Dagegen heißt dafür

Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft weiß, wer den »politischen Frieden« im Schwabenland stört: der Antifaschist Tobias B. von thorsten fuchshuber

Ist ein Mensch, der ein Transparent mit der Aufschrift »Gegen Massentierhaltung« trägt, in Wirklichkeit für die Massentierhaltung, weil das Wort zu lesen ist? Spricht aus den Schmähschriften gegen den US-Präsidenten Bush eine heimliche Bewunderung, weil sein Name immer wieder fällt?

Der Antifaschist Tobias B. soll Anfang September vergangenen Jahres am Rande einer Kundgebung in Stuttgart einen Aufruf verteilt haben mit dem Ziel, eine Demonstration der »Bewegung Deutsche Volksgemeinschaft« (BDVG) zu verhindern. Unter dem Motto »Die USA sind unser Unglück – Schützt Europa vor Amerika« wollte die Neonazi-Organisation am 11. September 2004 durch Schwäbisch Hall marschieren. Das tat sie auch, unterstützt von einem Großaufgebot der Polizei.

Tobias B. hingegen wird sich am morgigen Donnerstag auf der Anklagebank des Stuttgarter Amtsgerichts wiederfinden. Ihm wird vorgeworfen, er habe öffentlich dazu aufgefordert, »Gewalttaten vorzunehmen«, dies womöglich noch in einer »Aufmachung, die geeignet ist und den Umständen nach darauf gerichtet ist, die Feststellung der Identität zu verhindern«. Zudem soll er Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen verwendet haben. Denn auf dem betreffenden Antifa-Flyer ist das Foto eines Neonazis mit erhobenem Arm und einem Pullover mit Hakenkreuz abgebildet und von einer Verhinderung des Aufmarschs »mit allen Mitteln« die Rede. Auch ein Bild aus den dreißiger Jahren ziert das Papier. Darauf sind drei Frauen zu sehen, die sich vermummt und mit Steinen bewaffnet an einer Straßenschlacht beteiligen.

Tobias B. wird wohlgemerkt nicht der Herstellung des Flugblatts, sondern nur dessen Verbreitung bezichtigt. »Ein Staatsschutzbeamter will mich bei der Kundgebung gesehen haben und behauptet, ich sei ihm persönlich bekannt«, sagt der Beschuldigte. Wohl deshalb hielt der Beamte sogar die Feststellung der Personalien für überflüssig. Stattdessen durchsuchte die Polizei wenige Tage später das Zimmer von Tobias B., wo sie ein einziges Exemplar des inkriminierten Flugblatts als Beweismittel sichern konnte.

Der Vorwurf, verfassungsfeindliche Symbole verwendet zu haben, fand offenbar nicht die Unterstützung der Ermittlungsrichterin. Sie unterschrieb zwar den Durchsuchungsbefehl, strich jedoch jenen Punkt.

In der Anklageschrift legt die Staatsanwaltschaft deshalb nach. Sie argumentiert, dass »verfassungswidrige Symbole grundsätzlich aus der Öffentlichkeit« herauszuhalten seien, denn es soll »jeglicher Anschein vermieden werden, in Deutschland würden nationalsozialistische Strömungen geduldet«. Im vorliegenden Fall richte sich das Flugblatt »gegen den politischen Frieden in Deutschland«, weil es suggeriere, dass Handlungen wie der Hitlergruß in Deutschland toleriert würden.

Eine Sprecherin der Bunten Hilfe sieht in dem Verfahren gegen Tobias B. keinen Einzelfall. Sie beobachtet eine »ganze Welle staatlicher Repression« gegen Linke aus Stuttgart und Umgebung. Im vergangenen Jahr seien mehrere Verfahren eingeleitet worden, die vor Widersprüchen »nur so strotzen«.

Einschüchtern lässt sich die Antifa im Schwabenland aber trotzdem nicht. Schon im März will ein Bündnis eine Kampagne gegen den Neonazi Andreas Thierry lancieren. Dieser hat wenige Kilometer von Schwäbisch Hall entfernt einen Gasthof erworben, aus dem er nun, so befürchten die Antifas, ein »nationales Schulungszentrum« machen will. »Dass die Faschos dort ihr Ding durchziehen«, will man »auf keinen Fall zulassen«.