus Wiesbaden und sitzt seit dem Jahr 2002 für die CDU im Bundestag. Im vergangenen Jahr setzte sie sich erfolgreich dafür ein, dass die antisemitische türkische Zeitung Vakit nicht mehr in Deutschland erscheinen durfte. Sie ist die Berichterstatterin für Integration der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
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Warum hat die Volkspartei CDU keinen einzigen muslimischen Landtags- oder Bundestagsabgeordneten?
Das liegt daran, dass viele Muslime immer noch das Vorurteil hegen, die CDU sei eine Partei, die ihre Interessen nicht wahrnehme. Deshalb bin ich umso froher, dass es mit dem Deutsch-Türkischen Forum einen Verband gibt, in dem sich zumindest türkischstämmige Deutsche, die zum Großteil bekennende Muslime sind, in der CDU orga­nisieren. Das DTF ist ein sehr hoffnungsvoller Ansatz.

»Wir sollten die Verleihung der Staatsbürgerschaft als Krönung des Integrationsprozesses betrachten. Wenn jemand sagt, er will zwei Pässe, dann ist es doch ein Hinweis darauf, dass es mit seiner Integration noch nicht so weit ist.«

Unter türkischstämmigen Wählern wird der CDU ein Anteil von zehn Prozent bescheinigt. Ist der Argwohn gegen Ihre Partei unter die­sen Wählern berechtigt?
Der Argwohn ist absolut unberechtigt. Wir waren die erste Partei – und sind bis heute die einzige –, die sich dem Schutz der verfassungstreuen Mehrheit der Muslime vor islamistischen Gruppierungen gewidmet hat. Wir sind die Partei, die in Hessen mit großem Erfolg die Vorlaufkurse in den Schu­len eingeführt hat. Und wir sind die Partei, die auf Bundesebene quasi alleine für die Rechte der muslimischen Frauen kämpft. Sie sehen, die CDU vertritt die Interessen der verfassungstreuen Migranten. Aber Sie haben natürlich Recht, das ist bei vielen noch nicht angekommen.

Vielleicht erinnern sich manche Zuwanderer noch an die Unterschriftensammlung Ihres Landesverbandes, der hessischen CDU, gegen die doppelte Staatsbürgerschaft.                                                                                                                                                             Es gab damals auch junge Türken in der Union, die eine Anzeige gegen den Doppelpass geschaltet haben. Man sollte nicht so tun, als wären in dieser Frage alle Türken ein monolithischer Block. Ich stehe nach wie vor zu dieser Kampagne und glaube sogar, dass sich jetzt noch viel mehr zeigt, wie richtig sie war. Es ging im Kern um die Frage, wann wir die Staatsbürgerschaft verleihen: am Beginn der Integration oder zur Krönung der Integration. Ich finde, wir sollten die Verleihung der Staatsbürgerschaft als Krönung des Integrationsprozesses betrachten. Wenn jemand sagt, er will zwei Pässe, dann ist es doch ein Hinweis darauf, dass es mit seiner Integration noch nicht so weit ist. Wir wollen, dass der deutsche Pass nur dann verliehen wird, wenn die Integration abgeschlossen ist. Es geht hier um die Frage der Zugehörigkeit, der Identität und um Werte. Das war auch schon in der Unterschriftensammlung vor fünf Jahren die Frage.

Viele hatten damals den Eindruck: Da kann ich gegen Ausländer unterschreiben.
Das mag sein, dass der eine oder andere so gedacht hat. Ich habe damals auch Unterschriften gesammelt, und mir hat das keiner gesagt. Ich hätte ihm auch widersprochen. Ich habe aber kein Problem damit, wenn es uns als Volkspartei gelingt, diejenigen, die eine rechtskonservative Ausrichtung haben, zur Mitte hin zu integrieren, sodass sie nicht zu den Re­publikanern abdriften. Die SPD hat bei dieser Aufgabe am linken Rand leider ziemlich versagt.

Sie haben sich für den Einbürgerungstest in Baden-Württemberg ausgesprochen. Mit welchem Recht kann der Staat einbürgerungswilligen Menschen etwas abverlangen, was bei den sonstigen Bürgern weder überprüfbar noch sank­tionierbar ist?
Ich habe nicht gesagt, dass ich diesen Ein­bürgerungstest eins zu eins übernehmen will. Ich finde die Grundidee richtig. Es geht darum, ob wir uns damit begnügen, wenn jemand einfach nur sagt, er bekenne sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Oder ob wir uns nicht Gedanken darüber machen sollten, wie wir ein bisschen genauer nachfragen können. Sicherlich gibt es auch in Deutschland Schwulenhasser, Frauenfeinde und Antisemiten. Aber ist das ein Grund, noch mehr Schwulenhasser, Frauenfeinde und Antisemiten einzubürgern? Ich will damit nicht behaupten, dass die, die sich einbürgern wollen, das mehrheitlich sind. Das sind sie nicht. Aber es gibt sie unter ihnen, und diesen will ich, ehrlich gesagt, nicht die deutsche Staatsbürgerschaft verleihen.


Josef Ratzinger würde den Fragenkatalog, etwa wenn es um die Homosexualität geht, wohl nicht bestehen, und mit ihm viele andere deutsche Staatsbürger auch nicht.
Die Fragen zur Homosexualität erschei­nen mir auch nicht die allerglücklichsten. Wobei es ja schon interessant ist, dass es ausgerechnet die CDU ist, die als Anwalt der Homosexuellen fungiert. Das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung kann man nicht durch eine Unterschrift überprüfen. Man kann mit Fragen auch keine Terroristen enttarnen, denn die werden sich gut vorbereiten. Aber wenn jeder Einbürgerungswillige sich auf so einen Leitfaden vorbereitet und sich damit auseinandersetzt, was unsere Anforderungen sind, wäre auch schon etwas gewonnen.

Wann ist denn jemand richtig integriert?
Für mich gibt es vier Punkte. Einmal die Akzeptanz der hiesigen Rechtsordnung. Das Zweite ist das Beherrschen der deutschen Sprache. Das Dritte ist eine gewisse Kenntnis über Gepflo­gen­heiten, Umgangsformen, Normen und Werte hierzulande. Ich meine nicht, dass jeder Leberwurst essen muss, aber wenn Sie nicht »Guten Tag« und »Auf Wiedersehen« sagen können, dann werden Sie es hier schwer haben. Und das Vierte ist eine gewisse Kenntnis über unsere Geschichte. Jemand, der hier lebt, muss auch wissen, dass es den Holocaust gegeben hat.

Glauben Sie, dass Ihr früherer Parteikollege Martin Hohmann in dieser Frage gut genug integriert ist mit seinen Ansichten über die deutsche Geschichte?
Ich habe Martin Hohmanns Rede damals für absolut falsch gehalten und mich immer davon distanziert. Aber ich bezweifle nicht, dass er auf dem Boden unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht.

In der Diskussion über Zwangsehen argumentieren Sie oftmals mit dem Begriff der Menschenwürde. Wie ist es um die Menschenwürde bestellt, wenn man sich ansieht, dass Deutschland Menschen in Länder abschiebt, in denen gefoltert wird, wie etwa nach Togo? Es gibt Fälle, in denen Familien getrennt und nachts Personen aus den Wohnungen geholt werden.
Dass wir in Länder abschieben, in denen Folter droht, müssten Sie mir erst mal nachweisen. Das wäre dann nicht gesetzeskonform. Deshalb haben wir viele Fälle, in denen wir die Menschen nicht abschieben dürfen und es auch nicht tun, selbst wenn sich diese Personen etwas zu Schulden haben kommen lassen. Allerdings müssen wir uns über gewisse Härtefälle Gedanken machen. Auch ich habe Fälle im Wahlkreis von Leuten, die sehr gut integriert sind, nicht auf Kosten der sozialen Sicherungssysteme leben, in Vereinen aktiv sind, also alle Anforderungen an die Integration erfüllen, und die Eltern sich nur insofern etwas haben zu Schulden kommen lassen, weil sie zum Beispiel Pässe weggeworfen haben, um hier bleiben zu können. Man kann sagen, das war kein korrektes Verhalten. Aber ob man dann dafür die Kinder, die vielleicht schon 16 Jahre alt sind, abschiebt, muss man überdenken.