Betrug und Barrikaden

Mit Wahlmanipulationen sicherte sich Faure Gnassingbé die Präsidentschaft Togos. Die Opposition reagierte mit Protesten. von thomas nagel

Wenige Minuten nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses in Radio und Fernsehen brannten auf den Straßen der Hauptstadt Lomé die ersten Barrikaden. Nachdem die Wahlkommission am Dienstag der vergangenen Woche Faure Gnassingbé, den Sohn des Anfang Februar verstorbenen Diktators Gnassingbé Eyadéma, zum Sieger der Präsidentschaftswahlen erklärt hatte, lieferten sich aufgebrachte Anhänger der Opposition in mehreren Städten Straßenschlachten mit Militär, Sicherheitskräften und Anhängern des Regimes. Erst nach zwei Tagen beruhigte sich die Lage ein wenig, bei den Protesten wurden einer Schätzung der togoischen Menschenrechtsliga zufolge mindestens 50 Menschen getötet und fast 200 verletzt.

Die nominell unabhängige Wahlkommission Ceni spricht Gnassingbé einen Stimmenanteil von 60 Prozent zu. Sein stärkster Konkurrent, Emmanuel Akitani Bob, der gemeinsame Kandidat der wichtigsten sechs Oppositionsparteien, kam nach Angaben der Ceni lediglich auf 38 Prozent. Dieses Ergebnis ist zwar bis zur Zustimmung des Verfassungsgerichts provisorisch. Da das Gericht ausschließlich mit Getreuen Eyadémas besetzt ist, zweifelt niemand an der Bestätigung dieser Zahlen.

Am Mittwoch erklärte sich Akitani Bob seinerseits zum Wahlsieger und rief die Bevölkerung zum Widerstand auf. Beobachter der Opposition hatten zahlreiche Unregelmäßigkeiten festgestellt. Unter anderem seien in der Küstenregion, traditionell eine der Hochburgen der Opposition, 40 Prozent der Wahlscheine gar nicht erst verteilt worden.

In Togo droht auch nach dem Tod des langjährigen Diktators Eyadéma alles beim alten zu bleiben. »Die altbekannten Strukturen, die Gnassingbé I. eingeführt hat, werden von Gnassingbé II. aufrechterhalten. Das ist die Kontinuität des Systems Eyadéma«, kommentierte der Oppositionspolitiker Gilchrist Olympio das Ergebnis der Wahl.

Die Entwicklung gleicht dem Ablauf der Präsidentschaftswahl vom Sommer 2003. Auch damals wurden viele Vorwürfe der Opposition von verschiedenen NGO bereits vor den Wahlen bestätigt. Amnesty International und andere Menschenrechtsorganisationen, die sich zu einer Koalition für Togo zusammengeschlossen hatten, kamen in einer Erklärung vom 20. April zu dem Schluss, dass wegen der »fortgesetzten systematischen Menschenrechtsverletzungen« eine »freie Teilnahme an der Wahl unmöglich« sei. Solidarité 24 Avril, ein Bündnis deutscher und französischer NGO, berichtete unter Berufung auf die LTDH, dass »das Recht auf Einschreibung in Wählerlisten« seit Beginn der Wahlvorbereitungen »offenkundig verletzt« worden sei.

Unter anderem sei, so das Bündnis, nicht wenigen die Eintragung verweigert worden, weil sie »2003 nicht gewählt hatten oder sich bisher nie auf Wählerlisten eingeschrieben hatten«. Zudem seien »in vielen Städten ganze Stapel von Wahlscheinen an Anhänger der Regierungspartei RPT (Rassemblement du Peuple Togolais) abgeliefert« worden, in deren Händen dann die Weiterverteilung lag. Hinrich Küssner vom Verein Deutsch-Afrikanische Zusammenarbeit berichtet, die Regierung habe versucht, Dorfchefs mit Beträgen in Höhe von 500 Euro zu schmieren, damit sie die Dorfbewohner beeinflussten, für Faure Gnassingbé zu stimmen.

Auch während der Wahl sei es zu Betrug in großem Ausmaß gekommen, berichtet Solidarité 24 Avril unter Berufung auf Interviews mit Augenzeugen und eigene Beobachter. So hätten sich kurz vor Beginn der Wahl »in zahlreichen Wahllokalen waren Militärangehörige mit den Wahlurnen allein, bevor sie die Organisatoren hereinließen«. Es sei davon auszugehen, dass die Urnen mit fingierten Stimmzetteln für Faure Gnassingbé »gestopft« wurden. In anderen Fällen seien nach Schließung der Wahllokale Urnen vom Militär »auf der Straße verbrannt« worden. Andere Augenzeugen berichten von Übergriffen des Militärs, das mit scharfer Munition und Tränengas gegen die Proteste vorging, um Auszählungen in Anwesenheit der Bevölkerung zu verhindern. Bei allen abgebrochenen Auszählungen habe Akitani Bob mit mindestens 90 Prozent der Stimmen vorn gelegen.

Auch die internationalen Reaktionen ähneln fatal denen des Jahres 2003. Die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas, die als einzige staatliche Organisation Beobachter geschickt hatte, bezeichnete die Wahlen als »insgesamt frei und fair«. Es habe »nur vereinzelt Unregelmäßigkeiten und Gewalt« gegeben, erklärte Adrienne Diop, die Sprecherin der Organisation. Die französische Regierung gratulierte Gnassingbé unmittelbar nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses zur Präsidentschaft.

In Washington wurden Zweifel am korrekten Ablauf der Wahlen geäußert, die US-Regierung reagierte jedoch ablehnend auf Akitani Bobs Selbsternennung zum Präsidenten. Adam Ereli, ein Sprecher des US-Außenministeriums, forderte von allen Politikern, »öffentlich darauf zu bestehen, dass ihre Anhänger Gewalttaten vermeiden«, verlor jedoch kein Wort über staatliche Gewalt. Die EU hält sich zurück. Unter Hinweis auf die zu kurze Vorbereitungszeit zwischen dem Tod Eyadémas und der Wahl verzichteten die europäischen Staaten von vorneherein auf die Entsendung von Beobachtern. Die togoische Opposition hatte eine Verschiebung gefordert, fand keine Unterstützung in der internationalen Diplomatie.

Der Angriff auf das Goethe-Institut in Lomé am Freitag dürfte das Werk von Anhängern Gnassingbés oder togoischen Soldaten gewesen sein. Vertreter der Regierung hatten Deutschland vorgeworfen, die Opposition zu unterstützen. Als möglicher Grund für die Ressentiments gilt die Flucht des Innenministers Francois Boko in die deutsche Botschaft. Er hatte kurz vor der Wahl eine Verschiebung gefordert und war daraufhin entlassen worden. Der am Samstag nach entsandte Beauftragte des Auswärtigen Amts soll mit der Regierung Togos sowie Vertretern Frankreichs und der USA verhandeln. Von Gesprächen mit der Opposition wurde nichts erwähnt.

Die Proteste gelten der internationalen Diplomatie als destabilisierend, die Regierung Togos wird zur Mäßigung aufgefordert, aber letztlich gestützt. Die Ecowas, die AU und die USA befürworten eine Regierung der nationalen Einheit. Doch Faure Gnassingbés Aufforderung an die Opposition, man solle doch im Interesse des Landes zusammenarbeiten, klingt angesichts der manipulierten Präsidentenwahl verdächtig nach entsprechenden Scheinangeboten seines Vaters.

Der internationale Druck, mit dem Faure Gnassingbé zur Abhaltung von Präsidentschaftswahlen gezwungen wurde, nachdem er drei Wochen zuvor vom Militär verfassungswidrig zum Nachfolger seines Vaters erklärt worden war, ist verschwunden. Die Opposition erhält de facto keine Unterstützung von außen. Es droht eine Fortsetzung der togoischen Diktatur oder ein weiterer Bürgerkrieg in einer ohnehin krisengeschüttelten Region.