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The work is done

Hans-Jürgen Wischnewski. Im Kanzleramt klingelte das Telefon. Als Hans-Jürgen Wischnewski die Worte »The work is done« in den Hörer sprach, sollen Kanzler Helmut Schmidt die Tränen gekommen sein. Das war im Oktober 1977, an dem Tag, als Wischnewski in Mogadischu mit Scheinverhandlungen die palästinensischen Flugzeugentführer hinhielt, um sich nach der Stürmung der Maschine als »Held von Mogadischu« feiern zu lassen. »Ben Wisch«, wie er von Freunden und Feinden genannt wurde, war in der Zeit der sozialliberalen Koalition einer der bedeutendsten deutschen Politiker. Immer hinter den Kulissen, immer im Schatten, das ausführende Organ des Kanzlers. Mit Geldkoffern reiste er rund um die Welt, um zumeist über die Freilassung von deutschen Geiseln zu verhandeln. In Amman, in El Salvador, Nicaragua, im Iran, im Irak, im Libanon.

Vor allem in der arabischen Welt war Wischnewski hoch angesehen und vermutlich der einflussreichste Deutsche. Angefangen hatte das mit seinem Engagement für die algerische Unabhängigkeitsbewegung. Bis zuletzt empfing er in seiner Nobelsuite im Berliner Hotel Adlon Politiker und Geschäftsleute aus dem arabischen Raum. Den heutigen Kanzler begleitete er noch im Oktober bei seinem Staatsbesuch nach Libyen.

Seine letzte Reise brachte den Ehrenbürger von Bethlehem im November nach Ramallah, wo er von Yassir Arafat Abschied nahm. 82jährig ist Ben Wisch am Donnerstag seinem alten Freund und Weggefährten gefolgt. (ib)

Hauptsache Lesen

Literaturkanon. Früher haben sich die Akademien noch fleißig gegen die Kulturindustrie gewandt. Keine Ahnung, was die Menschen da draußen wirklich lesen und was sie interessiert, bei uns im germanistischen Insitut werden jedenfalls Franz Werfel und Arno Schmidt behandelt! Doch das Institut für Neuere Deutsche Literatur und Medien der Universität Kiel will nun andere Wege gehen und – wie sagt man so schön? – dem Volk aufs Maul schauen. Das Volk hat nämlich vor kurzem in der Sendung des ZDF »Unsere Besten – Das große Lesen« die Lieblingsbücher der Deutschen gewählt. 15 von diesen Schmökern, die sich die Deutschen nicht nur in die Regale stellen, sondern auch wirklich lesen, sollen nun in Kiel im Rahmen einer Ringvorlesung bearbeitet werden.

Auf Platz eins dieser Liste landete »Der Herr der Ringe«, gefolgt von der Bibel, was schon mal zwei hübsche Bücher wären. Auf den folgenden Plätzen findet man dann Schmöker von Ken Follett und natürlich »Harry Potter«. Liebe Kieler Germanistikstudenten, ihr seid zu beneiden! Da sei »für jeden Literaturgeschmack etwas dabei«, hieß es dann auch richtig aus Kiel. (aha)

Plateaux Resistance

Elektronische Musik. Dass Techno und elektronische Musik in den Neunzigern in Deutschland groß wurden, ist nicht zuletzt auch ein Verdienst von Achim Szepanski, der auf seinen Frankfurter Labels Force Inc., Force Tracks, Ritornell und Mille Plateaux Platten, voll mit Sägezahn-Techno bis Clicks&Cuts, ohne Ende veröffentlichte. Er verstand seine Veröffentlichungspraxis dabei immer politisch und versuchte, vor allem an Theorien seines Hausphilosophen Gilles Deleuze anzuknüpfen.

Im vergangenen Jahr war damit dann Schluss. Der Berliner Vertrieb EFA ging pleite und zog Szepanskis kleines und verdienstvolles Label-Imperium gleich mit in den Abgrund. Doch nun plant Szepanski ein Comeback, und die Namen seiner neuen Labels deuten bereits darauf hin, dass es jetzt erst so richtig losgehen soll mit der Verbindung von Musik und Subversion. Plateaux Resistance, Disco Inc. und Molecular Funk Guerilla heißen die neuen Plattformen für sonischen Widerstand. Na, da sind wir schon mal gespannt. (aha)

Christoph, zum Zweiten

Bayreuther Festspiele. Vielleicht wird Christoph Schlingensief in diesem Jahr doch nochmals die Ehre zuteil, bei den Bayreuther Festspielen Richard Wagner zu inszenieren. Bislang hat er freilich noch Hausverbot bei den Wagners in Bayreuth. Denn Festspielleiter Wolfgang Wagner war gar nicht erfreut über die »Parsifal«-Inszenierung Schlingensiefs im letzten Jahr, außerdem fand er dessen öffentlich ausgetragene Streitereien mit dem Tenor Endrik Wottrich nur wenig statthaft.

Doch nun hat sich der Komponist und Dirigent Pierre Boulez für Schlingensief stark gemacht. Er hatte bei Schlingensiefs »Parsifal« das Orchester geleitet und findet nun, man müsse Schlingensief eine zweite Chance geben. »Ich fand Schlingensiefs Ansatz erst einmal spannend, finde aber auch, dass er noch einiges verbessern könnte«, sagte er.

So schlimm konnte Schlingensiefs Arbeit in Bayreuth auch gar nicht gewesen sein, schließlich fand sie sogar Dr. Edmund Stoiber recht passabel. In diesem Sinne muss man Boulez Recht geben, Schlingensief sollte tatsächlich eine zweite Chance erhalten, um Richard Wagner vielleicht doch noch angemessen zu zerlegen. (aha)

Mea Culpa

Rolf Hochhuth. Zuerst macht Rolf Hochhuth den nützlichen Idioten für die Junge Freiheit, die sich mit Interviews mit vermeintlichen Geistesgrößen selbst zu adeln versucht, und nun macht Hochhuth schon wieder einen Rückzieher. Nachdem das Interview, das er der Jungen Freiheit gegeben hat und in dem er den Holocaustleugner David Irving verteidigt, für einigen Wirbel gesorgt hat, scheint es Hochhuth nun mulmig geworden zu sein. Seine Äußerungen hat er in einer Stellungnahme als »Riesendummheit« bezeichnet, außerdem bedaure er es aufrichtig, wenn er die »Gefühle jüdischer Bürger« verletzt habe.

Derzeit bemüht sich Hochhuth auch noch darum, sich mit Paul Spiegel, dem Präsidenten des Zentralrates der Juden, zu einem Streitgespräch zu verabreden. Wahrscheinlich wird er diesem dann nochmals persönlich erklären, dass er natürlich alles nicht so gemeint habe, wie er es gesagt hat. (aha)