Der Hermon ruft

Von Dezember bis April ist Israel ein Geheimtipp für Skifahrer. von martin krauss

Der Präsident. »Es ist eher eine Kuriosität als ein wirkliches Skigebiet«, sagt Stanley Rubinstein, Präsident des israelischen Skiverbandes. »Der Schnee ist nicht so gut und das Wetter meist zu warm. Es gibt zwar einige Tage im Jahr mit großartigem Skiwetter, aber man kann leider nicht vorhersagen, wann.«

Der Geschäftsführer. »Zehn Skilifte haben wir hier; einen für Besucher, neun für die Skifahrer«, sagt Menachem Baruch, Geschäftsführer des Mount-Hermon-Skigebiets.

Der Skilehrer. »Wenn du durch die Wolken hindurchschaust, in die grünen Täler und auf die schneebedeckten Gipfel des nördlichen Israel, Libanon und Syrien, dann ist das zauberhaft«, sagt Joel Leyden, der als Skilehrer in Israel und in den USA arbeitet.

Der Reiseunternehmer: »Ich habe keine Ahnung, ob Menschen wegen des Skifahrens beispielsweise nach Zypern reisen, aber ich weiß, dass am Hermon ein besseres Skigebiet ist als in Zypern«, sagt Shifrut Yaniv vom Reisebüro Lirot Olamat.

Israel ist eine unbekannte Wintersportnation. Im israelischen Teil des Hermon-Gebirges, zu den Golanhöhen zählend, gibt es 45 Kilometer Skipisten, die längste Abfahrt geht über fünf Kilometer. »Außer den Liften gibt es eine Skischule, eine Rodelbahn«, sagt Geschäftsführer Baruch, »und selbstverständlich finden sich Bars fürs Après-Ski.« Nur für Langlaufloipen fehlt der Platz.

Dennoch findet sich am Mount Hermon nur die Hälfte des wintersportlichen Angebots Israels. Für weitere Attraktivitäten muss man ein paar Kilometer weiter in die Stadt Metulla reisen, unmittelbar an der Grenze zum Libanon. Hier steht das Canada Center mit einem modernen Eisstadion. Dort trainieren Eiskunstläufer und Shorttrackspezialisten, und auch alle Meisterschaftsspiele der Eishockeyliga werden hier ausgetragen: Immerhin fünf Vereine gibt es, aber im ganzen Land nur eine Halle mit der erforderlichen Größe. Im Sommer ist in der Vorhalle des Canada Center der Viererbob »Israel 1« ausgestellt.

Von Dezember bis April ist das Hermon-Gebirge in weiten Teilen schneebedeckt. Auf syrischer Seite ist es 2 800 Meter hoch, auf israelischer Seite ist sein höchster Gipfel der Mitzpe Shlagim mit 2 224 Metern. Zwei bis drei Meter Schnee am Gipfel und ein Meter an der Talstation sind nicht selten. Der höchste Punkt ist allerdings dem Militär vorbehalten, das dort in Tuchfühlung zu syrischen und libanesischen Posten auch über eine Gebirgsjägertruppe verfügt.

Die zivilen Skifahrer rasen von einem anderen Hügel runter. »Der liegt 2 040 Meter über dem Meeresspiegel«, sagt Baruch. Etwa 70 Kilometer vom Skigebiet ist das Mittelmeer entfernt, und in knapp 60 Kilometern Entfernung findet sich der See Genezareth. »Seit 1969 gibt es Skisport in Israel«, sagt Baruch. »Ein paar Freunde kannten Skifahren aus Europa und wollten das auch nach Israel bringen.« Mit österreichischer Technik bauten sie den ersten Skilift. »Schon vor dieser Zeit«, ergänzt Stanley Rubinstein vom Skiverband, »gingen die Leute zum Skifahren auf die Berge. Manchmal benutzten sie Esel, um ihre Ausrüstung hochzubekommen.« Und vor der Gründung des Staates Israel, in den dreißiger Jahren, entdeckten Jeckes, also deutsche Juden, im libanesischen Teil des Hermon-Gebirges einige Skigebiete für sich. »Damals wurde auch der ›Palestine Skiclub‹ gegründet, der Vorläufer des Israeli Ski Club«, sagt Rubinstein.

»Wir haben hier eines der weltweit größten Angebote an Leihskiern«, behauptet Baruch. »2 500 Skier und Snowboards werden hier ausgegeben.« Schließlich kommen überwiegend Israelis, und die besitzen nur in wenigen Fällen eigene Skier. »Außerdem sind die meisten nur für einen Tag da.« Wenn der Schnee gut ist, kommen täglich etwa 2 000 Skifahrer, pro Jahr sind es über 400 000. Auch auf Touristen, die länger bleiben wollen, ist man eingerichtet. Hotels und Privatquartiere bieten insgesamt etwa 300 Betten auf.

Von Terrorangriffen blieben Metulla und das Mount-Hermon-Skigebiet bislang verschont. »Die Raketen fliegen über unsere Stadt, sie liegt zu dicht an der Grenze«, sagt Judith Javor. Sie ist die Generalsekretärin des Eiskunstlaufverbandes. »Schon seit einiger Zeit ist es sehr ruhig«, sagt auch Menachem Baruch. Der Teil, wo Baruch und seine Kollegen das Skigebiet betreiben, gehört erst seit dem Sechstagekrieg von 1967 zu Israel. In Metulla hingegen siedeln schon seit dem 19. Jahrhundert Juden. Ab 1894 wurden mit Unterstützung des Barons Edmond de Rothschild Häuser gebaut, und so entstand eine Stadt mit einem ganz eigentümlichen Flair: Vielleicht ist mediterraner Gebirgscharme die richtige Umschreibung. Um Metulla bekannter zu machen, ließ der damalige Bürgermeister Yossi Goldberg Anfang der neunziger Jahre ein Eisstadion bauen. Mittlerweile findet jedes Jahr Anfang Oktober der international besetzte Eiskunstlaufwettbewerb »Skate Israel« statt. Der 2003 verstorbene Goldberg träumte von einer israelischen Medaille bei Olympischen Winterspielen. Die fehlt noch.

Auch für den Breitensport wird die Grundlage gelegt. »Die Firma Cellkom baute neulich in Tel Aviv eine Eisfläche auf dem Rabin-Platz auf. Es war ein voller Erfolg«, sagt Javor. »Jetzt fragen die Stadtverwaltungen bei uns an, wie man so etwas bauen kann.« Diese Erfahrungen hat auch Sergej Matin gemacht, der Präsident des Eishockeyverbandes. »Wir benötigen unbedingt Eis«, sagt er und fordert Eishallen in Tel Aviv und mindestens einer weiteren größeren Stadt. »Die Einwanderer warten nur darauf«, weiß Matin, der selbst aus dem russischen St. Petersburg stammt.

Mehr Schnee täte den Betreibern des Mount-Hermon-Skigebiets auch gut. Dass ihr Angebot auf Nachfrage stößt, wird im Winter ständig bewiesen. Joel Leyden, der Skilehrer, findet es unfair, wenn über das Skigebiet schlecht geredet wird. »Es unterscheidet sich nicht nennenswert von einem Skigebiet mittlerer Größe im Nordosten der USA.«

»Das Skifahren wird in Israel immer populärer, davon profitiert nicht nur das Hermon-Skigebiet«, sagt Shifrut Yaniv. Jedes Jahr fahren angeblich 40 000 bis 50 000 Israelis nach Europa zum Skilaufen. »Man kann nicht behaupten, dass der Hermon das beste denkbare Skigebiet ist«, sagt Yaniv, der die Reisen von Israelis in die Alpen organisiert, »aber bevor man in Europa auf die Skier steigt, kann man es hier sehr gut lernen.«

Joel Leyden, der Skilehrer, warnt jedoch: »Die meisten Israelis, die hier fahren, haben kein Geld für Skistunden. Also muss man stets auf Irre achten, die ohne jede Kontrolle die Piste runterjagen.«